Die einzelnen Werte – 75 Pfennig

60 PFENNIG

Hallo

Vier Werte der Briefmarkenausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar fehlen noch bis zum Abschluss dieser kleinen Beitragsserie: 75, 80 und 84 Pfennig sowie 1 Mark. In diesem Beitrag behandeln wir den 75 Pfennig-Wert, welcher dasselbe Bildmotiv zeigt, wie der 60 Pfennig-Wert: den Alten Turm in Mettlach.

Die Marken des blauen 75 Pfennig-Wertes wurden – wie die gesamte 1. Offenburger Ausgabe – bei der Druckerei Franz Burda in Offenburg auf einer Palatia O Rotations-Rastertiefdruckmaschine aus dem Hause Schnellpressenfabrik Albert & Cie. oHG, Frankenthal, hergestellt. Der Druck dieses Werts begann nach den Weihnachtsfeiertagen am Freitag, 27. Dezember 1946. Am Montag, 30. Dezember 1946, war bereits die gesamte Auflage von 2’140’000 Stück gedruckt, wobei nach heutigem Wissensstand die Druckmaschine am Sonntag stillstand (was damals nicht selbstverständlich war).

Der 75 Pfennig-Wert kam, obschon die Herstellung bereits 1946 abgeschlossen war, erst am 20. Januar 1947 zusammen mit dem 12 Pfennig-Wert an die saarländischen Postschalter. Benötigt wurde der 75 Pfennig-Wert für die Frankierung von

    • Auslandsbrief 1. Gewichtsstufe bis 20 Gramm

Der Auslandsbrief war für die Saarländer ein sehr wichtiges Kommunikationsmittel, hatten doch Krieg und Zeitläufte viele Familien auseinandergerissen. Der Auslandsbrief wurde von den Verantwortlichen bei der P.T.T sogar als so wichtig erachtet, dass sie den 75 Pfennig-Wert als ersten Wert überhaupt drucken liessen;  noch vor dem 12 Pfennig-Wert (Inlandspostkarte), dem 45 Pfennig-Wert (Auslandspostkarte) und sogar vor dem 24 Pfennig-Wert (Inlandsbrief).

Die Farbe des 75 Pfennig-Werts ist Blau und entspricht damit dem Farbschema der Union Postale Universelle (UPU, Weltpostverein) für die Frankaturwerte für Auslandsbriefe.

Gedruckt wurde auf – im Vergleich zu den meisten anderen Werten der 1. Offenburger Ausgabe – recht dünnem, grauweissem Papier mit dem Wasserzeichen Wellenlinien. Das Wasserzeichen treten bei den Marken des 75 Pfennig-Werts in zwei Varianten auf: als steigende Wellenlinien (S) und – etwa 20x seltener – als fallende Wellenlinien (F, jeweils von der Markenrückseite her betrachtet). Zu den Wasserzeichen des 75 Pfennig-Werts vgl. diesen Beitrag.

75 Pfennig, Originalausgabe
Originalausgabe (gummierte Seite) Wasserzeichen fallende Wellenlinien F
Originalausgabe (gummierte Seite) Wasserzeichen steigende Wellenlinien S

Das Markenbild zeigt – wie bereits erwähnt – den Alten Turm in Mettlach. Der Alte Turm ist nicht, wie häufig geschrieben, der hohe schmale Turm an der rechten Seite des abgebildeten Gebäudes. Dies ist nur ein Mitte des 13. Jahrhunderts dem Alten Turm hinzugefügter Wendeltreppenturm. Der Alte Turm ist das gesamte imposante Gebäude mit den Strebepfeilern.

Erbaut wurde der Alte Turm im 10. Jahrhundert als Grabkapelle für den von katholischen Christen als Heiligen verehrten Luitwin. Das Gebäude ist im Erdgeschoss eine frühromanische Kryptakirche mit einem Wehrumgang im zweiten Geschoss. Der achteckige Grundriss ähnelt dem des Aachener Doms. Umbauten der romanischen Kapelle im gotischen Stil erfolgten im 14./15. Jahrhundert. Das anstatt des ursprünglich offen konzipierten Dachstuhls aufgesetzte gotische Zeltdach brannte 1628 ab. Zerstörungen nach der Säkularisierung der Benediktiner-Abtei und dem Abbruch der Abteikirche hätten zu Beginn des 18. Jahrhunderts fast zum Verfall des Gebäudes geführt. Auf Veranlassung von Eugen von Boch wurde der Alte Turm ab Mitte des vorletzten Jahrhunderts behutsam restauriert.

Das vorstehende Bild zeigt den 1989 zum 1000 Jahr-Jubiläum komplett restaurierten Alten Turm in etwa wie auf den Bildmotiven der Saar I. Links im Bild ist das Mauerwerk eines Seitenflügels der ehemaligen Benediktiner-Abtei Mettlach zu erkennen, seit 1809 bis heute Sitz der bekannten Steingut- und Keramikfabrik Villeroy & Boch. Wie gross der Baum vor dem Alten Turm, der bereits auf Jonynas‘ Bildmotiv zu erkennen ist, inzwischen geworden ist!

Luftaufnahme der ehemaligen Benediktiner-Abtei, der Produktionsanlagen von Villeroy & Boch sowie des Alten Turms (rechts im Park) auf einer alten Ansichtskarte. Im Vordergrund fliesst die Saar

Der Alte Turm zierte als Motiv bereits einige Briefmarken des Saargebietes:

60 Pfennig, Landschaftsbilder I
25 Centime, Landschaftsbilder II
3 Franken, Landschaftsbilder III

Der Entwerfer Vytautas Kazimieras Jonynas verwendet für dieses Bildmotiv nicht wie beim Bergmann, bei den Stahlwerkern oder bei den Bäuerinnen stilisierte Umgebungen und Personen. Er greift auch nicht auf die Darstellung der Marken des Saargebiets zurück. Das Bildmotiv Alter Turm wird durch ihn auf dem 18,5 x 22 Millimeter grossen Markenbild fotorealistisch dargestellt inkl. dem Mauerwerk der alten Benediktinerabtei am linken Bildrand.

Der Alte Turm gilt als der älteste erhaltene Sakralbau des Saarlands und ist – wie die Saarschleife – eines seiner Wahrzeichen. Wie bedeutsam ein Wahrzeichen eines Gebietes für dessen Bewohner ist, kann auch daran abgelesen werden, wofür das Motiv benutzt wird. Hier beispielsweise als Etikette für Zündholzschachteln.

Abbildungen

Der 75 Pfennig-Wert gehört zu den Werten der Originalausgabe, welche die P.T.T Saarbrücken im Sommer 1947 nicht nachdrucken liess, da inzwischen die Ermässigung des Portos für Auslandsbriefe auf 50 Pfennig beschlossene Sache war – heutzutage wäre eine Portoermässigung unvorstellbar. Es folgen hier keine Abbildungen von Neu- resp. Überdruckausgabe.

Dokumentation des Druckdatums der Originalausgabe, Groteskschrift mit Doppelpunkt, Typ I

Gut erhaltene Eckrandstücke mit Druckdatum sind vom 75 Pfennig-Wert genauso schwer zu finden wie beim 25 Pfennig-Wert  und beim 45 Pfennig-Wert. Der Grund ist derselbe: Die Marke vom Feld 89AB (die Marke oben rechts) weist ein im Michel-Katalog gelistete Feldmerkmal auf, daher wurde diese Marke häufig aus vorhandenen Bogenteilen herausgelöst.

Das Feldmerkmal selbst ist eher unauffällig. Es ist ein Farbfleck oberhalb des rechten Baums hinter dem Turm; umgangssprachlich als hochstehender Ast bezeichnet.

Mehr Informationen zu den Feldmerkmalen der 1. Offenburger Ausgabe erhaltet ihr im Rahmen der nächsten Beitragsserie dieses Blogs.

Dokumentation eines Schalterbogens

Schalterbogen Originalausgabe, 28. Dezember 1946, A 416 (3-stellige Bogennummer)

Dokumentation Bogennummern

Bei der Bogenecke des A-Bogens ist sehr schön die Perforationsanomalie zwischen erster und zweiter Markenreihe zu erkennen.

Beim 75 Pfennig-Wert sind 5- bis 3-stellige Bogennummern nachgewiesen:

75 Pfennig, 27. Dezember 1946
75 Pfennig, 28. Dezember 1946

Eine fünfstellige Bogennummer (A 10666) habe ich als Abbildung gesehen darf diese jedoch an dieser Stelle nicht wiedergeben. Von einer zweistelligen Bogennummer habe ich bloss gehört. Eventuell existieren auch einstellige Bogennummern, diese liegen mir jedoch nicht vor.

Hinweis: Die bei der Druckerei Franz Burda für die im Buchdruck erstellten Bogenrandsignaturen verwendete Schnellpresse Typ Rex hatte zwei Nummerierwerke (je eines für den A- und für den B-Bogen), die rückwärts zählten. Höhere Bogennummern bedeuten einen zeitlich früheren Druck als niedrigere Nummern.

Dokumentation ungezähnte Marke

Von allen Werten der 1. Offenburger Ausgabe sind ungezähnte Stücke und sogar Bogenteile bekannt. Diese Marken wurden nach derzeitigem Wissenstand nicht über die saarländischen Postschalter verkauft. Einige Stücke mögen aus Ausschuss resp. Makulatur bei der Druckerei Franz Burda stammen. Wie ich jedoch hier nachgewiesen habe, wurden unperforierte Schalterbögen auch regulär, wenn auch unbeabsichtigt, an die P.T.T. des Saarlandes in Saarbrücken ausgeliefert. Bei einem Wert konnte ich zeigen, dass ein unperforierter Schalterbogen sogar in der Malstatt-Burbacher Handelsdruckerei in Frankenwährung überdruckt wurde. Auf welchen Wegen die geschnitteten Stücke im Einzelnen letztendlich in Sammlerhände gelangten ist wohl schwierig zu dokumentieren.

Dokumentation verschobene Perforation

Wir könnten bei dieser Abbildung auch von einem dezentrierten Markenbild sprechen, nur wäre dies falsch. Weshalb? Der Druck auf dem unperforierten Druckbogen ist schon korrekt erfolgt, nur der darauffolgende Vorgang der Zähnung auf der Titan Flachperforiermaschine ist nicht so abgelaufen, wie vorgesehen. Daher ist Verzähnung bei allen Werten der 1. Offenburger Ausgabe der korrekte Begriff. Mehr Details der Herstellung der Briefmarken der Ausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar:

HERSTELLUNG

Stichwort raue Perforation

Raue Zähnung entstand, wenn die Mitarbeiter die Titan Flachperforiermaschine mit mehr als den maximal zulässigen vier Druckbögen befüllten und/oder die Stifte des Perforationskamms stumpf wurden. Raue Zähnung kommt bei den Werten, die auf Wasserzeichenpapier gedruckt wurden meines Wissens nach nicht vor.

Dokumentation Beleg

Beleg vom 14. Oktober 1947 gelaufen von Saarbrücken nach Schiltigheim, Frankreich

Ein schöner, wenn auch leider überfrankierter Beleg eines Auslandsbriefes. Wieso überfrankiert fragt ihr euch? Der 75 Pfennig-Wert wurde doch zur Frankatur von Auslandsbriefen hergestellt. Sogar in der von der UPU (Union Postale Universelle) vorgesehenen Farbe Blau. Die Erklärung ist einfach. Seit dem 15. September 1947 betrug das Porto für einen Auslandsbrief aufgrund einer Portoermässigung (!!!) nicht mehr 75 Pfennig, sondern 50 Pfennig. Da mehrere vorgedruckte, gelaufene Belege der Firma La Cigogne de Strasbourg vorliegen, die alle mit einer 75 Pfennig-Marke frankiert wurden, gehe ich davon aus, dass es sich um frankierte Rückumschläge der Firma La Cigogne de Strasbourg aus der Zeit vor der Portoermässigung handelt, die erst nach der Portoermässigung zur Verwendung kamen (evtl. Bestellungen).

Interessant: Obschon das Saarland bereits seit 16. Februar 1946 eine französische Kolonie unter einer Militärregierung ist, wird Frankreich postalisch erst mit der Revision der saarländischen Posttarife vom 20. November 1947 als Inland behandelt.

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Steckbrief des 75 Pfennig-Werts
    • Wert/Währung: 75 (Reichs-) Pfennig, ab 16. Juni 1947: 75 (Saar-) Pfennig
    • Bildmotiv: Alter Turm in Mettlach
    • Entwerfer: Vytautas Kazimieras Jonynas
    • Farben (Aufzählung):
      • RAL: 5010 Enzianblau
      • Stanley Gibbons Farbenführer: blue
      • End/Becker: Hellblau
      • Paul Staedel: bleu-vert à bleu-vert foncé
      • Saarhandbuch (SHB): Dunkelblau
      • MICHEL®: Dunkelultramarin
      • Scott: bright blue
      • Stanley Gibbons: greenish blue
      • Yvert & Tellier: bleu
    • Papier: dünnes, weissliches Papier mit leicht erkennbarem Wasserzeichen; das Papier ist im Bereich des Wasserzeichens so dünn, dass der Hintergrund durchschimmert
    • Wasserzeichen: Wellenlinien, von der Bildseite gesehen fallend resp. steigend (letzteres etwa 20x seltener)
    • Gummierung: helles Gummi arabicum
    • Druckverfahren: Rastertiefdruck auf Rotations-Tiefdruckmaschine Palatia O
    • Masse: ca. 22 x 26 Millimeter / ca. 18.5 x 22.5 Millimeter (Markenbild mit Schriftband)
    • Perforation: Kammzähnung durch Titan Flachperforiermaschine
    • Zähnungsmass: 14:14 mit minimen Schwankungen
    • Bogenrandsignaturen:
      • 5- bis 3-stellige Bogennummern nachgewiesen, andere möglich
      • Druckdatum ausgeführt in Groteskschrift Typ I
    • Druckdatum/-daten:  27./28./30. Dezember 1946
    • Auflage: 2’140’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit ca. 2’080’000 Stück verkauft wurden
    • Erstausgabetag: 20. Januar 1947
    • Verkauf bis: 19. November 1947 (möglich, doch unwahrscheinlich)
    • Gültigkeit: 20. Januar 1947 bis 27. November 1947 (offiziell, jedoch sinnvoll nutzbar nur bis zum 15. September 1947)
    • Hauptwert/Ergänzungswert: Hauptwert
    • Katalognummern (Aufzählung):
      • End/Becker: 222
      • Paul Staedel: 17
      • F.S.A.: 212
      • MICHEL®: 222XY
      • ANK: 222
      • Scott: 174
      • Stanley Gibbons: 219
      • Yvert & Tellier: 212
    • Neuausgabe im Herbst 1947: nein

Bis dann

80 PFENNIG

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