Im letzten Beitrag sind wir zeitlich an der Schwelle zum 20. Jahrhundert stehen geblieben. Das Gebiet des heutigen Saarlandes besteht aus drei Territorien: dem südwestlichen Teil der preussischen Rheinprovinz, dem westlichen Zipfel der bayrischen Pfalz und – mittendrin – dem zum Grossherzogtum Oldenburg gehörigen Fürstentum Birkenfeld. Das Postwesen liegt in der Pfalz in der Hand der königlich-bayerischen Postverwaltung und in den beiden restlichen Gebieten in der Hand der preussisch dominierten Deutschen Reichspost.
1914-1919: Der erste Weltkrieg endet in einer totalen Niederlage der Mittelmächte Österreich-Ungarn, Deutsches Kaiserreich und Osmanisches Reich. Grosse Gebiete, insbesondere in Belgien, Frankreich, Italien, Rumänien, Galizien, Russland und auf dem Balkan sind verwüstet. Aber-Millionen Soldaten sind gefallen oder verwundet. Aber-Millionen Menschen sind weltweit verhungert oder an der Grippe gestorben. Die Regierung des osmanischen Reiches führt an den armenischen Einwohnern gezielt und systematisch Massaker und Todesmärsche durch, die hunderttausende Opfer fordern.
Die Pariser Vorortverträge sollen nun im Sommer 1919 endlich Frieden schaffen, sollen verhindern, dass eine solch schreckliche Katastrophe unvorstellbaren Ausmasses nochmals die Menschheit heimsucht. Doch Rachsucht und mangelnde Diplomatie auf allen Seiten verkehren die Vorortverträge ins Gegenteil. Sie werden die Keimzellen für Mord, Vertreibung und weiteren Krieg. Auch nach dem Waffenstillstand vom 11. November 1918 geht das Das Schlachten, Morden und Vertreiben munter weiter:
1917-1923: russischer Bürgerkrieg unter Beteiligung der Entente-Mächte (Sowjetisierung Russland)
1918-1920: Lettisch-Russischer Krieg (Unabhängigkeit Lettlands)
1919: Rumänisch-ungarischer Krieg
1919-1921: Irisch-britischer Krieg (Unabhängigkeit Irlands)
1919-1921: Polnisch-russischer Krieg
1919-1922: Griechisch-türkischer Krieg (Massenvertreibung von Türken aus Griechenland und Griechen aus der Türkei)
1920: Türkisch-armenischer Krieg
1920-1922: Polnisch-litauischer Krieg
1921-1926: Rifkrieg zwischen nach Unabhängigkeit strebenden marokkanischen Rif-Kabylen auf der einen und Spanien sowie Frankreich auf der anderen Seite (Kolonialkrieg, Spanien setzt im grossen Masse auf Giftgas und wird bei Planung, Produktion und Einsatz durch deutsches Militär, deutsche Industrie und deutsche Fachleuten unterstützt)
Für das Saarland ist von den Pariser Vorortverträgen insbesondere der am 28. Juni 1919 unterzeichnete Versailler Vertrag von Bedeutung. In den Artikeln 45-50 und den zugehörigen Anhängen wird eine als Territoire du bassin de la Sarre bezeichnete (im Folgenden Saargebiet genannte) Region des heutigen Saarlandes für die Dauer von 15 Jahren dem neu gegründeten Völkerbund als Mandatsgebiet unterstellt. Die Grenzen dieses Saargebiets werden so gewählt, dass diese neben den Kohlegruben auch die Wohngebiete der Bergarbeiter einbeziehen. Das Saargebiet (nachfolgend Abbildungen von Flagge, Wappen und eine ungefähre Karte) umfasst gesamthaft eine Fläche von ca. 1’920 Quadratkilometern mit etwa 780’000 Einwohnern.
Es ist vorgesehen, dass nach Ablauf von 15 Jahren ein Volksentscheid über den Verbleib des Saargebiets entscheiden soll. Zur Auswahl stehen der Anschluss an Frankreich, der Anschluss an das Deutsche Reich oder der Verbleib beim Völkerbund (Status Quo).
Das Eigentum an den Steinkohlengruben des Saargebiets und das Recht zur alleinigen Ausbeutung derselben wird aufgrund der Vertragsbestimmungen ohne zeitliche Begrenzung, der französischen Republik zugesprochen. Dies soll zumindest zu einem kleinen Teil eine deutsche Wiedergutmachung für die enormen, von Deutschen in Frankreich angerichteten, in einigen Gebieten sogar bis heute – mehr als 100 Jahre später – noch sichtbaren Verheerungen und Schäden sein. Die saarländischen Bergleute erhalten 1920 somit allesamt neue Arbeitgeber.
1920: Der Völkerbund setzt nach dem Inkrafttreten des Versailler Vertrags am 10. Januar 1920 für das Saargebiet die Commission de gouvernement du bassin de la Sarre, eine international besetzte Regierungskommission ein, welche am 26. Februar 1920 (1) in Saarbrücken ihre Arbeit aufnimmt. Präsidenten der Regierungskommission sind:
Ein Mitglied der Commission de gouvernement du bassin de la Sarre ist immer ein Saarländer.
Postwesen: Das Saargebiet tritt ab dem 29. Januar 1920 erstmals als eigenes Postgebiet in Erscheinung. Erste Ausgaben waren mit „SARRE“ resp. „SAARGEBIET“ überdruckte Werte der bayerischen Post sowie der Reichspost. Bereits 1920 wurde eine eigene Markenausgabe in (Reichs-) Mark verausgabt.
Mit der Einführung der Frankenwährung per 1. Mai 1921 wurden die Werte der ersten Reichsmark-Ausgabe mit neuen Währungsangaben überdruckt. Etwas, was sich 26 Jahre später wiederholen würde.
Das Saargebiet verausgabt in den 15 Jahren seines Bestehens 205 Briefmarken; die letzte Ausgabe erfolgt am 1. Dezember 1934. Der Letzttag der Briefmarken des Saargebiets ist der 28. Februar 1935 (vgl. hier).
1935: Der Volksentscheid im Saarland wird nach langem „Wahlkampf“ (vgl. hier und hier) am Sonntag, 13. Januar 1935, abgehalten.
Die wahlberechtigen Saarländer – von denen viele gar nicht mehr im Saarland leben, sondern von unterschiedlichen nationalsozialistischen Organisationen in Sonderzügen und Bussen dorthin gekarrt werden – entscheiden sich unter anderem unter massivem Einfluss der katholischen Kirche (vgl. hier Anmerkung 8), trotz durchaus bekannter Gräueltaten und menschenverachtender Gesetze mit grosser Mehrheit dem nationalsozialistisch regierten Deutschen Reich beizutreten. Eine Entscheidung die viele von ihnen binnen weniger Monate bereuen werden.
1. März 1935: Das Saargebiet wird nicht, wie von vielen Saarländern angenommen, wieder Bayern und Preussen angegliedert, sondern Reichsland unter dem Nazi-Schergen, ehemals Saar-Beauftragten Hitlers und neu ernannten Reichskommissar Josef Bürckel.
Postwesen: Ersttag der Briefmarken der Deutschen Reichspost im Reichsland Saarland ist der 1. März 1935. Als eigenes Postgebiet tritt das Saarland für die kommenden 12 Jahre nicht mehr in Erscheinung.
Das Saargebiet oder das Saarland als Entität, als territoriale Einheit existiert nicht mehr. Es ist ein gleichgeschalteter Teil des menschenverachtenden und kriegsverherrlichenden Dritten Reichs der Deutschen. Dieser Zustand wird sich für die Saarländer nach langer, schwerer Zeit glücklicherweise noch einmal ändern.
Davon mehr im kommenden Beitrag.
Bis dann
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Anmerkung
(1) Datum der in Saarbrücken abgegebenen Regierungserklärung
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Folgt mir auf Facebook und Twitter (beide @SaarPhilatelist) und ihr seid immer auf dem Laufenden.
Im letzten Beitrag haben wir die historisch korrekte Zuordnung der nach Ende des Zweiten Weltkriegs für das Saarland ausgegebenen Briefmarken behandelt. Es gibt für den Zeitraum von 1946-1959 französische, saarländische und deutsche Briefmarkenausgaben.
Meine Geschichte des Saarlandes ist philatelistisch geprägt, wobei die Schwerpunkte der Darstellung auf der Zeit des Saargebiets 1920-1935 und der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg 1945-1959 liegen. Historiker werden die vielen Vereinfachungen und Auslassungen dieser Darstellung monieren. Ihnen sei gesagt, ich möchte ihren vielseitigen Werken an dieser Stelle keine Konkurrenz machen. Mein Zielpublikum ist nicht der Historiker, sondern der Briefmarkensammler.
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Geschichte des Saarlandes
Ich versuche, in den nachfolgenden Absätzen die Geschichte des Saarlandes mit wenigen Sätzen darzustellen. Etwas, was der Geschichtswissenschaftler einen Abriss nennt. Den Fokus dieser nicht durchgehend ernst gemeinten Darstellung – Humor macht das Lernen wie das Leben nicht einfacher, aber lustiger – lege ich auf die neueste Geschichte. Für das weitergehende Studium empfehle ich Geschichte des Saarlandes (1) aus der Reihe Wissen des renommierten Verlages C.H. Beck. Hier findet der Leser auch reichlich Literaturhinweise zur weiteren Vertiefung des Themas. Eine weitere interessante Quelle zur Geschichte des Saarlandes sind die saargeschichte|n, ein vierteljährlich erscheinendes historisches Magazin für das Saarland und die angrenzenden Regionen. Es wird herausgegeben vom Landesverband der historisch-kulturellen Vereine des Saarlandes sowie vom Historischen Verein für die Saargegend.
Vorgeschichte: Regionen, die klimatisch günstig gelegen sind, die gute Böden, ausreichend Wasser in Form von Seen, Bächen und Flüssen (Transport, Energiequelle) und Rohstoffe wie Holz, Kupfer, Eisen, Kohle aufweisen, sind seit jeher bevorzugte Siedlungsgebiete des Menschen. Es ist daher wenig verwunderlich, dass das Gebiet des heutigen Saarlandes schon vor über 300’000 Jahren von Menschen durchstreift wurde.
Fred & Barney; Urheber: J. Barbera, W. Hanna
Stein- und Bronzezeit: In der Jungsteinzeit wurden die Menschen im „Saarland“ mit der Zeit sesshaft. Die reiche Auswahl an Funden in saarländischen Museen zeugt von einer dichten Besiedlung des Raums zwischen Blies, Saar und Mosel. Auch die Schwerindustrie ist schon lange im Saarland ansässig. Eine Kupfermine bei St. Barbara, Wallerfangen wird auf das 2. Jahrtausend v. u Z. datiert. Bronzewerkzeug und Schmuck aus derselben Epoche zeugen von einer regen Metallindustrie.
1. Jahrtausend v. u. Z.: Die Kelten haben im Saarland nicht nur eindrucksvolle „Oppida“ hinterlassen, sondern im 1. Jahrtausend v. u. Z. schon weitreichenden Handel vom Baltikum bis zum Mittelmeer getrieben.
G. I. Caesar; Urheber: Albert Uderzo
100 v.u.Z. – 400 u.Z.: Die Römer kommen mit Gaius Julius Caesar nach Gallien resp. nach dessen Aufteilung unter Kaiser Augustus in die Region Gallia Belgica, zu dem auch die Region an der Saar gehört. Auf dem Gebiet des heutigen Saarlands finden sich viele Zeugnisse römischer Kultur, beispielsweise die Strassen von Metz nach Trier und Metz nach Mainz (auf diesen Strassen dürfte viel Post transportiert worden sein), die Villa Borg oder die Ausgrabungen im Europäischen Kulturpark bei Bliesbruck. Eine wichtige römische Gründung ist die Stadt Trier an der Mosel, benannt nach dem keltischen Stamm der Treverer. Trier ist zwischen 286 und 395 unserer Zeitrechnung kaiserliche Residenz und eine Hauptstadt des Römischen Reiches. So nah am Puls der Welt sind die Saarländer vorher und nachher nie wieder.
Um 600: Nach dem Untergang des römischen Reiches und dem Verschwinden der römischen Verwaltungsordnung tritt schon bald eine christliche Diözesanordnung an deren Stelle. Bekannte Missionare in der Saarregion sind Walfroy, Ingobert (St. Ingbert), Wendelin (St. Wendel), ein bekannter Bischof des Frühmittelalters der Bischof Liutwin (Abtei und Alter Turm, Mettlach).
800 – 1750: Ich möchte die Leser nicht mit der wechselvollen und extrem unübersichtlichen Geschichte der Saarregion im weiteren Verlauf des Mittelalters und der frühen Neuzeit langweilen. So viel sei gesagt: Das Land an Saar, Blies und Mosel befindet sich am Vorabend der französischen Revolution – der Zeit des Absolutismus l’etat c’est moi – am Rande des Königreichs Frankreich, der einflussreichsten kontinentaleuropäischen Grossmacht des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts.
Louis XIV.; Hyacinthe Rigaud (1701)
Das Saarland ist zu der Zeit jedoch keine territoriale Einheit, sondern ist in kleine und kleinste Herrschaften aufgeteilt. Das ist in dieser Zeit generell nicht ungewöhnlich.
Europa ist zwischen der Grenze des Königreichs Dänemark im Norden, bis zum Königreich Sizilien im Süden, vom zaristischen Russland im Osten und dem Königreich Frankreich im Westen in zeitweise ca. 600 grössere, kleine und kleinste Herrschaften unterteilt. Viele dieser europäischen Herrschaften befinden sich gleichzeitig innerhalb der wechselnden Grenzen des feudal strukturierten Heiligen Römischen Reichs (HRR, seit 1512 inoffiziell mit dem Zusatz „deutscher Nation“), unter der Herrschaft eines Kaisers, der meist aus dem Hause Habsburg stammt. Seit 1495 gehören die im Saarland befindlichen Gebiete Nassau-Saarbrückens und Pfalz-Zweibrückens zum Oberrheinischen Reichskreis. Die saarländischen Territorien Kurtriers und Luxemburgs sind dem Burgundischen Reichskreis zugeteilt. Das saarländische Reichsdorf Michelbach, die saarländischen Reichsritterschaften und Reichsherrschaften sowie das Domkapitel Trier gehören keinem Reichskreis an. Das Heilige Römische Reich dürfen wir uns nicht als Staat nach heutigem Verständnis vorstellen, es ist nur wenig mehr als ein gemeinsamer Rechtsrahmen vieler oftmals sogar souveräner und vehement auf ihre Souveränität pochender Reichs-Herrschaften. Auch der inoffizielle Namenszusatz „deutscher Nation“ führt schnell in die Irre. Mit dem uns heute bekannten Deutschland hat das nämlich gar nichts zu tun. Der Namenszusatz soll den Zeitgenossen nur vor Augen halten, dass das HRR zum grössten Teil aus Gebieten besteht, in welchen im allerweitesten Sinne deutsch gefärbte Dialekte gesprochen werden.
Ein Deutschland sucht man zu dieser Zeit vergeblich auf Landkarten und es existiert auch in den Köpfen der Zeitgenossen nicht. Selbst der Spruch: „ein Bayer ist ein Bayer und ein Preuss ein Preuss“, trifft – noch – nicht zu.
Denn ein Franke versteht sich schon damals nicht als Bayer …
Urheber: Spreadshirt
… und ein Ostfriese nicht als Preusse.
Urheber: Otto Waalkes
Es sollte noch bis ins 19. Jahrhundert dauern, bevor Deutschland von Denkern der Romantik als Idee geboren und als Möglichkeit gedacht wird. Selbst dann benötigt es einige Kriege, bis so etwas wie Deutschland – bis 1918 immer noch aus diversen Königreichen, Herzogtümern, Fürstenhäusern bestehend – aufgrund des unbändigen Machtwillens eines einzelnen Politikers auf einer Landkarte erscheint. Eine bis heute nicht nur für den europäischen Kontinent und Aber-Millionen von Menschen fatale, weil nicht nur kriegerische, sondern alles militärische verherrlichende Entwicklung, welche die friedliche Entwicklung der Saarregion gleich in mehrfacher Hinsicht hemmen wird.
Uns ist heute klar, dass die Saarregion in der Ausdehnung des heutigen Saarlandes nicht gerade gross ist – etwas der Saarländer jedoch verständlicherweise anders empfindet. Durch die diversen Herrschaftsgebiete wird dieser ohnehin kleine Raum zusätzlich zersplittert, was die Mobilität, den Postverkehr, den Warenaustausch, den Handel und die – sicherlich nicht ausschliesslich positiv zu beurteilende – Industrialisierung der Region massiv erschwert. Ich füge eine Aufzählung der verschiedenen Herrschaften im Gebiet des Saarlandes um das Jahr 1780 an und hoffe, keine übersehen zu haben:
Postwesen: Die Postbeförderung war grösstenteils in der Hand des Hauses Thurn und Taxis, resp. der französischen Post. Es bestanden die nachstehenden Poststationen:
Homburg (1739)
Saarbrücken (1742)
Saarlouis (französische Post)
St. Ingbert (bis 1763) danach Rohrbach
Blieskastel (1788)
1789: Revolution! Die Französischen Revolution bricht sich Bahn, auch im Saarland (2). Diese revolutionäre Bewegung und die sich daran anschliessende Napoleonische Zeit (Konsulat und Kaiserreich) würden den europäischen Kontinent liberalisieren sowie territorial neu ordnen wie es zuvor nur Alexander dem Grossen in Griechenland, Kleinasien, Ägypten und den Ländern am Hindukusch gelungen war.
1794: Die französische Revolutionsarmee hat die gesamten linksrheinischen Territorien besetzt (3). Das gesamte Gebiet von Basel bis Kleve wird in die Republik Frankreich eingegliedert. Das gesamte Saarland – seit 1798 bis auf das im Departement du Mont Tonneregelegene Homburg Teil des Département de la Sarre – kommt somit frühzeitig in den Genuss von Freiheit sowie der Gleichheit aller Bürger vor dem Recht, symbolisiert durch die Einführung des Code Civil sowie der anderen vier Gesetzbücher. Mit einem Schlag entfallen Feudallasten wie Frondienst, aber auch der Zehnte sowie aufgrund der Gewerbefreiheit die Zunftordnungen.
Hauptort des Départements de la Sarre ist Trier. Saarbrücken erhält 1800 den Sitz einer Unterpräfektur des gleichnamigen Arrondissements, bestehend aus den Kantonen (4) Arnual, Blieskastel, Lebach, Ottweiler und St. Wendel. Geistlicher – bspw. Abtei Wadgassen, Stift Sebastian oder Abtei Mettlach – und adeliger Besitz werden enteignet und als Nationalgüter versteigert. Die Gebrüder Stumm, bereits Besitzer der Abentheurer- und der Asbacherhütte, bilden in dieser Zeit durch den Erwerb von Hüttenwerken und Schmelzöfen im Saarbecken die Grundlage für den späteren Montankonzern.
Napoléon Bonaparte bei der Überquerung des Grossen St. Bernhard; Jaques-Louis David (1800)
1803: Durch die Verabschiedung des Reichsdeputationshauptschlusses verringert sich die Anzahl Herrschaften durch Säkularisation und Mediation massiv. Von ehemals 51 freien Reichsstädten bleiben beispielsweise ganze vier (!) übrig. Die Territorien der aufgelösten Herrschaften werden unter den angrenzenden Fürstentümern verteilt. Fürsten, die Napoléon unterstützen oder diesem nicht im Wege stehen, erhalten Territorien und werden auch im Rang erhöht (aus einem Kurfürsten wird dann ein König, aus einem Grafen ein Grossherzog etc.). Wer dagegen Napoléon bekämpft, wird erniedrigt.
1815 -1864: Nach der Niederlage Napoléons 1815 setzt mit dem Wiener Kongress die Restauration, die Wiederherstellung der feudal-ständischen Ordnung ein. In Wien wird monatelang – unterbrochen von der kurzen Rückkehr Napoléons – nicht nur gehurt und getanzt, sondern in erster Linie um Territorien, Einkünfte und Einfluss geschachert. Dieses Geschacher hat auch territoriale Auswirkungen auf die Region an der Saar, welche unter zwei Königreichen und zwei Herzogtümern aufgeteilt wird. Der grösste Anteil des heutigen Saarlands geht an das Königreich Preussen (5), der südöstliche Zipfel um Blieskastel und Homburg wird dem – Ironie der Geschichte – durch Napoléon erst 1805 beim Friedensschluss von Pressburg geschaffenen Königreich Bayern zugeschlagen. Das Grossherzogtum Oldenburg erhält das Territorium um Nohfelden und Sötern (Fürstentum Birkenfeld), dem Herzog Ernst von Sachsen-Coburg wird für seine Verdienste das Gebiet um St. Wendel (später Fürstentum Lichtenberg) zugesprochen. Gemeinsam ist diesen fremden Herren bloss eines: für sie sind die Saarländer aufgrund ihrer politischen Erfahrung und ihrer räumlichen Nähe zum Mutterland der Revolution unsichere Kantonisten.
Postwesen: In der Bayerischen Pfalz, also auch für das südöstlichen Saarland, ist ab 1816 das Oberpostamt Speyer zuständig. Seit 1849 – Stichwort: Schwarzer Einser – werden auch hier immer häufiger bayerische Briefmarken zur Freimachung von Briefen verwendet. Es vollzieht sich der Übergang von der vorphilatelistischen zur philatelistischen Epoche. Die Zuständigkeit der bayerischen Post bleibt offiziell bis zum 10. Januar 1920 bestehen, auch wenn sich die Posttarife denen des Norddeutschen Postbezirks und später der (kaiserlichen) Reichspost angleichen.
Schwarzer Einser von 1849 (gemeinfrei)
Oldenburg verfügte bereits zur Zeit des Heiligen Römischen Reiches über ein eigenes Postwesen und behält diese in den Provinzen Oldenburg und dem Fürstentum Lübeck. Im Fürstentum Birkenfeld ist auf Grund eines Vertrages vom 4. August 1817 das Haus Thurn und Taxis mit der Postversorgung betraut.
Das Fürstentum Lichtenberg wird am 31. Mai 1834 vom Herzogtum Sachsen-Coburg an das Königreich Preussen verkauft, welches das Territorium dem Regierungsbezirk Trier zuweist. Durch diesen Verkauf befand sich das Fürstentum Birkenfeld von preussischem Gebiet umgeben und wurde nach Ablauf des Vertrages mit Thurn und Taxis ab 1. November 1837 von der preussischen Post mitversorgt. Am 1. Januar 1868 gibt das Grossherzogtum Oldenburg sein eigenes Postregal auch in seinen sonstigen Gebieten auf.
Das Postwesen in Preussen ist wie alles, was aus Berliner Amtsstuben kommt, durchreglementiert bis zum letzten Komma, kompliziert und unverständlich. Ein Paragrafendschungel par excellance. Der interessierte Sammler findet hier einen Ausgangspunkt für eine jahrzehntelange Beschäftigung mit toten Buchstaben. Ich erspare Ihnen an dieser Stelle diese Tortur.
Es wurden die nachstehenden Postämter errichtet:
Merzig (1816)
Ottweiler (1817)
St. Wendel (1817)
Lebach (1833)
Perl (1833)
Tholey (1833)
Losheim (1835)
Wadern (1835)
Nohfelden (1837)
Mettlach (1840)
Heusweiler (1844)
St. Ingbert (1844, war 1763 nach Rohrbach verlegt worden)
Völklingen (1848, vormals bis 1815 französische Post)
Ensheim (vor 1861)
Mittelbexbach (vor 1861)
Schiffweiler (1868)
Nochmal einen kleinen Schritt zurück in das Jahr 1815. Vertreter von 34 souveränen Fürsten und der vier freien Städte Bremen, Frankfurt, Hamburg und Lübeck schliessen 1815 den Deutschen Bund, eine lose Vereinigung, mit dem Ziel, die vornapoleonischen, feudalen Herrschaftsstrukturen, die durch den Wiener Kongress unverhofft ein zweites Leben erhalten hatten, zu bewahren und zu festigen. Der Deutsche Bund garantiert unter anderem die Souveränität der einzelnen Mitgliedsstaaten. Garantiemächte dieses – heute von vielen leichtgläubigen Romantikern als Vorläufer Deutschlands verklärten – Deutschen Bundes waren das Kaisertum Österreich (gleichzeitig mit einigen wenigen Territorien Mitglied), Russland, das Vereinigte Königreich (gleichzeitig mit dem Königreich Hannover Mitglied) sowie die Königreiche Portugal, Preussen (gleichzeitig mit einigen Territorien Mitglied), Schweden und Spanien. Wie wir sehen werden, ist diese von den Garantiemächten abgegebene Garantie nicht das Papier wert, auf dem es niedergeschrieben wurde.
1864: Der preussische Ministerpräsident Otto von Bismarck (vgl. Abb.) schürt bewusst die latent vorhandenen Spannungen zwischen dem Königreich Dänemark und dem Deutschen Bund hinsichtlich eines Mitgliedsstaates des Deutschen Bundes, des Herzogtums Holstein (6). Zusammen mit Österreich besetzt Preussen in diesem Konflikt erst das Herzogtum Holstein und dann die dänische Provinz Schleswig. Das besetzte Herzogtum Holstein wird – die garantierte Souveränität der Mitgliedsstaaten des Deutschen Bundes ist offensichtlich wertlos – Österreich zugeschachert, Preussen annektiert im Gegenzug das dänische Schleswig.
Otto Graf von Bismarck-Schönhausen 1862; Bundesarchiv, Bild 183-R15449 / CC-BY-SA 3.0
1866: Der preussische Ministerpräsident Otto von Bismarck will in absehbarer Zukunft ein Deutschland unter Führung des Königreichs Preussen schaffen; jedoch ohne das Mitglied des Deutschen Bundes Österreich. In geheimen Absprachen mit Frankreich und dem Königreich Italien verpflichtet er mit blumigen Versprechen ersteres zur Neutralität und letztes zur militärischen Unterstützung. Ein Streit um die Verwaltung des zwei Jahre zuvor besetzten Holstein lässt er bewusst soweit eskalieren, bis die Garantiemacht des Deutschen Bundes Preussen einen Krieg gegen denselben von Österreich angeführten Deutschen Bund vom Zaun brechen kann (Preussisch-Deutscher Krieg). Das Königreich Preussen – Souveränitätsgarantie hin oder her – annektiert die folgenden Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes:
Königreich Hannover
Herzogtum Holstein
Herzogtum Nassau
Kurfürstentum Hessen
Freie Stadt Frankfurt.
Flugs gründet das Königreich Preussen 1866 aus seinem gewaltsam erweiterten Einflussgebiet und einigen zugewandten Herrschaften nördlich des Mains den NorddeutschenBund. Ein Militärbündnis, welches sich ein Jahr später eine Verfassung gibt, welche Preussens Dominanz und den Vorrang des preussischen Königs in diesem Bund festschreibt.
Nettes, wortbrechendes Völkchen, diese Preussen, denken sich die Zeitgenossen und beobachten seit dem Krieg Preussens gegen den DeutschenBund – verständlicherweise, denn das preussische Unheil kann jeden Moment den Nächsten treffen – jeden weiteren politischen Schritt, jede weitere Berliner Eskapade mit Argusaugen. Das von „deutschen“ Politikern bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieg ständig bejammerte Misstrauen, mit welchem die europäischen Staaten erst Preussen, dann dem Norddeutschen Bund und später dem deutschen Kaiserreich begegnen. In den Wortbrüchen von 1864 und 1866 hat dieses Misstrauen ihre berechtigte Ursache. Selbst das enorme diplomatische Geschick eines Otto von Bismarck kann dieses Misstrauen für eine gewisse Zeit bloss einhegen, aber niemals ganz ausräumen. Denn jedem seiner vielfältigen Gesprächspartner ist bewusst, dass es der Wortbrecher selbst ist, der nun versucht, mit Engelszungen zu reden.
Postwesen: 1868 wird – wie kann es anders sein – unter Führung Preussens und damit der paragrafenverliebten Beamten der Preussischen Post der Norddeutsche Postbezirk aus der Taufe gehoben. Für die bayerische Pfalz und damit den südöstlichen Zipfel des Saarlandes bleibt alles wie es war. Für das Oldenburger Fürstentum Birkenfeld und den preussischen Teil des Saarlandes ändert sich ebenfalls wenig bis gar nichts, sind es doch die Preussen, die im NorddeutschenPostbezirk das Sagen haben.
1870: Der preussische Ministerpräsident Otto von Bismarck düpiert – bewusst auf Krieg spekulierend – Kaiser Napoléon III. von Frankreich durch eine übertriebene Darstellung des Treffens zwischen König Wilhelm I. von Preussen und dem ziemlich undiplomatisch agierenden französischen Botschafter Vincent Benedetti in Bad Ems. Im darauffolgenden, neun Monate währenden Krieg werden über 400’000 Menschen getötet oder verwundet; die französischen Gebiete Elsass sowie Lothringen von Preussen besetzt.
1871: Im Spiegelsaal von Versailles – also wohlgemerkt in Frankreich, nicht in Bayern, Württemberg, Sachsen, Baden oder Preussen – wird das Deutsche Kaiserreich unter der Führung König Wilhelms I. von Preussen (resp. unter der Führung des preussischen Ministerpräsidenten Bismarck, der im weit verbreiteten Bild im Mittelpunkt steht) ausgerufen.
Kaiserproklamation im Spiegelsaal von Versailles; Anton von Werner (1885)
Die besetzten Gebiete Elsass und Lothringen werden annektiert und als Reichsland Elsass-Lothringen dem soeben gegründeten Deutschen Kaiserreich angegliedert. Wie sehr viele Vorkommnisse und die hauptsächlich militärischen Zwecken dienenden baulichen Massnahmen zeigen, das Reichsland bleibt nicht nur in den Berliner Köpfen, sondern auch im Berliner Handeln sehr lange besetztes Feindesland. Für das Saarland ändert sich dagegen nichts, es bleibt aufgesplittert zwischen dem Königreich Preussen, dem Königreich Bayern und dem Grossherzogtum Oldenburg. Einzig den traditionellen Nachbarn im Süden, Frankreich, den gibt es nicht mehr.
Postwesen: Für Bayern resp. für die bayerische Pfalz ändert sich – wie 1868 – fast nichts. Nur die preussischen und oldenburgischen Landesteile des Saarlandes werden nun von der kaiserlichen Reichspost versorgt, anstatt durch den Norddeutschen Postbezirk. Wirkliche Änderungen entstehen dadurch weder personell noch reglementarisch.
Das Saarland ist zur Zeit der Gründung des Kaiserreiches bereits seit einigen Jahrzehnten in sozialer Hinsicht Vorreiter in ganz Europa. Die qualifizierte Stammarbeiterschaft ist ein wichtiger Standortfaktor für sämtliche Industrien. Insbesondere die Berg- und Hüttenarbeiter stammen aus der näheren Umgebung der Gruben und Werke. Die preussische Bergbehörde veranlasst früh umfangreiche Sozialmassnahmen, die den Wohnungsbau, die medizinische Versorgung, die schulische Bildung, die Weiterbildung, günstige Versorgung für den täglichen Bedarf und das Knappschaftswesen (Invaliden- und Altersvorsorge) umfassen. Betriebe wie die Eisenwerke Stumm oder das Keramikwerk Villeroy & Boch bieten den Beschäftigten rasch ähnliche soziale Einrichtungen.
Das Kohlerevier an der Saar wird ab 1890 in verschiedenen Korrespondenzen als Saarrevier resp. als Saargebiet bezeichnet. Aufgrund der beherrschenden Stellung der Familien Stumm-Halbergund Röchling erhielt das Saarland auch weniger schmeichelhafte Bezeichnungen wie Königreich Stumm oder Saarabien.
Noch existiert das Saargebiet oder das Saarland als Entität, als territoriale Einheit nicht. Es ist bloss ein Begriff in der Korrespondenz. Dieser Zustand wird sich in absehbarer Zeit ändern.
Davon mehr im kommenden Beitrag.
Bis dann
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Anmerkungen
(1) Behringer, Wolfgang; Clemens, Gabriele: Geschichte des Saarlandes, München 2009, ISBN 978 3 406 584565
(2) 1789 kommt es zu Aufständen in der Grafschaft Saarwerden und in Blieskastel, die mit Truppen des Oberrheinischen Reichskreises für kurze Zeit niedergeschlagen werden können.
(3) Die linksrheinischen Gebiete wurden 1795 von Preussen im Frieden von Basel und 1797 von Österreich im Frieden von Campo Formio abgetreten. Völkerrechtlich verbindlich wurden diese Abtretungen 1801 durch den Frieden von Lunéville.
(4) Ein Kanton ist eine französische Verwaltungseinheit.
(5) Das preussische Saarland gehörte zum Regierungspräsidium Trier als Teil der Rheinprovinz. Der Oberpräsident residierte in Koblenz.
(6) Der König von Dänemark Christian IX., oft als Schwiegervater Europas tituliert, war in Personalunion Herzog von Holstein und Mitglied des Deutschen Bundes
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Ich realisiere im Austausch mit anderen Sammlern häufig:
nur wenige Saar-Sammler beschäftigen sich über die Informationen des Briefmarken-Kataloges hinaus mit der Geschichte des Saarlandes
insbesondere im deutschsprachigen Raum werden die Vorgaben der Michel-Redaktion hinsichtlich Katalogisierung resp. Zuordnung der unterschiedlichen Briefmarken mit Bezug zur Saar-Region meist ohne Reflexion übernommen; „steht ja in der Bibel“
die bekannten Zubehörhersteller bilden bloss ab, was die Michel-Redaktion vorgibt
Ihr habt sicherlich ebenfalls schon das Problem gehabt, für eure Saar-Sammlung die passenden Titelblätter zu finden. Von Alben mit Prägung, die ansonsten für viele Länder (Schweiz, Österreich, Frankreich, Deutsches Reich etc.) und Gebiete (z.B. Berlin) erhältlich sind, ganz zu schweigen. Die ja meist in Deutschland ansässigen Zubehörhersteller machen es sich da aus meiner Sicht sehr einfach und lassen den Sammler im Regen stehen.
Albumblatt Leuchtturm, das Pendant von Lindner sieht ähnlich aus
Vor einigen Tagen fiel mir bei ebay ein Angebot von Rückenschildern für Lindner-Alben auf. Ein Angebot, dass auch Schilder für das Saargebiet und das Saarland umfasste. Bei Letzterem musste ich ungläubig den Kopf schütteln. Es war so ziemlich alles falsch, was auf dem Rückenschild stand. Dieses Angebot war letztendlich der Auslöser, einen bereits seit Monaten in Arbeit befindlichen Beitrag zur Geschichte des Saarlandes fertigzustellen.
Was ist an dem abgebildeten Rückenschild falsch? Gehen wir die Angaben der Reihe nach durch:
Der Titel: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa wurde das Saarland erst am 1. Januar 1957 in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert. Der Titel Deutschland Saarland ist für die Zeit zwischen 1947 und 1956 falsch.
Das Wappen: Das Rückenschild zeigt das Wappen des Bundeslandes Saarland. Dieses ist seit dem 1. Januar 1957 in Verwendung. Für die Zeit zwischen 1947 und 1956 ist das Wappen falsch.
Jahrgang 1947-1959: Separate, meist bildgleich mit den für den Rest der Bundesrepublik ausgegebene Briefmarken für „Deutschland Saarland“ – also das Bundesland – wurden von der Deutsche Bundespost von 1957 bis 1959 ausgegeben. Der Zeitraum 1947 – 1959 ist falsch. Darüber hinaus suggeriert der angegebene Zeitraum, dass es vor 1947 keine Briefmarken für die Saar-Region ausgegeben wurden, was natürlich nicht stimmt.
Wie müssten wir es richtig machen? Ab Februar 1946 wird das Saarland aus der Zone d’occupation française en Allemagne ausgegliedert und untersteht – im Gegensatz zu den anderen Besatzungszonen – auch nicht mehr dem Alliierten Kontrollrat. Faktisch und de iure sowie mit Billigung der Alliierten ist die Saar-Region von 1946 bis zur Gründung der autonomen Republik Saarland ein von Frankreich annektiertes Gebiet; vorbehaltlich eines endgültigen Friedensvertrages (welcher nicht absehbar war und schlussendlich erst 1990 unterzeichnet wurde). Eine korrekte Beschriftung für das Rückenschild oder das Titelblatt müsste lauten: Frankreich Saar/Sarre 1946-1947; das zu verwendende Wappen wäre das der französischen Republik.
Welche Briefmarkenausgaben existieren für diesen Zeitraum? Die Freimarkenserien Wappen und Dichter sowie Berufe und Ansichten aus dem Saarland (1./2. Offenburger Ausgabe) inkl. – nach Abschluss der zweistufigen Währungsreform im Saarland am 19. November 1947 – der Überdruckausgabe des Malstatt-Burbacher Drucks.
Wappen und Dichter, frankaturgültig im Saarland von Januar 1946 bis November 1947
Von philatelistischem Interesse ist die Ausgabe Wappen und Dichter (vgl. Abb.). Warum sollte dies den Saar-Sammler interessieren?
Die auf (Reichs-) Pfennig und Reichsmark lautenden Briefmarken Wappen und Dichter sind seit Dezember 1945 für die gesamte Zone d’occupation française en Allemagne ausgegeben worden. Das Saarland wurde jedoch sukzessive aus dieser Zone herausgelöst:
Am 25. Juli 1945 wird das Regierungspräsidium Saar aus dem Zuständigkeitsbereich des Neustädter Oberpräsidiums Mittelrhein-Saar ausgegliedert
Am 29. Juli 1945 übernimmt die französische Militärverwaltung unter Général Molière die Verwaltung des (ehemaligen) Saargebiets
Am 30. August 1945 löst die Délégation supérieure de la Sarre unter Militärgouverneur Gilbert Grandval Général Molière ab
Ab dem 16. Februar 1946 ist der alliierte Kontrollrat in Berlin nicht mehr für die Saar-Region zuständig
Das nur noch auf dem Papier existierende Regierungspräsidium Saar, die einzig verbliebene administrative Verbindung zur Zone d’occupation française en Allemagne wird am 8. Oktober 1946 durch Militärgouverneur Gilbert Granval aufgelöst; eine Verwaltungskommission eingerichtet
22. Dezember 1946: Das Saarland wird in das französische Zollgebiet integriert, eine Zollgrenze zur Zone d’occupation française en Allemagne wird eingerichtet
Nun tragen die Marken der Ausgabe Wappen und Dichter aber den Titel Zone française. Dieser Titel ist einer der Gründe, schnellstens eine eigene Briefmarkenserie – Berufe und Ansichten aus dem Saarland – für das Saarland auszugeben. Schlussendlich behalten die Marken der Ausgabe Wappen und Dichter trotz des Erscheinens neuer Freimarken in den ersten Monaten des Jahres 1947, trotz Währungsumstellung auf (Saar-) Mark im Juni 1947 und auch Frankaturgültigkeit bis zum 27. November 1947.
Interessant sind Mischfrankaturen mit zwei Währungen aus Marken der Ausgaben Wappen und Dichter sowie der 1./2. Offenburger Ausgabe nach dem 16. Juni 1947: Wappen und Dichter in Reichsmark sowie 1. Offenburger Ausgabe in Saarmark. Nach Abschluss der Währungsreform am 19. November 1947 und der Umstellung auf den französischen Franken war für eine Woche – vom 20. bis zum 27. November 1947 – im Saarland die Frankatur mit Briefmarken von drei verschiedenen Ausgaben möglich. Dies führt zu interessanten Mischfrankaturen mit Werten von Wappen und Dichter, 1. Offenburger Ausgabe sowie vom Malstatt-Burbacher Druck. Auf so einem Beleg (vgl. Abb.) finden sich drei Währungen:
die 20 Werte (plus 2 abweichende Wasserzeichen) der 1. Offenburger Ausgabe bis 15. Juni 1947 in Reichsmark, ab 16. Juni 1947 in Saarmark
die 13 Werte der 2. Offenburger Ausgabe in Saarmark, von diesen sind nur sehr geringe Mengen an die Postschalter gelangt
die 13 Werte (plus 1 abweichendes Wasserzeichen) der Überdruckausgabe des Malstatt-Burbacher Drucks Typ I (Druck auf Werten der 1. Offenburger Ausgabe, Urdruck) in Franken
die 13 Werte der Überdruckausgaben des Malstatt-Burbacher Drucks Typ II (Druck auf Werten der 2. Offenburger Ausgabe) in Franken
Am 17. Dezember 1947 gibt sich das Saarland – wie zwei Jahre später das besetzte Deutschland – auf Anregung der Besatzungsmacht und mit deren Segen eine eigene Verfassung. Am 20. Dezember 1947 übernimmt eine eigene Regierung die Verwaltung des Landes. Das autonome und ab 1950 resp. 1952 in weiten Teilen souveräne Saarland hat bis zum 31. Dezember 1956 Bestand. Für diese Zeit müsste die Beschriftung für das Rückenschild oder das Titelblatt lauten: Saarland Jahrgang 1947-1956, das Wappen wäre das der Republik Saarland.
Die P.T.T. des Saarlandes gibt ab dem 1. April 1948 eigene Briefmarken und Dienstmarken (!) heraus. Die letzte Briefmarkenausgabe erfolgt schliesslich nach 132 Marken sowie zwei Markenblöcken am 10. Dezember 1956.
Könnt ihr mir noch folgen? Es ist ganz einfach: die nach Ende des Zweiten Weltkriegs ausgegebenen Briefmarken mit Bezug zum Saarland lassen sich ganz einfach aufgrund der unterschiedlichen Auftraggeber, welche die Herstellung der Briefmarken veranlassten, in französische, saarländische und deutsche Marken unterteilen:
1946-1947: P.T.T. de Zone d’occupation française en Allemagne, mit Sitz in Baden-Baden („französische“ Briefmarken für das Saarland)
1948-1956: P.T.T. des Saarlandes, mit Sitz in Saarbrücken („eigene“ Briefmarken der Republik Saarland)
1957-1959: Deutsche Bundespost, mit Sitz in Bonn; vertreten durch die Oberpostdirektion Saarbrücken, Saarbrücken („deutsche“ Briefmarken für das Bundesland Saarland)
Die Marken der Deutschen Bundespost kann man zu den Marken des Saarlandes zählen, man muss es aber nicht. Für mich gehören diese Marken zum Sammelgebiet Bundesrepublik Deutschland wie ihre meist bildgleichen Geschwister. Diese Briefmarken haben denselben Auftraggeber, wurden von derselben Behörde für dieselbe Leistung verwendet und wurden auf denselben Maschinen bei derselben Druckerei hergestellt. Es wäre logisch und nachvollziehbar, diese Marken auch unter demselben Sammelgebiet, nämlich BRD, zu katalogisieren. Ein Beispiel:
Oben wäre dies in den Michel-Katalogen BRD Mi. 249 Typ I und unten Mi. 249 Typ II. Für den BRD-Sammler viel übersichtlicher. Ich höre schon euren Einwand: „Das müsste man dann bei Berlin ebenfalls machen.“ Richtig. Das könnte man.
Bis dann
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Soeben erreicht mich die Nachricht, dass das Phil*Creativ-Team um den nicht nur im deutschsprachigen Raum bekannten Philatelisten und Autor Wolfgang Maassen ein philatelistisches Antiquariat online gestellt hat.
Ihr findet dort derzeit rd. 4’000 Angebote der philatelistischen Fachliteratur, darunter Monografien, Zeitschriften, Kataloge – unter anderem ein Saarhandbuch, Ausgabe 1958 – und vieles mehr. Wolfgang Massen hat angekündigt, das Angebot des Antiquariats sukzessive weiter auszubauen.
Böse Zungen behaupten, Briefmarkensammler hätten mehr vom Leben und seien zufriedener als Philatelisten, denn es gälte: „Sammler beschäftigen sich mit Briefmarken und Belegen, Philatelisten nur mit Informationen rund um Briefmarken und Belege.“
Le Philtateliste, Gemälde von François Barraud (1899-1934)
Leider muss ich zugeben, in der Aussage steckt mehr als ein Körnchen Wahrheit. Vielleicht ist es gar keine Behauptung bösen Zungen, sondern die von aufmerksamen Beobachtern.