Basiswissen Philatelie (XIII) – Bildpostkartenserie des Saar-Hilfswerks

Hallo

Ich hatte in meinem Beitrag vom 11. November angekündigt, die im SAARPHILA-BLOG schon häufig erwähnte Bildpostkartenserie des Saar-Hilfswerks aus dem Jahr 1934 vorzustellen.

Fragt ihr euch soeben, was eine Bildpostkartenserie aus der Zeit des Dritten Reiches mit den Briefmarkenausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar zu tun hat?

Die Gedankengänge der verantwortlichen Personen, die Anordnungen und die Vorgänge, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu eigenständigen Ausgaben von Briefmarken für das Saarland führten, werden verständlicher, sobald diese vor ihrem geschichtlichen und sozio-ökonomischen Hintergrund betrachtet werden. Zu diesem Hintergrund zähle ich u.a. das Ende des Ersten Weltkrieges, den Versailler Vertrag und seine Folgen für alle Vertragsparteien, die Weltwirtschaftskrise, die intensive Propaganda im Vorfeld der Saarabstimmung (Volksentscheid) vom 13. Januar 1935 sowie die Folgen dieses Entscheides für die Saarländer und das Saargebiet.

Es gibt auch philatelistische Gründe. Einerseits haben wir gesehen, dass eine der Postkarten dieser Bildpostkartenserie für den Gestalter der Bildmotive der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, Vytautas Kazimieras Jonynas, die Vorlage für das Bildmotiv des 1 Mark-Wertes Saarschleife bei Mettlach bildete (vgl. hier, hier und hier). Doch auch zwei weitere Motive aus der Bildpostkartenserie fanden Eingang in die Bildmotive der Saarbriefmarken, wenn auch erst in den Jahren 1950 resp. 1956. Der Vollständigkeit halber: Einige Motive finden sich auch auf Briefmarken der Volkshilfe-Ausgaben des Saargebietes.

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Ich möchte zu Beginn auf die so harmlos klingende Organisation Saar-Hilfswerk eingehen. Heute würden wir hinter einer solchen Bezeichnung wahrscheinlich eine karitative aber sicherlich gemeinnützige Institution vermuten. Weit gefehlt! Das Saar-Hilfswerk war eine im Jahr 1934 vom Saarbevollmächtigten (1) des Dritten Reiches gegründete, nach dem Führerprinzip aufgebaute, nationalsozialistische Organisation. Der alleinige Zweck dieser Organisation war das Sammeln resp. Eintreiben von Spenden für die intensive – auch kostenintensive – nationalsozialistische Propaganda im Vorfeld der Saarabstimmung vom 13. Januar 1935.

Das schlesische Namslauer Stadtblatt (2) vom Weihnachtstag 1934 bringt auf der Frontseite einen aufschlussreichen Dank des Saarbevollmächtigten des Reichskanzlers (Adolf Hitler) für Spenden aus Kreisen der Industrie. Selbstverständlich nicht, ohne prominent die Bankverbindung des Saar-Hilfswerks (3) zu nennen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Konsequenterweise war dem Saar-Hilfswerk nur eine kurze Existenz beschieden. Es wurde nach der „gewonnenen“ Saarabstimmung 1935 aufgelöst. Die Akten der Organisation befinden sich heute im Bundesarchiv in Berlin-Lichtenfelde.

So, nach den einleitenden Bemerkungen kommen wir zu den 12 Ansichtskarten der Bildpostkartenserie des Saar-Hilfswerks. Postkarten für politische Propaganda einzusetzen war 1934 beileibe keine neue Idee. Jedoch immer noch eine zündende Idee. Postkarten, insbesondere Ansichtkarten, waren nicht nur bei der deutschen Bevölkerung enorm beliebt. Es ist heute im Zeitalter von E-Mail, SMS, Whatsapp, Facebook etc. kaum vorstellbar, dass zwischen den Weltkriegen weltweit Jahr für Jahr schätzungsweise 15 Milliarden Post- und Ansichtskarten verschickt wurden. Das sind etwa 475 Karten pro Sekunde!

Der Bedarf an Postkarten war vorhanden. Die Nazis brauchten die Nachfrage nur befriedigen. Möglichst harmlos und subtil, ohne dass die eigentliche Stossrichtung offensichtlich wurde. Zu diesem Zweck wurde dem Saar-Hilfswerk das Saar-Bild-Archiv angegliedert. Das Saar-Bild-Archiv war eine nationalsozialistische Nachrichten- und Bildagentur zur Belieferung der deutschen und ausländischen Presse mit Materialien zur Saarfrage, in enger Verbindung mit dem Saarbevollmächtigten, dem Saarreferat des Reichs- und preussischen Ministerium des Innern sowie der Saarabteilung der NSDAP. Der Saarreferent Bayerns – den gab es tatsächlich, die Bayern sind da ja eigen – spielte in dem Konzert keine Rolle mehr. Es war in Berlin längst entschieden worden, dass die Einwohner und Gemeinden des Saargebiets nicht wieder an Preussen und Bayern zurückgegliedert würden, sondern als Reichsland „Saarland“ dem frisch ernannten Reichskommissar für das Saarland – trara – Josef Bürckel, dem ehemaligen Saarbevollmächtigten des Reichskanzlers zu Lehen gegeben würden. Pardon! Von diesem ordnungsgemäss verwaltet werden würden.

Das Saar-Bild-Archiv war eine ad hoc-Einrichtung, verfügte somit – trotz des Namens – nicht über ein eigenes Bild-Archiv. Daraus ergab sich anfangs 1934 eine intensive Korrespondenz mit verschiedenen Verlagen zur – selbstverständlich kostenlosen – Überlassung von Bildmaterial zwecks … Propaganda. Diese Korrespondenz macht einen Grossteil des Aktenvolumens im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde aus.

Die 12 Ansichtskarten waren in einem Streifband eingebunden.

Deutsch ist das Land, das Volk an der Saar – Eisern geschmiedet in Not und Gefahr

Die Aussenseite zeigt unter dem Titel Unser Saargebiet eine Kartenskizze des Saargebiets sowie prominent den Bergmann von der Saar. Der Preis von 30 Pfennig ist für 12 Ansichtskarten sehr moderat und entspricht kaufkraftbereinigt 2018 etwa Euro 1,35. Versucht einmal heute, für Euro 1,35 zwölf Ansichtskarten zu erwerben!

Um Vertriebskanäle musste sich das Saar-Hilfswerk keine Gedanken machen: von HJ (Hitlerjugend), BdM (Bund deutscher Mädels), Saarvereine, NSDAP-Ortsgruppen bis hin zu Schülern und Lehrern wurden alle eingespannt. Nachstehend ein Zitat aus der vom Schulrektor geführten Schulchronik der Schule I in Limburg (an der Lahn) vom 14. Dezember 1934:

„Um 10 ½ Uhr bringt die Post von dem Saarbeauftragten des Führers ein Paket Saarpostkarten (480 Stck) zum Verkauf an die Schüler u. durch die Schüler. Da die Saar-Abstimmung vor der Tür steht, werden sie schleunigst verkauft. An diesem Tage sammle ich Geld: 1) für Saarpostkarten, 2) für Weihnachtskerzen des VDA, 3) für Krippenspiel der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“, 4) wir nageln für das Winterhilfswerk (pro Nagel 5 Pf.), 5) für Sippschaftsbogen, die von den Kindern auszufüllen sind.“

Die genaue Reihenfolge, falls es eine festgelegte Reihenfolge überhaupt gab, in welcher sich die 12 Ansichtskarten im Streifband befanden, lässt sich – trotz jahrelanger Recherche – bis auf die erste Ansichtskarte – das Bildmotiv Bergmann von der Saar – nicht genau festlegen. Die Reihenfolge, in welcher ich die Ansichtskarten vorstelle, ist somit völlig zufällig.

Bergmann von der Saar

Das erste Bildmotiv ist der Bergmann von der Saar, eine Skulptur des saarländischen Bildhauers Fritz Koelle, die 1934 vor der Nationalgalerie in Berlin stand. Geschickt gewähltes Motiv: Bergmänner gab es an der Saar zuhauf, der Künstler stammte – obschon bei den Nazis nicht gerade beliebt – aus dem Saarland und die Skulptur stand in Berlin … der Reichshauptstadt!

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Saarschleife bei Mettlach

Das zweite – von mir gewählte – Motiv ist die Saarschleife bei Mettlach. Vorlage für das Bildmotiv des 1 Mark-Werts der 1. Offenburger Ausgabe.

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Burgruine Kirkel

Das dritte Motiv ist eine Ansicht der Burgruine Kirkel, einem aus dem 11. Jahrhundert stammenden Verteidigungsbau im Osten des Saarlands zwischen den Städten St. Ingbert, Homburg, Neunkirchen und Zweibrücken.

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Ottweiler: Markt und Wehrturm

Das vierte Motiv ist der Marktplatz und der Wehrturm von Ottweiler. Kommt Ihnen dieses Bildmotiv bekannt vor? Ja? Sie brauchen sich nicht wundern. Hier ist die Auflösung: Die saarländische Sondermarke zum 400. Stadtjubiläum im Jahr 1950.

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Das fünfte Motiv stammt aus Saarbrücken und zeig die Ludwigs– sowie die Jakobskirche.

Ludwigskirche, Jakobskirche

Wiederum eine geschickte Motivwahl. Eine repräsentative evangelische Barockkirche neben einer römisch-katholischen Kirche. Man wollte es sich ja mit niemandem verderben, obschon die Nazis grundsätzlich kirchenfeindlich eingestellt waren. Ihr Ziel war: statt Kreuz das Hakenkreuz.

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Das sechste Motiv ist eine – anfangs der 30er-Jahre noch eher seltene – Luftaufnahme der unter militärischen Aspekten angelegten Kasernenstadt Saarlouis. Auf der Propaganda-Ansichtskarte interessanterweise noch als Saarlouis bezeichnet, wurde die Stadt nach dem Anschluss des Saarlandes von den Nazis –  da zu frankophon klingend – zur ungeteilten Begeisterung der Einwohner am Jahrestag der Abstimmung am 13. Januar 1936 in Saarlautern umbenannt.

Sollte dieses Motiv vielleicht – sanft – die bevorstehende Militarisierung des gesamten Saargebiets andeuten?

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Das siebte Motiv visualisiert den für das Saargebiet so wichtigen Kohlenbergbau. Abgebildet ist das Rosseltal (heute der Stadtteil Klarenthal von Saarbrücken) im Süden des Saarlands mit der Grube Velsen.

Grube Velsen

Übrigens. Hatte ich erwähnt, dass dieser Beitrag sehr bildlastig sein würde? Nein? Nun wisst ihr es.

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Winterbergdenkmal Saarbrücken

Kein saarländisches Motiv ist propagandistisch, politisch und emotional so aufgeladen wie das 1874 aus Spenden errichtete Winterbergdenkmal. Erbaut in Erinnerung an den Sieg Preussens über Frankreich in dem von Reichskanzler Fürst Bismarck angezettelten Krieg von 1870/71, wurde es – Ironie der Geschichte – am 10. September 1939 von den Nazis gesprengt.

Warum, zum Teufel, haben die Deutschen, die ja eigentlich liebenswürdige Mitmenschen und Nachbarn sein können, in 150 Jahren fünf, für Europa desaströse Kriege angezettelt?

Müssen wir uns darauf einstellen, dass die Deutschen wieder zuschlagen? Oder wird Ministerin von der Leyen die komplette Kastrierung der deutschen Armee erfolgreich umsetzen können?

Item. Kommt euch dieses Bildmotiv ebenfalls bekannt vor? Auch dieses Mal braucht ihr euch nicht wundern. Das Motiv wurde 1956 für eine drei Werte umfassende Sondermarkenserie zur Finanzierung des Wiederaufbaus des gesprengten Denkmals verwendet.

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Das neunte Motiv war sicherlich so recht nach dem Geschmack der Nazis. Bekenntnissprüche auf Häusern in St. Wendel, die den deutschen Charakter der Gemeinde St. Wendel unterstrichen.

Domplatz St. Wendel

Die Sprüche:

„Ich bin geboren, deutsch zu fühlen. Bin ganz auf deutsches Denken eingestellt. Erst kommt mein Volk, dann all die andren vielen. Erst meine Heimat, dann die Welt.“

„Deutschland und wenn Dich das Elend umnachtet wir haben Dich lieb wie nie zuvor.“

Beim zweiten Spruch drängt sich die Frage auf, ob da Anfang der 30er-Jahre jemand hellseherische Fähigkeiten an den Tag gelegt hat?

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Das zehnte Motiv ist die Gemeinde Tholey mit der 1794 aufgehobenen und seit 1949 wieder bewohnten Benediktiner-Abtei. Die Siedlung Tholey geht auf keltische Wurzeln zurück und war bereits unter römischer Herrschaft besiedelt

Tholey mit ehemaliger Abtei

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Elftes Motiv der Serie ist der Wendelinus-Brunnen mit Blick auf die Basilika von St. Wendel.

Wendelinus-Brunnen

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Das zwölfte Motiv zeigt die Röchlingsche Eisenwerke in Völklingen bei Nacht. Eine eindrucksvolle Aufnahme, auch 85 Jahre nach ihrer Entstehung.

Röchling Eisenwerke in Völklingen bei Nacht

Bis dann

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Anmerkungen

(1) Durch Kabinettsbeschluss seit Mitte November 1933 der ehemalige Reichskanzler Franz von Papen, der als Katholik den katholischen Klerus für die Sache der Nazis einspannte, ab 28. Juli 1934 dann der stramme Nazi und Gauleiter des Saarlandes Josef Bürckel. Dem Saarbevollmächtigten unterstanden – Führerprinzip – die Saarreferenten Preussens, Bayerns und des Reichs, das Saar-Hilfswerk sowie der Saarpropaganda-Ausschuss

(2) Namslau ist heute eine Gemeinde in Polen und heisst Namyslów

(3) Neustadt an der Haardt ist eine Gemeinde im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz  heisst heute Neustadt an der Weinstrasse

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