Geschichte des Saarlandes – Ein Überblick (I)

Hallo

Ich realisiere im Austausch mit anderen Sammlern häufig:

    • nur wenige Saar-Sammler beschäftigen sich über die Informationen des Briefmarken-Kataloges hinaus mit der Geschichte des Saarlandes
    • insbesondere im deutschsprachigen Raum werden die Vorgaben der Michel-Redaktion hinsichtlich Katalogisierung resp. Zuordnung der unterschiedlichen Briefmarken mit Bezug zur Saar-Region meist ohne Reflexion übernommen; „steht ja in der Bibel“
    • die bekannten Zubehörhersteller bilden bloss ab, was die Michel-Redaktion vorgibt

Ihr habt sicherlich ebenfalls schon das Problem gehabt, für eure Saar-Sammlung die passenden Titelblätter zu finden. Von Alben mit Prägung, die ansonsten für viele Länder (Schweiz, Österreich, Frankreich, Deutsches Reich etc.) und Gebiete (z.B. Berlin) erhältlich sind, ganz zu schweigen. Die ja meist in Deutschland ansässigen Zubehörhersteller machen es sich da aus meiner Sicht sehr einfach und lassen den Sammler im Regen stehen.

Albumblatt Leuchtturm, das Pendant von Lindner sieht ähnlich aus

Vor einigen Tagen fiel mir bei ebay ein Angebot von Rückenschildern für Lindner-Alben auf. Ein Angebot, dass auch Schilder für das Saargebiet und das Saarland umfasste. Bei Letzterem musste ich ungläubig den Kopf schütteln. Es war so ziemlich alles falsch, was auf dem Rückenschild stand. Dieses Angebot war letztendlich der Auslöser, einen bereits seit Monaten in Arbeit befindlichen Beitrag zur Geschichte des Saarlandes fertigzustellen.

Was ist an dem abgebildeten Rückenschild falsch? Gehen wir die Angaben der Reihe nach durch:

    • Der Titel: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa wurde das Saarland erst am 1. Januar 1957 in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert. Der Titel Deutschland Saarland ist für die Zeit zwischen 1947 und 1956 falsch.
    • Das Wappen: Das Rückenschild zeigt das Wappen des Bundeslandes Saarland. Dieses ist seit dem 1. Januar 1957 in Verwendung. Für die Zeit zwischen 1947 und 1956 ist das Wappen falsch.
    • Jahrgang 1947-1959: Separate, meist bildgleich mit den für den Rest der Bundesrepublik ausgegebene Briefmarken für „Deutschland Saarland“ – also das Bundesland – wurden von der Deutsche Bundespost von 1957 bis 1959 ausgegeben. Der Zeitraum 1947 – 1959 ist falsch. Darüber hinaus suggeriert der angegebene Zeitraum, dass es vor 1947 keine Briefmarken für die Saar-Region ausgegeben wurden, was natürlich nicht stimmt.

Wie müssten wir es richtig machen? Ab Februar 1946 wird das Saarland aus der Zone d’occupation française en Allemagne ausgegliedert und untersteht – im Gegensatz zu den anderen Besatzungszonen – auch nicht mehr dem Alliierten Kontrollrat. Faktisch und de iure sowie mit Billigung der Alliierten ist die Saar-Region von 1946 bis zur Gründung der autonomen Republik Saarland ein von Frankreich annektiertes Gebiet; vorbehaltlich eines endgültigen Friedensvertrages (welcher nicht absehbar war und schlussendlich erst 1990 unterzeichnet wurde). Eine korrekte Beschriftung für das Rückenschild oder das Titelblatt müsste lauten: Frankreich Saar/Sarre 1946-1947; das zu verwendende Wappen wäre das der französischen Republik.

Welche Briefmarkenausgaben existieren für diesen Zeitraum? Die Freimarkenserien Wappen und Dichter sowie Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar (BuS I/II, auch 1./2. Offenburger Ausgabe) inkl. – nach Abschluss der zweistufigen Währungsreform im Saarland am 19. November 1947 – der Überdruckausgabe des Malstatt-Burbacher Drucks (MBD I/II).

Wappen und Dichter, frankaturgültig im Saarland von Januar 1946 bis November 1947

Von philatelistischem Interesse ist die Ausgabe Wappen und Dichter (vgl. Abb.). Warum sollte dies den Saar-Sammler interessieren?

Die auf (Reichs-) Pfennig und Reichsmark lautenden Briefmarken Wappen und Dichter sind seit Dezember 1945 für die gesamte Zone d’occupation française en Allemagne ausgegeben worden. Das Saarland wurde jedoch sukzessive aus dieser Zone herausgelöst:

    • Am 25. Juli 1945 wird das Regierungspräsidium Saar aus dem Zuständigkeitsbereich des Neustädter Oberpräsidiums Mittelrhein-Saar ausgegliedert
    • Am 29. Juli 1945 übernimmt die französische Militärverwaltung unter Général Molière die Verwaltung des (ehemaligen) Saargebiets
    • Am 30. August 1945 löst die Délégation supérieure de la Sarre unter Militärgouverneur Gilbert Grandval Général Molière ab
    • Ab dem 16. Februar 1946 ist der alliierte Kontrollrat in Berlin nicht mehr für die Saar-Region zuständig
    • Das nur noch auf dem Papier existierende Regierungspräsidium Saar, die einzig verbliebene administrative Verbindung zur Zone d’occupation française en Allemagne wird am 8. Oktober 1946 durch Militärgouverneur Gilbert Granval aufgelöst; eine Verwaltungskommission eingerichtet
    • 22. Dezember 1946: Das Saarland wird in das französische Zollgebiet integriert, eine Zollgrenze zur Zone d’occupation française en Allemagne wird eingerichtet

Nun tragen die Marken der Ausgabe Wappen und Dichter aber den Titel Zone française. Dieser Titel ist einer der Gründe, schnellstens eine eigene Briefmarkenserie – Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar – für das Saarland auszugeben. Schlussendlich behalten die Marken der Ausgabe Wappen und Dichter trotz des Erscheinens neuer Freimarken in den ersten Monaten des Jahres 1947, trotz Währungsumstellung auf (Saar-) Mark im Juni 1947 und auch Frankaturgültigkeit bis zum 27. November 1947.

Interessant sind Mischfrankaturen mit zwei Währungen aus Marken der Ausgaben Wappen und Dichter sowie der 1./2. Offenburger Ausgabe nach dem 16. Juni 1947: Wappen und Dichter in Reichsmark sowie 1. Offenburger Ausgabe in Saarmark.  Nach Abschluss der Währungsreform am 19. November 1947 und der Umstellung auf den französischen Franken war für eine Woche – vom 20. bis zum 27. November 1947 – im Saarland die Frankatur mit Briefmarken von drei verschiedenen Ausgaben möglich. Dies führt zu interessanten Mischfrankaturen mit Werten von Wappen und Dichter, 1. Offenburger Ausgabe sowie vom Malstatt-Burbacher Druck. Auf so einem Beleg (vgl. Abb.) finden sich drei Währungen:

    • Wappen und Dichter in Reichsmark
    • 1. Offenburger Ausgabe in (Saar-) Mark
    • Malstatt-Burbacher Druck in Franken
3 Briefmarkenausgaben – 3 Währungen

Der postamtliche Nachvollzug der politischen und verwaltungstechnischen Realitäten wird offensichtlich nicht streng gehandhabt. Grund hierfür ist wohl auch der Mangel an Allem nach dem Krieg (vgl. Beitrag Spätverwendungen). Die anfangs alleinige und später parallele Verwendung von Briefmarken der Wappen und Dichter in dem nicht mehr zur Zone d‘occupation française en Allemagne gehörenden Saarland sollte sich auch in einem korrekt aufgebauten Saarland-Album niederschlagen. Solch ein – dreiteiliges – Album müsste für den ersten Teil ein Titelblatt mit französichem Wappen oder der französischen Flagge und der Jahresangabe 1946-1947 enthalten. Auf das Titelblatt folgen fünf Seiten, eine Seite für:

    • die 13 Werte der Wappen und Dichter in Reichsmark
    • die 20 Werte (plus 2 abweichende Wasserzeichen) der 1. Offenburger Ausgabe bis 15. Juni 1947 in Reichsmark, ab 16. Juni 1947 in Saarmark
    • die 13 Werte der 2. Offenburger Ausgabe in Saarmark, von diesen sind nur sehr geringe Mengen an die Postschalter gelangt
    • die 13 Werte (plus 1 abweichendes Wasserzeichen) der Überdruckausgabe des Malstatt-Burbacher Drucks MBD I (Druck auf Werten der 1. Offenburger Ausgabe, Urdruck) in Franken
    • die 13 Werte der Überdruckausgaben des Malstatt-Burbacher Drucks MBD II (Druck auf Werten der 2. Offenburger Ausgabe) in Franken

Am 17. Dezember 1947 gibt sich das Saarland – wie zwei Jahre später das besetzte Deutschland – auf Anregung der Besatzungsmacht und mit deren Segen eine eigene Verfassung. Am 20. Dezember 1947 übernimmt eine eigene Regierung die Verwaltung des Landes. Das autonome und ab 1950 resp. 1952 in weiten Teilen souveräne Saarland hat bis zum 31. Dezember 1956 Bestand. Für diese Zeit müsste die Beschriftung für das Rückenschild oder das Titelblatt lauten: Saarland Jahrgang 1947-1956, das Wappen wäre das der Republik Saarland.

Die P.T.T. des Saarlandes gibt ab dem 1. April 1948 eigene Briefmarken und Dienstmarken (!) heraus. Die letzte Briefmarkenausgabe erfolgt schliesslich nach 132 Marken sowie zwei Markenblöcken am 10. Dezember 1956.

Könnt ihr mir noch folgen? Es ist ganz einfach: die nach Ende des Zweiten Weltkriegs ausgegebenen Briefmarken mit Bezug zum Saarland lassen sich ganz einfach aufgrund der unterschiedlichen Auftraggeber, welche die Herstellung der Briefmarken veranlassten, in französische, saarländische und deutsche Marken unterteilen:

    • 1946-1947: P.T.T. de Zone d’occupation française en Allemagne, mit Sitz in Baden-Baden („französische“ Briefmarken für das Saarland)
    • 1948-1956: P.T.T. des Saarlandes, mit Sitz in Saarbrücken („eigene“ Briefmarken der Republik Saarland)
    • 1957-1959: Deutsche Bundespost, mit Sitz in Bonn; vertreten durch die Oberpostdirektion Saarbrücken, Saarbrücken („deutsche“ Briefmarken für das Bundesland Saarland)

Die Marken der Deutschen Bundespost kann man zu den Marken des Saarlandes zählen, man muss es aber nicht. Für mich gehören diese Marken zum Sammelgebiet Bundesrepublik Deutschland wie ihre meist bildgleichen Geschwister. Diese Briefmarken haben denselben Auftraggeber, wurden von derselben Behörde für dieselbe Leistung verwendet und wurden auf denselben Maschinen bei derselben Druckerei hergestellt. Es wäre logisch und nachvollziehbar, diese Marken auch unter demselben Sammelgebiet, nämlich BRD, zu katalogisieren. Ein Beispiel:

Oben wäre dies in den MICHEL®-Katalogen BRD MiNr.  249 Typ I und unten MiNr. 249 Typ II. Für den BRD-Sammler viel übersichtlicher. Ich höre schon euren Einwand: „Das müsste man dann bei Berlin ebenfalls machen.“ Richtig. Das könnte man.

Bis dann

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#saarphila #saarphilatelie