Forschung – Rätselhafte Feldmerkmale beim 12 Pfennig-Wert (I)

Hallo

In diesem Beitrag hatte ich angekündigt, dass – bald 72 Jahre nach dem Druck der 1. Offenburger Ausgabe (BuS I) – eine der grossen Forschungsfragen beantwortet sei.

Worum geht es? Als Sammler der 1. Offenburger Ausgabe stellt ihr bei der Durchsicht des umfangreichen Verkaufsangebots wie auch eurer eigenen Sammlung mit der Zeit fest, dass offensichtlich einige Feldmerkmale seltener auftauchen, als andere. Dieses Phänomen ist durchaus keine Einbildung und zwei Erklärungen hierfür sind ziemlich offensichtlich:

    • Ein Feldmerkmal kommt nur auf dem A- resp. dem B-Bogen eines bestimmten Wertes vor und ist damit nur halb so häufig zu finden wie ein Feldmerkmal, welche auf beiden Teilen eines Druckbogens erscheint.
    • Es macht einen Unterschied, ob ein Feldmerkmal beispielsweise beim 25 Pfennig-Wert mit einer Auflage von 1 Mio. Marken auftritt, beim 12 Pfennig-Wert mit einer Auflage von 12 Mio. Marken oder beim 24 Pfennig-Wert mit 15 Mio.

Soweit, so klar. Nun wird es komplexer. Beim 12 Pfennig-Wert, mit dem wir uns in dieser Beitragsreihe beschäftigen werden, finden sich Feldmerkmale, die nicht nur aus vorstehenden Gründen selten sind, sondern weil diese Feldmerkmale nur auf den Druck- resp. Schalterbogen bestimmter Druckdaten erscheinen. Wir erinnern uns: Auf Schalterbogen französischer Provenienz wurde auf dem Bogenrand das Druckdatum des jeweiligen Bogens aufgedruckt. Der Druck des 12 Pfennig-Wertes erfolgte verteilt über sieben Drucktage. Da macht es für die Seltenheit – und damit auch für den Wert – eines bestimmten Feldmerkmals durchaus einen Unterschied, ob dieses ausschliesslich auf den Druckbogen eines Drucktages auftritt oder auf sämtlichen Druckbogen aller Drucktage.

Bislang wurde meines Wissens nach keine befriedigende Erklärung publiziert, weshalb beim 12 Pfennig-Wert auffällige Feldmerkmale wie beispielsweise die der Felder 1B, 6A, 77B, 94B oder 96B nicht über die gesamte Druckperiode resp. des Feldes 22AB nicht in derselben Ausprägung nachweisbar sind. In Katalogen und Handbüchern findet sich bei diesen Feldmerkmalen – falls dieser Umstand überhaupt Erwähnung findet – der Hinweis Teilauflage, ohne jedoch detailliert darauf einzugehen, in welchem Teil der Gesamtauflage denn nun diese Feldmerkmale zu finden seien. Für Sammler und Spezialisten ist dies ein äusserst unbefriedigender Zustand.

In diesem und fünf folgenden Beiträgen werde ich mit euch Schritt für Schritt die Lösung des Rätsels erarbeiten. Wir werden hierzu noch tiefer als in den vorhergehenden Beiträgen zu den wiederkehrenden Feldmerkmalen in die komplexen Abläufe des Rastertiefdrucks wie auch des gesamten Herstellungsprozesses eintauchen. Dabei erfahren wir viel über die – aus heutiger Sicht – turbulenten Bedingungen, die während des Drucks des 12 Pfennig-Werts über den Jahreswechsel 1946/47 herrschten. Die Vorarbeit bildet eine detaillierte Untersuchung von sehr vielen A- und B-Bögen des 12 Pfennig-Werts aller bekannten Druckdaten.

Diese Beitragsserie widme ich meinem langjährigen Gönner Hans-Jürgen Steffen, ohne dessen grosszügige Unterstützung diese Forschungsarbeit nicht hätte realisiert werden können.

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Folge II (dieser Beitrag)

    • Übersicht über die Beitragsserie
    • Beschreibung der Ausgangslage und der sich hieraus ergebenden Fragestellungen
    • Überblick über den augenblicklichen Stand der Forschung

Folge III

    • Beschreibung und Illustration der auffälligsten Feldmerkmale
    • Welche Ursachen kommen für diese Feldmerkmale in Frage?
    • Vorstellung des gängigen Erklärungsansatzes

Folge IV

    • Der Faktor Maschine
      • Technische Details zur Rotations-Rastertiefdruckmaschine Palatia O
      • Schilderung der Arbeitsschritte bei der Briefmarkenherstellung im Rastertiefdruckverfahren
    • Der Faktor Mensch
      • Die Erfahrungen der Mitarbeiter der Druckerei Burda
      • Die Erfahrung des Gestalters Vytautas Kazimieras Jonynas mit der Briefmarkenherstellung im Rastertiefdruckverfahren
    • Der Faktor Zeit
      • Der Druckzeitraum/die Drucktage
      • Gesamtauflage und Druckkapazitäten

Folge V

    • Zuordnung einzelner Feldmerkmale zu Druckdaten resp. Bogennummern (vgl. Bogenrandsignaturen)
    • Welche Schlüsse lassen sich aus der Druckdatenbank der Sammlung Montclair ziehen?

Folge VI

    • Übersicht der Feldmerkmale aller 200 Felder eines Druckbogens des 12 Pfennig-Werts über die gesamte Druckperiode.
    • Schlussfolgerungen aus dem vorliegenden Material

Folge VII

    • Zusammenfassung der einzelnen Teilaspekte und Präsentation des Forschungsergebnisses

Die Publikation der Beiträge erfolgt im Abstand von 4 Tagen, während meiner Ferien in Frankreich.

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Die Übersicht über die Beitragsserie ist hiermit abgehakt. Nun wenden wir uns der Beschreibung der Ausgangslage und den sich hieraus ergebenden Fragestellungen zu.

Schon dem Altmeister der Forschung zu den französischen Ausgaben für das annektierte Saarland, Paul Staedel (1) war bei den Forschungen zu seiner wegweisenden Studie Étude des timbres-poste et oblitérations de la Sarre 1945-1955 aufgefallen, dass nicht alle von ihm beschriebenen Feldmerkmale auch durchgehend auf allen Schalterbogen zu finden waren.

Er begann diese Feldmerkmale ganz grob nach deren Erscheinen auf den – wie wir seit dem Beitrag über Bogenrandsignaturen der 1. Offenburger Ausgabe wissen – durchgehend mit ihrem Druckdatum versehenen Schalterbögen zu bestimmen.

Insgesamt führt Paul Staedel in den Étude acht Feldmerkmale auf, die nicht auf allen Schalterbogen zu finden sind:

    • Feld 1B
    • Feld 6AB
    • Feld 6A
    • Feld 22AB
    • Feld 24B
    • Feld 41A
    • Feld 71A
    • Feld 96B

Alle, bis auf Feld 24B, grenzt er durch Angabe von Druckdaten enger ein. Ein Beispiel aus den Étude, Seite 21:

6j [entspricht 12 Pfennig, Feld 6A]: Gros point blanc dans le premier A (sur les planches du 30-31/12/46 et 2-3/1/47)

Wir wissen wir nicht, wie Staedels Datenbasis beschaffen war und über welche Informationen er 1955. als er die Étude schrieb, verfügte. Was jedoch beim Studium der Étude auffällt: Das Druckdatum 4/1/47, also der Samstag, 4. Januar 1947, kommt im Zusammenhang mit dem 12 Pfennig-Wert der nicht vor. Merkt euch dieses Datum. Wir werden im weiteren Verlauf dieser Beitragsserie sehen, dass dieser erste Samstag des Jahres 1947 für unsere Forschungen noch eine wichtige Rolle spielen wird.

Nach Paul Staedels Étude erschien ab 1958 das Handbuch der Postwertzeichen des Saargebietes und des Saarlandes mit allen philatelistischen Nebengebieten, kurz Saarhandbuch (SHB) genannt.

Herausgeber des Saarhandbuches war der Landesverband der Briefmarkensammler des Saarlandes e.V., Saarbrücken. Mit den ersten drei Lieferungen des SHB zwischen Mai 1958 und März 1960 wurde auf 50 reich bebilderten Seiten das für uns interessante Kapitel 402 über die Briefmarkenausgabe 1. Offenburger Ausgabe publiziert.

Das SHB listet für den 12 Pfennig-Wert im Kapitel 402, S. 21-23, die nachstehenden Feldmerkmale mit dem Hinweis auf Teilauflage:

    • Feld 10A
    • Feld 22AB
    • Feld 26A
    • Feld 32AB
    • Feld 37AB
    • Feld 44A
    • Feld 48A
    • Feld 53A
    • Feld 55A
    • Feld 61B
    • Feld 77AB
    • Feld 79A
    • Feld 94B
    • Feld 96B

Wir lassen diese durchaus beeindruckende Auflistung von 18 Feldmerkmalen von theoretisch möglichen 200 für den Moment unkommentiert stehen. Wir werden im Verlauf der Beitragsserie sehen, wo das SHB richtig und wo es falsch lag.

Der Catalogue F.S.A. 1960 spécialisé des Timbres de la Sarre 3e Edition gibt bei den 6 gelisteten Feldmerkmalen für den 12 Pfennig-Wert (201 d-i) keinerlei Hinweise auf Feldmerkmale, welche nur in einem Teil der Gesamtauflage vorkommen. Die 4e Edition des Catalogue F.S.A. von 1964 listet zwar ein Feldmerkmal mehr (201 j), aber ebenfalls keine Teilauflagen.

Kleines Detail am Rande: Das Kürzel F.S.A. steht für Franco-Sarroise-Allemande, also französisch-saarländisch-deutsch. Das saarländisch gesondert aufgeführt wird, hat nichts mit dem manchmal unverständlichen Dialekt zwischen Blies, Saar und Mosel zu tun, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass die Saarländer nicht nur eine eigene Verfassung, sondern von 1948 bis zum Anschluss an die BRD 1957 auch ihre eigene Staatsbürgerschaft besassen. Sie waren Sarrois.

Welche Informationen können wir hinsichtlich Feldmerkmalen, welche nur in einem Teil der Auflage vorkommen, den MICHEL® Briefmarken-Katalogen aus dem Schwaneberger-Verlag entnehmen?

Der MICHEL® listet in seiner 2017er-Ausgabe für das Feld 96B: dicker Punkt in „2“ der Wertangabe „12“ (Feld 96, Bg. B, Teilaufl.). Dieser Eintrag findet sich gleichlautend in den Saar-Katalogen von 2002, 2003 und 2004.

Die frappanten Unterschiede zwischen den einzelnen Autoren/Redaktionen sind erstaunlich, finden Sie nicht auch?

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So! Wie ist der Stand der Forschung heute?

    • Paul Staedel mit seiner Unterscheidung der unterschiedlichen Druckdaten ist vorläufig das Mass aller Dinge.
    • Das Saarhandbuch erwähnt mehr Feldmerkmale mit dem Vermerk Teilauflage als Staedel, gibt jedoch keinerlei Hinweise auf die Druckdaten. Wie aktuell ist die Arbeit des SHB aus heutiger Sicht?
    • Der Catalogue F.S.A erwähnt das Thema „Teilauflage“ nicht.
    • Der MICHEL® listet seit 2002 ein einziges Feldmerkmal mit dem Hinweis auf Teilauflage.

Was allen Autoren/Redaktionen gemeinsam ist: Sie bleiben ihren Lesern eine Erklärung für die nur in Teilauflage auftretenden Feldmerkmale schuldig. Hinweise, auf welchen Bögen der Sammler nach den Feldmerkmalen suchen soll, bietet ausschliesslich die Étude von Staedel und diese könnt ihr nur noch antiquarisch erwerben.

Bis dann

Hier geht’s zum zweiten Beitrag.

Zweiter Teil

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Anmerkung

(1) Paul Staedel war ein hoch dekorierten Widerstandskämpfer des FFI, eingefleischter Europäer, Briefmarkenhändler und ausgewiesener Saar-Spezialist aus Illkirch-Graffenstaden, Departement Bas-Rhin

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Basiswissen Philatelie (VIII) – Bogenrandsignaturen

Hallo

Heute wenden wir uns einem sehr interessanten Randgebiet der Philatelie zu: den Bogenrandsignaturen. Welche Aufdrucke und Angaben können wir auf den Rändern von Schalterbogen der ersten Briefmarkenausgabe für das Saarland finden?

Schauen wir uns einen Schalterbogen der 1. Offenburger Ausgabe einmal genau an.

Die Abbildung zeigt einen Schalterbogen des 75 Pfennig-Wertes bestehend aus zehn Reihen zu jeweils zehn Marken; insgesamt somit 100 Marken. Der Bogen ist im Bereich des Markenaufdrucks sowie am oberen Rand perforiert. Der Rest des Bogens, also der linke, der untere und der rechte Rand weisen keine Perforation auf.

Am oberen Rand des Schalterbogens sind über jeder der zehn Reihen Werte in der Farbe der Marken, im konkreten Fall Blau, aufgedruckt. Die Werte geben den Wert der in den Reihen vorhandenen Marken von links nach rechts addierend in Reichsmark – ohne Währungsangabe – wieder und werden als Reihenwertzähler bezeichnet. Die linke Reihe hat einen Wert von 7,50 RM, die zwei linken Reihen zusammen 15,00 RM usw. Der gesamte Bogen hat einen Wert von 75 RM. Die Postbeamten fingen mit der Trennung der Marken aus dem Schalterbogen in der Regel unten rechts an. Sie gaben also die Marken von unten nach oben und von rechts nach links aus. Am Abend konnte der Schalterbeamte bei der täglichen Bestandsaufnahme den Wert der verbleibenden Marken mit Hilfe des Reihenwertzählers rasch ermitteln. Beispiel: Es verbleiben sechs vollständige Reihen und drei Marken der siebten Reihe. Das ergibt 45 RM gemäss Reihenwertzähler der sechsten Reihe plus dreimal 75 Pfennig oder gesamt 47,25 RM. In Zeiten ohne Addiermaschine oder Taschenrechner ein nicht zu unterschätzendes Hilfsmittel.

Uns Briefmarkensammler helfen die Reihenwertzähler bei der Bestimmung des Bogenfeldes. Nehmen wir das Beispiel des 75 Pfennig-Wertes. Liegt und eine Marke mit anhängendem Reihenwertzähler 37,50 vor, wissen wir, dass es sich um eine Marke des Bogenfeldes 5 handelt.

Auch eine weitere Markierung auf dem abgebildeten Bogen half den Schalterbeamten bei der Bestandsaufnahme. Rechts oben finden wir die Zahl 59 in Handschrift notiert. Die Schalterbogen kamen in Stapeln zu den Poststellen und wurden häufig bei Erhalt von Hand durchnummeriert. Der unterste Bogen erhielt dabei die Nummer 1. Der Schalterbeamte wusste so jederzeit genau, wie viele vollständige Bogen eines Werts noch verblieben. Dies war sowohl für die rasche Bestandsaufnahme aber auch für die Steuerung von Nachbestellungen hilfreich. Diese Markierung wird auch handschriftlicher Bogenzähler genannt.

Wenden wir uns nun dem Unterrand des Schalterbogens zu.

    • Links unten die Bogennummer: der Buchstabe A, gefolgt von No der Zahl 416 und einem Stern resp. Rosette.
    • Rechts unten das Datum des Bogenranddrucks: „Gedruckt am: 28. Dezember 1946“

Bogennummer und Druckdatum wurden nach dem Druck der Markenbögen in einem weiteren Arbeitsschritt mit einer Schnellpresse Typ Rex im Buchdruckverfahren aufgedruckt. Der linke Teil des Druckbogens (zwei Schalterbögen) erhielt bei diesem Arbeitsschritt den Buchstaben A mit fortlaufender Nummerierung, der rechte Teil des Druckbogens den Buchstaben B mit derselben Nummerierung. Die Druckerei Franz Burda verwendete rückwärts zählende Nummerierwerke. Das heisst, die früher gedruckten Bögen weisen höhere Bogennummern auf als die später gedruckten.

Beim Druck von Bogennummern und Druckdatum auf den Druckbögen des 75 Pfennig-Werts – dieser Wert wurde als erster der 20 Werte der 1. Offenburger Ausgabe an den Tagen 27./28./30. Dezember 1946 hergestellt – war das Nummerierwerk so eingestellt, dass bei kleineren Nummern keine voranlaufenden Nullen gedruckt wurden. Hierdurch kommen sowohl fünf-, vier-, drei-, und wahrscheinlich sogar zwei- und einstellige Bogennummern vor. Von zwei- und einstelligen Bogennummern liegen mir keine Exemplare vor.

Nachfolgend eine Bogennummer im Detail:

45 Pfennig-Wert, 4-stellige Bogennummer

Es handelt sich um die Bogennummer eines 45 Pfennig-Bogens. Schön zu erkennen: Das Zählwerk war auf vierstellige Nummern voreingestellt. Im Gegensatz zum 75 Pfennig-Wert jedoch mit voranlaufenden Nullen. Die Bogennummern sind somit immer vierstellig, z.B. 0092.

Die Aussage des Saarhandbuches, Kap. 402 S. 6, dass „die alten, für den Druck der 75 Pf verwendeten Nummerierwerke … für den Druck der übrigen Werte durch neue, fünfstellige Nummerierwerke ersetzt [wurden]“, ist so nicht korrekt. Wie ich in einem späteren Beitrag darlegen werde, wurden die beiden Nummerierwerke der Schnellpresse Typ Rex gar nicht ausgetauscht. Bei den ersten gedruckten Werten, 75 Pfennig, 12 Pfennig und 45 Pfennig Bogenrandsignaturhat man jedoch mit den Einstellungen der Nummerierwerke gespielt

45 Pfennig-Wert, 4-stellige Bogennummer voranlaufende Nullen

Sämtliche anderen Werte der Saar I wurden von fünfstelligen Zählwerke mit voranlaufenden Nullen bedruckt (vgl. nachstehende Abbildung).

12 Pfennig-Wert, 5-stellige Bogennummer

Beim Datum des Bogenranddrucks unterscheiden wir gemäss Saarhandbuch drei Typen (I, II, III):

    • Typ I: Druck in Grotesk-Schrift. Nach am folgt ein Doppelpunkt. Typ I tritt bei allen Bögen vom 27. Dezember 1946 bis einschliesslich 8. Februar 1947 auf. Ausnahme: 6 Pfennig-Wert mit Druckdatum 5. Februar 1947 (vgl. Abbildung)
    • Typ II: Druck in Grotesk-Schrift. Vom 10. Februar bis zum letzten Drucktag am 21. Februar 1947 folgt dem „am“ kein Doppelpunkt.
    • Typ III: Druck in Antiqua-Schrift. An den Drucktagen 16./17. Februar 1947 wurde das Druckdatum einer Teilauflage des 8 Pfennig-Werts und der Gesamtauflage des 80-Pfennig-Werts in Antiqua gedruckt. Die ist erkennt man rasch an den Ligaturen der Buchstaben und Zahlen. Bei dem ebenfalls am 17. Februar 1947 gedruckten 40 Pfennig-Wert tritt Typ III nicht auf.
Druckdatum Typ I (mit Doppelpunkt) gedruckt in Grotesk-Schrift
Druckdatum Typ II (ohne Doppelpunkt) gedruckt in Grotesk-Schrift
Druckdatum Typ II (ohne Doppelpunkt, Ausnahme)
Druckdatum Typ III (ohne Doppelpunkt nach „am“) gedruckt in Antiqua-Schrift

Ihr habt sicherlich bemerkt, dass beim abgebildeten Druckdatum des 8 Pfennig-Werts zur Kennzeichnung der Ordnungszahl statt eines Punkts ein Komma gesetzt wurde. Dieser Fehler wurde nach etwa 2’000 bedruckten Bögen von Mitarbeitern der Druckerei Burda entdeckt und retuschiert. Die retuschierten Druckdaten des 8 Pfennig- sowie des 80 Pfennig-Werts weisen alle ein verstümmeltes Komma anstatt eines Ordnungspunktes auf.

Die drei Bogenrandsignaturen, die auf allen Schalterbögen der 1. Offenburger Ausgabe vorkommen, sind:

    • Reihenwertzähler auf dem Oberrand
    • Bogennummer auf dem Unterrand links
    • Druckdatum auf dem Unterrand rechts

Was findet ihr sonst noch auf den Bogenrändern?

    • Handschriftlicher Bogenzähler oben rechts (nicht immer)
    • Am Unterrand der Bögen oft Spuren, die die Greifer einer der beiden verwendeten Titan-Flachperforationsmaschinen hinterlassen hat.

Bis dann

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Wiederkehrende Feldmerkmale (III) – Der „Wasserspeier“

FOLGE 2

Hallo

In diesem Beitrag, dem dritten der kleinen Serie über wiederkehrende Feldmerkmale bei der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, stelle ich euch ein Merkmal mit dem treffenden Spitznamen Wasserspeier vor. Dieses Feldmerkmal, ein dunkler, breiter Farbstrich oben am Gebäude am linken Bildrand, findet sich auf den Bogenfeldern 70 AB beim 60 Pfennig-Wert und auf den Bogenfeldern 12 AB beim 80 Pfennig-Wert. Das Bildmotiv ist der Alte Turm in Mettlach, der ansonsten noch beim 75 Pfennig-Wert verwendet wurde und auch das Logo von SAARPHILA ziert.

   

Die beiden Feldmerkmale sind in der Étude, im Saarhandbuch und im Michel Saar-Spezial gelistet.

    • Étude, S. 30, 16e 70e: „Drapeau à la maison“ resp. S. 31, 18a 12e „Drapeau à la maison“
    • Saarhandbuch, Kap. 402, S. 40 unter 70 AB: „Wasserspeier am Hause links“ resp. Kap. 402, S. 42 und 12 AB: „Wasserspeier am Hause“
    • MICHEL® Saar-Spezial 2017, S. 89, 221Z I: „Wasserspeier an Haus ganz links (Feld 70)“ resp. 223Z III: „Wasserspeier an Haus ganz links (Feld 12)“

Einige Anmerkungen zum Bildmotiv Alter Turm in Mettlach. Der Alte Turm ist nicht, wie oft zu lesen, der hohe schmale Turm an der rechten Seite des abgebildeten Gebäudes. Dies ist nur ein später hinzugefügter Wendeltreppenturm. Der Alte Turm ist das imposante Gebäude mit den Strebepfeilern. Erbaut im 10. Jahrhundert als Grabkapelle für den Heiligen Luitwinus.

 

Auf dem obigen Bild, welches den komplett restaurierten Alten Turm vor wenigen Jahren zeigt, ist das Gebäude – aus einer ähnlichen Perspektive wie auf den Bildmotiven der Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar – zu erkennen. Links im Bild ist das Mauerwerk eines Seitenflügels der ehemaligen Benediktiner-Abtei Mettlach zu erkennen, seit 1809 bis heute Sitz der bekannten Steingut- und Keramikfabrik Villeroy & Boch.

Luftaufnahme der ehemaligen Benediktiner-Abtei, der Produktionsanlagen von Villeroy & Boch sowie des „Alten Turms“ (rechts im Park) auf einer Ansichtskarte. Im Vordergrund fliesst die Saar

Hier geht es direkt zum nächsten Beitrag über wiederkehrende Feldmerkmale der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar.

FOLGE 4

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Steckbrief des 60 Pfennig-Werts
    • Wert: 60 Pfennig
    • Motiv: Alter Turm in Mettlach
    • Farbe: dunkelblauviolett
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: 14. Februar 1947
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 1’020’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit rd. 1’012’00 Stück am Schalter verkauft wurden. Ein Grossteil des Restbestandes wurde für den Malstatt-Burbacher Druck (MBD) mit der Wertangabe 14 F überdruckt
    • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 70AB, „Dunkler, breiter Farbstrich oben am Gebäude am linken Bildrand“

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Steckbrief des 80 Pfennig-Werts
    • Wert: 80 Pfennig
    • Motiv: Alter Turm in Mettlach
    • Farbe: orange
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: 17. Februar 1947
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 1’520’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit rd. 1’515’000 Stück am Schalter verkauft wurden.
    • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 12AB, „Dunkler, breiter Farbstrich oben am Gebäude am linken Bildrand“

Bis dann

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Wiederkehrende Feldmerkmale (II) – Heller Fleck am Knie des Bergmanns

FOLGE 1

Hallo

In diesem Beitrag, dem zweiten der kleinen Serie über wiederkehrende Feldmerkmale bei der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, stelle ich euch den runden, hellen Fleck am linken Knie des Bergmanns vor. Dieses Merkmal tritt nicht nur bei zwei Werten der 1. Offenburger Ausgabe (BuS I) auf, wie der Kleiderbügel, sondern gleich bei drei Werten: 2 Pfennig, 3 Pfennig sowie 8 Pfennig. Das Bildmotiv ist diese Mal der Bergmann im Streb vor Saarlandschaft.

Dieses wiederkehrende Feldmerkmal habe ich am 10. April 2016 bei einem Vortrag im Rahmen jährlichen Mitgliederversammlung der ArGe SAAR zuerst öffentlich vorgestellt und beschrieben. Dieses Feldmerkmal ist ansonsten weder in Handbüchern noch in Katalogen erwähnt resp. aufgeführt (seit 2021 im Handbuch Feldmerkmale SAAR I, später erfolgte Anm. des Autors).

Ihr staunt, blättert im Katalog , sucht nach einem Feldmerkmal runder, hellen Fleck am linken Knie und versteht die Welt nicht mehr? Ihr befindet euch in allerbester Gesellschaft. In einem MICHEL® Spezial-Katalog, egal ob Deutschland oder Saar, werdet ihr bei genauer Lektüre unter Saarland MiNr. 209 IV fündig. Die Beschreibung lautet:

Grosses Loch im linken Knie des Bergmanns

vgl. nachstehende Abbildungen; links ohne, rechts mit Feldmerkmal).

   

Allgemeiner Hinweis: Die Angaben links und rechts in deutschsprachigen Katalogen wie auch im SAARPHILA-BLOG beziehen sich immer auf die Sicht des Betrachters. Mit dem linken Knie ist also anatomisch das rechte Knie des Bergmanns gemeint.

Dieses auffällige Feldmerkmal tritt beim 8 Pfennig-Wert bei den Feldern 38 AB auf. Das Saarhandbuch, Kap. 402, S. 17 beschreibt das Merkmal als:

weisser Fleck am linken Knie.

Paul Staedel schreibt in den Étude des Timbres-Poste et oblitérations de la Sarre 1945-1955 (nachfolgend Étude genannt) auf S. 18 unter der Nummer 4d:

Pantalon déchiré au genou droit

was wir mit „Hose am rechten Knie zerrissen“ übersetzen können. Die Beschreibung in der Étude dokumentiert ausserdem sehr schön die unterschiedliche Art der Bildbeschreibung – rechts und links – auf der anderen Seite des Rheins.

Dasselbe Feldmerkmal findet sich beim 2 Pfennig-Wert auf den Feldern 8AB. Dieses Bogenfeld ist ebenfalls im MICHEL® Spezial-Katalog, im Saarhandbuch sowie in den Étude gelistet. Der runde, helle Fleck am linken Knie wird jedoch ignoriert und die Autoren rücken ein anderes, unauffälligeres Feldmerkmal in den Vordergrund. Vergleichen Sie selbst (wiederum links ohne, recht mit Feldmerkmal):

   

Die Kataloge beschreiben alle den dunklen Farbfleck an der Strebwand links vom Bergmann, der runde, helle Fleck am linken Knie findet keine Erwähnung.

    • Étude, S. 15, 1a 8e: „Point sur la rocher à gauche du mineur“
    • Saarhandbuch, Kap. 402, S. 11 unter 8 AB: „Punkt links neben dem Bergmann in der Höhle“
    • MICHEL® Saar-Spezial 2017, S. 88, MiNr. 206 III: „Punkt links neben Bergmann in der Höhlenmitte (Feld 8)“

Ich finde es erstaunlich, dass ein so auffälliges Feldmerkmal wie der runde, helle Fleck am linken Knie, der beim 8 Pfennig-Wert zu eigenständigen Erwähnung in Katalogen führt, beim 2 Pfennig-Wert komplett ignoriert wird.

Noch erstaunlicher ist jedoch, dass dasselbe Feldmerkmal beim 3 Pfennig-Wert in keinem Katalog aufgeführt oder in einem Handbuch erwähnt wird. Ich habe in vielen Katalogen und Publikationen zur 1. Offenburger Ausgabe nach Erwähnungen für das Bogenfeld 33AB gesucht, bin aber bislang nicht fündig geworden. Dies ist die Erstpublikation dieses Feldmerkmals. Sie sehen, die Beschäftigung mit den Marken der 1. Offenburger Ausgabe kann auch heute – 70 Jahre nach ihrem Erscheinen – noch spannend sein.

   

Nachfolgend die Marken der einzelnen Werte mit den Feldmerkmalen nacheinander dargestellt:

Die vorstehenden Abbildungen machen deutlich, dass das Feldmerkmal beim 8 Pfennig-Wert stärker hervortritt als bei den anderen beiden Werten. Dies ist aus meiner Sicht dennoch kein Grund, es zu ignorieren. Insbesondere, da es sich um ein auffälliges Exemplar der wiederkehrenden Feldmerkmale handelt. Das führt uns zu einer weiteren Frage: Tritt dieses Feldmerkmal auch bei den anderen drei Werten mit demselben Bildmotiv – also 6, 10 und 12 Pfennig – auf?

Die Antwort ist nein. Ihr könnt mir glauben, ich habe mehrere Bögen der infrage kommenden Werte genauestens ausgewertet, bevor ich dieses Nein schrieb. Doch weshalb fehlt das Feldmerkmal bei den Werten zu 6, 10 und 12 Pfennig?

Ich liste nachstehend die sechs Werte geordnet nach ihren Druckdaten auf:

    • 12 Pfennig: 30./31. Dezember 1946; 2./3./4./7./8. Januar 1947
    • 6 Pfennig: 5.-7. Februar 1947
    • 10 Pfennig: 12.-14. Februar 1947
    • 8 Pfennig: 15./16. Februar 1947
    • 3 Pfennig: 18./19. Februar 1947
    • 2 Pfennig: 20./21. Februar 1947

Die Werte mit dem auffälligen Feldmerkmal runder, helle Fleck am linken Knie wurden später gedruckt als diejenigen ohne das Feldmerkmal. Wahrscheinlich hat man in der Druckvorstufe bei der Diapositivmontage (vgl. hier) als Ersatz für beschädigte Exemplare neue Diapositive eingearbeitet, die bei den ersten drei Werten nicht zur Verwendung kamen.

Hier geht es direkt zum nächsten Beitrag über wiederkehrende Feldmerkmale der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar.

FOLGE 3

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Steckbrief des 2 Pfennig-Werts
    • Wert: 2 Pfennig
    • Motiv: Bergmann im Streb vor Saarlandschaft
    • Farbe: grau
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: 20. und 21. Februar 1947
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 2’040’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit rd. 2’030’000 Stück am Schalter verkauft wurden. Ein Grossteil des Restbestandes wurde für den Malstatt-Burbacher Druck (MBD) mit der Wertangabe 10 cent. überdruckt.
    • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 8AB, „Runder, heller Fleck am linken Knie“

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Steckbrief des 3 Pfennig-Werts
    • Wert: 3 Pfennig
    • Motiv: Bergmann im Streb vor Saarlandschaft
    • Farbe: gelborange
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: 18. und 19. Februar 1947
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 1’520’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit rd. 1’510’000 Stück am Schalter verkauft wurden. Ein Grossteil des Restbestandes wurde für den Malstatt-Burbacher Druck (MBD) mit der Wertangabe 60 cent. überdruckt
    • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 33AB, „Runder, heller Fleck am linken Knie“

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Steckbrief des 8 Pfennig-Werts
    • Wert: 8 Pfennig
    • Motiv: Bergmann im Streb vor Saarlandschaft
    • Farbe: feuerrot
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: das Wochenende vom 15./16. Februar 1947
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 2’520’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit etwa 2’507’000 Stück am Schalter verkauft wurden
    • Feldmerkmal: Feld 38AB, „Runder heller Fleck am linken Knie“

Bis dann

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#saarphila #saarphilatelie

Marktgeschehen (II) – Philatelistisches Antiquariat online

Hallo

Soeben erreicht mich die Nachricht, dass das Phil*Creativ-Team um den nicht nur im deutschsprachigen Raum bekannten Philatelisten und Autor Wolfgang Maassen ein philatelistisches Antiquariat online gestellt hat.

Ihr findet dort derzeit rd. 4’000 Angebote der philatelistischen Fachliteratur, darunter Monografien, Zeitschriften, Kataloge – unter anderem ein Saarhandbuch, Ausgabe 1958 – und vieles mehr. Wolfgang Massen hat angekündigt, das Angebot des Antiquariats sukzessive weiter auszubauen.

Ich wünsche dem Projekt viel Erfolg.

Zur Website des Antiquariats gelangt ihr hier.

Bis dann

#saarphila #saarphilatelie

Die Saarschleife bei Mettlach (I)

Hallo

Am ersten Weihnachtstag hatte ich angekündigt, im SAARPHILA-BLOG eine Serie von Beiträgen zu den Bildmotiven der Briefmarkenausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar zu publizieren.

Trara! Das neue Jahr 2018 ist da und beginnt mit dem Motiv des 1 Mark-Werts: der Saarschleife bei Mettlach. Falls ihr euch fragt, weshalb ich gerade mit dem höchsten Wert der Ausgabe beginne: Offen gesagt war es ein Bauchentscheid, der sich als Glücksgriff erwiesen hat. Werde ich doch an diesem Bildmotiv viele faszinierende Aspekte rund die Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar aufzeigen können:

    • Unterschiede zwischen der 1. und 2. Offenburger Ausgabe (BuS I/BuS II, auch als 1. und 2. Burda-Serie bezeichnet)
    • Malstatt-Burbacher Druck Typ I: MBD I der Überdruck der Marken der Originalausgabe in Frankenwährung, sogenannter Urdruck
    • Malstatt-Burbacher Druck Typ II: MBD II der Überdruck der Marken der Neuausgabe in Frankenwährung
    • Verwendung des Motivs Saarschleife auf Briefmarken und Ganzsachen vor und nach 1947
    • Farben der Briefmarken

Jede Medaille hat bekanntlich zwei Seiten. Die Kehrseite ist, dass seit der Ankündigung vom 25. Dezember 2017 kein Tag vergangen ist, an dem ich mich nicht mindestens 4 Stunden mit der Gestaltung dieses Beitrags auseinandergesetzt habe. Was beklage ich mich … ich habe es ja nicht anders gewollt.

Was ist die Saarschleife? Als Flussschleife wird gemäss Wikipedia eine starke Biegung eines Flusslaufs bezeichnet und auch gleich die Saarschleife (frz. la boucle de la Sarre) als Beispiel genannt.

©Autor 2014

Die vorstehende Aufnahme der Saarschleife verdeutlicht, auf welch engem Raum die Saar von Südosten (rechts, Merzig) kommend eine etwa drei Kilometer lange, teilweise nur wenige hundert Meter breite, dicht bewaldete Landzunge umfliesst, an der Spitze derselben eine Kehre macht, um dann Richtung Südosten (links, Mettlach) weiter zu fliessen.

Die grosse Saarschleife liegt im Nordwesten des Saarlandes, etwa drei Kilometer westlich von Mettlach. Sie beginnt beim Merziger Ortsteil Besseringen und endet nach ca. 10 Flusskilometern bei Mettlach. Zum Vergleich: die Strecke von Besseringen nach Mettlach auf der Strasse ist etwa 2,5 km lang. Neben der grossen Saarschleife gibt es noch die kleine Saarschleife bei Hamm, einem Ortsteil von Taben-Rodt in Rheinland-Pfalz.

Den schönsten Blick auf das Naturschauspiel Saarschleife geniesst ihr im Mettlacher Ortsteil Orscholz von der Cloef (auch Cloev oder Kloef, frz. la clœf), einem Aussichtspunkt gut 150 Meter oberhalb der Flussbiegung, wo ich vor einigen Jahren auch das vorstehende Foto aufnahm. Zur Herkunft dieser „seltsamen“ Ortsbezeichnung existieren verschiedene Theorien. Ich bevorzuge die simple: Kloef oder Kleef = niederdeutsch für Klippe, erhöhter Vorsprung.

Der einzige Ort direkt an der Saarschleife ist Dreisbach (auf dem Foto hinten rechts), seit der Gemeindeneuordung 1974 wie Orscholz ein Ortsteil von Mettlach. Die Gebäude am rechten Bildrand gehören zum Fährhaus und zum Haus Becker, unweit des Fleckens, wo sich früher die Alte Mühle am Steinbach befand. Doch davon später mehr. Auf dem von der Saar umflossenen Hügelzug erkennt ihr gerade noch die Ruine der Burg Montclair aus dem Hochmittelalter.

Das Naturjuwel Saarschleife ist für das Saarland von grosser, gar nicht zu überschätzender Bedeutung: als Wahrzeichen, als Touristenmagnet, Ziel für Sonntagsausflügler oder Politiker jeglicher Couleur, als Postkartenmotiv und – last but not least – als Motiv für Postwertzeichen.

Trommelwirbel. Hier ist Sie. Das Postwertzeichen des 1 Mark-Wertes der Briefmarkenausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, ausgegeben von der französischen Postverwaltung für das Saarland.

1 Mark Originalausgabe (BuS I, auch 1. Offenburger Ausgabe)

Schon ein oberflächlicher Vergleich mit dem eingangs gezeigten Foto macht klar: der Gestalter der Briefmarke hat seine Skizze oder Aufnahme entweder in etwa am dem Platz erstellt, wo ich vor einigen Jahren fotografierte oder eine entsprechende Vorlage verwendet. Und: Das Bildmotiv hat – abgesehen von der durchgehend dunkelgrünen Farbe – beinahe fotorealistische Qualität.

Nicht, dass ich etwas gegen die Farbe Grün hätte. Im Gegenteil. Ich bin der Meinung, dass für das Bildmotiv Saarschleife bei Mettlach keine bessere Farbe hätte gewählt werden können, steht die Farbe Grün doch für die Natur. Stellt euch dieses Bildmotiv bitte in den Farben Blau, Braun, Gelb, Grau oder Rot vor!

Mit der Gestaltung der sechs Motive der Briefmarkenausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar beauftragten die französischen Behörden 1946, also kurz nach Kriegsende, den in Freiburg im Breisgau lebenden und lehrenden litauischen Künstler und Offizier der französischen Ehrenlegion Vytautas Kazimieras Jonynas. Ich bin überzeugt, dass Jonynas nach Erhalt des Auftrages 1946 nicht an die Saarschleife gereist ist, um eine Vorlage für seinen Entwurf zu erstellen. Etwas mehr als ein Jahr nach Kriegsende in Europa war Reisen insbesondere innerhalb der Trümmerlandschaft des nicht mehr existenten Deutschen Reichs erstens ein Privileg weniger respektive für die ungezählten displaced persons eine Qual vieler und zweitens auf eine Art und Weise beschwerlich, wie wir es uns heute kaum noch vorzustellen vermögen. Darüber hinaus bestand, wie ich zeigen werde, für Jonynas eine viel weniger aufwendige Möglichkeit, an eine Vorlage für sein Bildmotiv zu gelangen.

An dieser Stelle muss ich zeitlich ein wenig ausholen, beschränke mich jedoch auf die philatelistisch relevanten Details und lasse die Politik mehrheitlich aussen vor. Auf die politischen Hintergründe resp. Winkelzüge ‚en detail‘ einzugehen würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen und wird Aufgabe des historischen Teils von SAARPHILA sein.

Das nationalsozialistische Grossdeutsche Reich wurde kurz nach Kriegsende 1945 zerschlagen und jede der vier Alliierten Mächte in Europa bekam jeweils einen Besatzungsbereich in den beiden Reichsteilen Deutschland und in Österreich zugesprochen. Die Städte Berlin und Wien wurden je in vier Sektoren aufgeteilt, die ebenfalls je einer alliierten Macht zugesprochen wurden. Das ehemalige Reichsland Saarland wurde im Zuge dieser Aufteilung Frankreich zugesprochen und das nicht zu ersten Mal.

Nach dem Ersten Weltkrieg hatte der Völkerbund – ein Vorläufer der UNO – das wirtschaftlich bedeutsame preussische und bayerische Gebiet an der Saar als Territoire du bassin de la Sarre ab dem 14. Januar 1920 für 15 Jahre als Mandatsgebiet verwaltet. Grundlage hierfür waren die Bestimmungen des Versailler Vertrages.  Viele Rechte wie beispielsweise die Rechte an den Kohlenvorkommen des Saargebietes wurden ohne zeitliche Begrenzung Frankreich als Wiedergutmachung für die im Krieg durch das Deutsche Kaiserreich auf französischem Boden unwiderruflich zerstörten Werte zugesprochen – man denke nur an die heute noch wegen Blindgängern gesperrten Gebiete um Verdun, in Flandern oder an der Somme. Nach Ablauf der 15-jährigen Mandatszeit sollte durch einen völkerrechtlich bindenden Volksentscheid bestimmt werden, ob die Menschen in diesem Gebiet lieber in der Französischen oder in der Weimarer Republik leben wollten.

Um den wirtschaftlich bedeutsamen Postverkehr aufrecht zu erhalten, wurden durch die Behörden im Territoire du Bassin de la Sarre, wie das Mandatsgebiet auf Französisch bezeichnet wurde, erst vorhandene Postwertzeichen der Reichspost (Germania-Ausgabe) und des Königreichs Bayern (Ausgabe König Ludwig III) im Buchdruck mit Sarre, resp. Saargebiet überdruckt. Ein Jahr danach, ab dem 19. Februar 1921, erschienen dann eigene Postwertzeichen für das Saargebiet, denominiert in Reichsmark und -pfennig und entworfen vom französischen Künstler Alfred Montader. Bereits bei dieser allerersten eigenständigen Briefmarkenausgabe für die Saarregion (als 1. Pariser Ausgabe, 1. Vaugirard-Ausgabe oder nach Saarhandbuch 1. Bilderserie genannt) war die Saarschleife als Briefmarkenmotiv prominent vertreten. (1)

Das Motiv der Marken mit grünlichem resp. türkisfarben Rahmen zu jeweils 30 (Reichs-) Pfennig können wir unschwer als die von der Sonne beschienene Saarschleife, Blick von der Cloef, bestimmen. Der Standpunkt des Betrachters unterscheidet sich nicht wesentlich von dem bei der Version von 1947. Es fällt jedoch auf, dass im Vergleich im Bildvordergrund mehr Laubwerk abgebildet ist. Bei der ersten Marke zu fünf (Reichs-) Pfennig gelingt uns die Identifikation nicht so einfach. Wir erkennen einen Fluss mit einer Bebauung am linken Ufer vor einem Hügelzug. Abgebildet ist gemäss Briefmarkenkatalog die Alte Mühle an der Einmündung des Steinbachs in die Saar kurz vor der Flussbiegung. Der Standort des Betrachters ist auf der rechten Flussseite mit Blickrichtung Nordwest. Nach einer Ortsbegehung bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass es sich bei dem abgebildeten Gebäude nicht um die Alte Mühle am Steinbach, die im 20. Jahrhundert schon lange nicht mehr stand, sondern eher um das Haus Becker handelt.

Die Saarschleife bei Mettlach findet wir als Bildmotiv auch auf den Ganzsachen des Territoire du bassin de la Sarre. Ganzsachen sind von einer Postverwaltung ausgegebene Postkarten, Umschläge etc. mit aufgedrucktem Wertzeicheneindruck oder Wertstempel. Die Saarschleife war das Motiv des Wertzeicheneindrucks für die einfache Postkarte und die Postkarte mit angehängtem Antwortteil, deren Beförderungstarif im Orts- und Fernverkehr zwischen Mai 1920 und April 1921 30 Pfennig betrug.

Postkarte (Ganzsache)
Postkarte (Ganzsache) Frageteil mit anhängendem Antwortteil

Die Postkarte mit Frage- und Antwortteil war – salopp ausgedrückt – das E-Mail oder das Whatsapp unserer Gross- und Urgrosseltern. Beispielsweise konnte man einem Geschäftspartner eine Nachricht auf einer Postkarte mit angehängtem Antwortteil schicken. Der Empfänger las die Nachricht und verwendete den angehängten, frankierten und, wenn der Absender daran gedacht hatte, sogar adressierten Antwortteil, um dem Absender zu antworten.

In vielen Städten wurde die Post mindestens dreimal täglich zugestellt, aber nur die wenigsten Haushalte verfügten über einen Fernsprecheranschluss. Doch mittels der vergleichsweise preiswerten Postkarten war es dennoch möglich, sich am gleichen Tag abends zum Tanz zu verabreden. Nachfolgend die Abbildung des Antwortteils.

Postkarte (Ganzsache) Antwortteil mit anhängendem Frageteil

Die immer rascher fortschreitende Abwertung der schwindsüchtigen Reichsmark gab der anfänglich stark von französischen Interessen geleiteten Regierungskommission des Saargebiets ein wirksames Mittel zur engeren Anbindung des Mandatsgebietes an Frankreich an die Hand. Ab Ende April 1921 – also lange vor dem Höhepunkt der deutschen Inflationszeit im November 1923 – wurde die Währung im Saargebiet schrittweise auf den Französischen Franken umgestellt. Ab dem 30. April 1921 kamen einige, nicht alle, Marken der 1. Vaugirard-Ausgabe mit farbigem Währungsaufdruck in Francs an die Postschalter. Der Aufdruck im Buchdruck-Verfahren wurde ebenfalls von der Druckerei Vaugirard in Paris vorgenommen, weshalb wir auch von der 2. Vaugirard-Ausgabe oder 2. Pariser Ausgabe sprechen. Von den drei vorstehend gezeigten Marken wurde nur der 30 Pfennig-Wert mit türkisfarbenem Rahmen blau überdruckt als 10 Centimes weitergeführt.

Die Ganzsachen wurden ebenfalls überdruckt. Im Gegensatz zu der vorstehend abgebildeten Briefmarke ist bei der nachstehenden Postkarte der Aufdruck nach oben verrutscht und der Wert in Pfennig somit nicht durchbalkt.

Postkarte (Ganzsache) mit Aufdruck in Frankenwährung

Mit der Verwendung der Saarschleife als Motiv für Briefmarken oder Ganzsachen war ab 1922 für längere Zeit, um genau zu sein bis 1947, Schluss. Doch ein weiteres Massenkommunikationsmittel hielt die Saarschleife im Bewusstsein nicht nur der Einwohner des Territoire du bassin de la Sarre, sondern der Menschen weltweit: die Ansichtskarte.

Wir können uns heute im Zeitalter von E-Mail, SMS, Whatsapp, Facebook etc. kaum vorstellen, dass zwischen den Weltkriegen weltweit Jahr für Jahr schätzungsweise 15 Milliarden Post- und Ansichtskarten verschickt wurden. Das ergibt rechnerisch 475 Karten pro Sekunde! Die Saarschleife als Postkartenmotiv war nun nicht mehr auf der Vorderseite der Postkarten zu finden, sondern auf der Rückseite der Ansichtskarten.

Nach meinen Recherchen waren drei sehr ähnliche Versionen der Saarschleifen-Ansichtskarte weit verbreitet:

    • Verlag Ferd. Hegner Buchhandlung, Saarburg, Kreis Trier, nach einer Aufnahme von M. Wentz; wurde ab Anfang der 30 Jahre vertrieben
    • Verlag G. Vockenburg, Dudweiler, ebenfalls ab Anfang der 30 Jahre und nachweislich auch noch Anfang der 50er-Jahre im Umlauf
    • Ansichtskartenserie des Saar-Hilfswerk nach einer Aufnahme des Saar-Bild-Archivs

Uns interessieren hier insbesondere die beiden letzteren Versionen:

G. Vockenburg, Dudweiler, ©Sammlung Montclair
Saar-Bild-Archiv, ©Sammlung Montclair

Beide Aufnahmen unterscheiden sich nur in Nuancen und sind ganz offensichtlich von der Cloef aus aufgenommen worden. Nachstehend nochmals das Bildmotiv des 1 Mark-Wertes der Originalausgabe in angeglichener Grösse:

1 Mark, Originalausgabe (BuS I, auch 1. Offenburger Ausgabe)

Die Ähnlichkeiten zwischen den Postkartenmotiven und dem Bildmotiv sind verblüffend. Beachtet insbesondere die zwei Büsche unten am Saarufer und bei der Aufnahme des Saar-Bild-Archivs die beiden leicht hochstehenden, sich vor dem Hintergrund der Saar abhebenden Bäume an der rechten Seite des von der Saar umflossenen Hügelzuges, wie auch den Schattenwurf auf der Saar links im Bild.

Ich bin überzeugt, die Verantwortlichen der französischen Militärregierung in Baden-Baden waren sich 1946 bei der Vergabe des Gestaltungsauftrages an Vytautas Kazimieras Jonynas der eigenen philatelistischen Vorgeschichte, aber auch der Bedeutung der Saarschleife für die Saarländer bewusst. Das Motiv war politisch gewollt. Als Vorlage für seine Arbeit verwendete Jonynas unzweifelhaft eine Ansichtskarte der Variante Saar-Bild-Archiv oder einen auf dieser Aufnahme basierenden Abzug. Vielleicht auch beides. Dies erklärt die fotorealistische Darstellung des Bildmotivs. Sie sehen, für Jonynas bestand keine Notwendigkeit, sich auf den weiten und damals beschwerlichen Weg an die Cloef zu machen.

Die fotorealistische Darstellung finden wir bei einem weiteren Motiv der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar. Die Werte zu 60, 75 und 80 Pfennig zeigen den Alten Turm von Mettlach, der auch das Logo von SAARPHILA ist.

Der 1 Mark-Wert der Originalausgabe wurde zwischen dem 28. und 30. Januar 1947 bei der 1946 eventuell (die Quellen sind hier uneindeutig) noch unter französischer Sequester-Verwaltung stehenden Druckerei Franz Burda in Offenburg in einer vergleichsweise niedrigen Auflage von 2 Millionen Stück (entspricht 20’000 Druckbögen à 2 Schalterbögen zu je 50 Stück) gedruckt und kam am 17. Februar 1947 an die Postschalter. Im Sommer 1947 fassten die Verantwortlichen der P.T.T. für das Saarland in Saarbrücken den Beschluss, 13 Werte der Originalausgabe zur Auffüllung der Bestände nachdrucken zu lassen. Die nachgedruckten Marken sollten dabei auch die inzwischen vollzogenen Währungsumstellung von Reichsmark auf Saarmark widerspiegeln.

Gleichzeitig bereiteten die französischen Behörden in Frankreich und im Saarland eine weitere Währungsreform vor, was die Verantwortlichen bei der P.T.T. jedoch nicht wussten. Ein Ziel dieser Währungsreform war sicherlich, die Versorgungssituation an der Saar zu verbessern: Wer verkauft schon Waren gegen eine schwindsüchtige Währung? Und wer arbeitet schon gern, wenn die Bezahlung in einer schwindsüchtigen Währung erfolgt, mit der man keine Waren kaufen kann und Schmalhans Küchenmeister bleibt? Zweifellos erfolgte die Währungsreform jedoch auch, um die seitens Frankreich offen betriebene Anbindung des Saarlandes an den französischen Wirtschafts- und Währungsraum zu beschleunigen. Das Thema Währungsreform 1947 ist – auch nach 70 Jahren – im Saarland ein heikles Thema. Obschon niemand leugnen wird, dass sich die Ernährungs- und Versorgungslage der Saarländer nach der Währungsreform von 1947 tatsächlich drastisch verbesserte. Diese Verbesserung der Lebensumstände wurde in den anderen Besatzungszonen genauestens beobachtet und war wohl auch mit ein Grund für die ein Jahr später erfolgte Währungsreform von 1948 in den Westzonen. Die Saarländer fanden sich plötzlich in einer paradoxen Lage wieder. Einerseits froh, dass es spürbar „aufwärts“ ging, waren sie jedoch massiven Anfeindungen der Deutschen in den Besatzungszonen ausgesetzt. Währungsgewinnler war da noch die harmloseste Beleidigung.

Die französischen Behörden liessen sich bei der Währungsreform 1947 weitgehend von ihren positiven Erfahrungen im Saargebiet 1921 leiten, wobei die Umstellung diesmal zweistufig erfolgte. Die französischen Behörden ersetzten nicht einfach die Reichsmark durch den Saarfranken, und koppelten diesen an den Französischen Franc. Zu Recht befürchteten Sie eine Schwemme von Reichsmark aus den anderen Besatzungszonen. Daher bestimmten Sie in einem ersten Schritt den Gesamtbestand an Reichsmark im Saarland. Hierzu wurde die Saarmark (SM), unterteilt in 100 Saarpfennig (Pf.), eingeführt. Es fand am 16. Juni 1947 ein Zwangsumtausch 1:1 statt, der jedoch nur der im Saarland registrierten Bevölkerung offenstand. Vorausschauend war schon zwei Wochen zuvor der Postverkehr zwischen den Besatzungszonen und dem Territoire de la Sarre unterbunden worden (Postsperre); über diesen Kanal konnten keine Reichsmarkbestände von aussen eingeführt werden. Darüber hinaus wurden die ohnehin strengen Zollkontrollen an der Grenze zu den Besatzungszonen nochmals verstärkt.

Die Währungsumstellung auf Saarmark fand ihren Weg auch auf die Briefmarken. Ein Wert der Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar wurde umgestaltet. Als die Druckerei Franz Burda in Offenburg im Oktober den Auftrag für den Nachdruck von 13 der ursprünglich 20 Werte der Originalausgabe erhielt, wurde beim 1 Mark-Wert als Währungsbezeichnung statt eines M ein SM als Kürzel für Saarmark verwendet.

1 (Saar-)Mark, Neuausgabe (BuS II,  auch 2. Offenburger Ausgabe)

Die Druckerei hatte – wohl aus Materialknappheit – die Druckzylinder der Originalausgabe nicht eingelagert, sondern für andere Druckaufträge – wahrscheinlich für die Länderausgaben der Zone d’occupation française en Allemagne – wiederverwendet. Für den Auftrag aus Saarbrücken mussten nun erst neue Druckzylinder erstellt werden. Dabei wurden die Originalvorlagen aber auch die Farben je nach Wert mehr oder weniger stark verändert und so wurde aus der geplanten 2. Auflage eine 2. Ausgabe, mit hellerem Papier und hellerer Gummierung, die 2. Offenburger Ausgabe.

Die 2. Offenburger Ausgabe der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar hat nichts, aber auch gar nichts mit der leicht irreführenden Bezeichnung Saar II zu tun, die ihr insbesondere in deutschsprachigen Briefmarken-Katalogen finden könnt. Das war nicht immer so. Bis 1997 wurden die Werte der 1. Offenburger Ausgabe in deutschsprachigen Katalogen wie dem Michel-Katalog mit römisch I und die Werte der 2. Offenburger Ausgabe bei gleicher Katalognummer zur Unterscheidung mit römisch II gekennzeichnet. Beipiel:

    • BuS I, 1. Offenburger Ausgabe 2 Pfennig-Wert: MiNr. 206Z I
    • BuS II, 2. Offenburger Ausgabe 2 Pfennig-Wert: MiNr. 206Z II

Seit etwa 1998 findet ihr in deutschsprachigen Katalogen die Werte der 2. Offenburger Ausgabe nicht mehr als Typ unter den Hauptnummern, sondern unter den Katalognummern SAAR II – ich verwende die Bezeichnung Malstatt-Burbacher Druck – mit dem Zusatz fA für fehlender Aufdruck gelistet. Für mich eine sehr fragwürdige Änderung.

Was genau ist der Malstatt-Burbacher Druck? Hier bin ich euch eine Erklärung schuldig.

Am 13. Oktober 1947 begann die Druckerei Burda mit dem Druck der 2. Offenburger Ausgabe in hoher Stückzahl (zwischen 2 und 6 Millionen Stück pro Wert). Bereits am 24. Oktober 1947 wurden die ersten drei Werte und am 12. November 1947 weitere drei Werte an die Postdirektion Saarbrücken ausgeliefert. Zur allgemeinen Ausgabe über die Postschalter sind jedoch nur zwei dieser sechs Werte gelangt. Weshalb? Eine politische Volte, die auch unser Beitragsthema, das Bildmotiv Saarschleife, nicht unberührt liess.

Mittwoch, 20. November 1947. Tag X im Territoire de la Sarre. Die Saarmark, die – wir erinnern uns – am 16. Juni 1947 als alleiniges gesetzliche Zahlungsmittel im Saarland eingeführt worden war – wird durch den Saarfranken ersetzt. Der Umtausch erfolgt im Verhältnis 20:1 (20 Franken entsprechen 1 Saarmark). Der Wechselkurs des Saarfranken zum Französischen Franc ist 1:1. Eine Übergangsfrist für gemeldete Guthaben und Werte in Saarmark bis zum 15. Januar 1948 wird gewährt. Der Französische Franc wird faktisch offizielle Währung im Saarland. Fakt ist aber auch: Die Versorgungslage verbesserte sich so schnell, dass sich viele Einwohner des Saarlandes fragten, wo die vielen Waren über die letzten 2 ½ Jahre gehortet worden waren.

Des einen Freude, des anderen Frust. Was sollte nun mit den schon gedruckten und den weiteren bei Burda bereits in Auftrag gegebenen Briefmarken geschehen? Die benötigten Druckzylinder waren weitgehend geätzt, alles war bereit. Neue Marken in Frankenwährung zu gestalten, dazu fehlte die Zeit. Eine von den französischen Behörden bereits 1921 damaligen Völkerbund-Mandatsgebiet erfolgreich erprobte Technik bot die naheliegende Lösung: ein Überdruck der bestehenden Marken mittels Buchdruck. Die Malstatt-Burbacher Handelsdruckerei wurde beauftragt, die benötigten Werte aus den Restbeständen der Originalausgabe (BuS I) sowie den Marken der Neuausgabe (BuS II) zu überdrucken. Die streng geheimen und unter hohem zeitlichen Druck ausgeführten Arbeiten wurden von saarländischen und französischen Postbeamten über- sowie der Polizei bewacht. Der Malstatt-Burbacher Druck war geboren. Auf den Stichtag 20. November 1947 wurden die wichtigsten Wertstufen vorbereitet:

    • 2 Franc auf 12 Pfennig, Überdruck ausschliesslich BuS I (Drucksache bis 20 g)
    • 3 Franc auf 15 Pfennig (Mischsendungen bis 30 g, illustrierte Postkarten)
    • 6 Franc auf 24 Pfennig (Briefe bis 20 g, Drucksachen bis 100 g, alle Postkarten inkl. Ausland)

Durch Kombination dieser drei Werte konnten weitere Portotarife abgedeckt werden. Die restlichen Werte wurden am 27. November 1947 resp. am 6. Dezember 1947 ausgegeben. Am Nikolaustag 1947 erschien auch der Wert 50 Franc auf 1 M/SM mit dem Bildmotiv Saarschleife.

1 Mark/50 F, Malstatt-Burbacher Druck auf Originalausgabe (MBD I)
1 (Saar-)Mark/50 F, Malstatt-Burbacher Druck auf Neuausgabe (MBD II)

Die obere Marke entstammt aus den Restbeständen der Originalausgabe. Zu erkennen an dem gelblichen Papier und der Währungsbezeichnung M für (Reichs-) Mark. Die überdruckten Marken aus den Restbeständen der Originalausgabe werden auch als Urdrucke oder Altdrucke bezeichnet. Die untere Marke ist dagegen ein Überdruck der Neuausgabe, ersichtlich an dem fast weissen Papier und der Währungsbezeichnung SM für (Saar-) Mark.

Weitere Unterscheidungsmerkmale sind neben dem verwendeten Papier auch die unterschiedlichen Gummierungen sowie die verwendeten Farben. Zwar sind beide Marken in der Farbe Dunkelgrün gedruckt, doch mit unterschiedlichen Tönungen, die nicht allein auf das unterschiedliche Papier zurückzuführen sind.

Das Saarhandbuch notiert für die Marke der Originalausgabe als Farbe „dunkelgrün“ und hält für die Marke der Neuausgabe lakonisch fest: „keine Farbänderung“. Der MICHEL® Saar-Spezial 2017 gibt – seit mindestens 15 Jahren unverändert – für beide Marken als Farbe „schwärzlichgraugrün“ an. Darunter kann sich kein mir bekannter Mensch eine konkrete Farbe vorstellen, aber dazu gibt es ja den hauseigenen MICHEL® Farbenführer. Im Michel Deutschland Spezial Katalog von 1996 waren für die beiden Mark-Werte der 1. und 2. Offenburger Ausgabe wie auch für den 50F-Wert des Malstatt-Burbacher Drucks (MBD I/II) noch unterschiedliche Farben katalogisiert:

    • 1 Mark Originalausgabe: „dkl’grün“
    • 1 Mark Neuausgabe: „blaugrün“
    • 50F MBD I auf Originalausgabe (MiNr. 238a): „dunkelgrün“
    • 50F MBD II Neuausgabe (MiNr. 238b): „blaugrün“

Ich frage mich nur, wieso diese Änderung? Die Farben der Marken haben sich doch seit dem Druck im Jahr 1947 ja nicht geändert.

Die Verwendung der Saarschleife als Motiv für Briefmarken ging auch nach 1947 munter weiter. Die Post- und Telegraphenverwaltung des Saarlandes (Abkürzung P.T.T., wie in der Schweiz oder Frankreich) brachte am 1. April 1948 die erste Briefmarkenausgabe des Saarlandes Wiederaufbau des Saarlandes an die Schalter. Die Luftpostmarken zu 25, 50 und 200 Francs zeigen den Schatten eines Flugzeuges über der Saarschleife.

Das verwendete Motiv ist nicht einfach als Saarschleife zu erkennen. Wie bei dem 5 Pfennig-Wert von 1921 wurde ein anderer Blickwinkel gewählt, als der vom Aussichtspunkt Cloef auf den Scheitel der Flussschleife. Eine Postkarte aus der Zeit vor 1938 und eine meiner eigenen Aufnahmen hilft uns, den Standort des Betrachters zu bestimmen.

©Autor 2014

Der Betrachter steht links auf der Aussichtsplattform und schaut Richtung Merzig-Besseringen. Der Gestalter der Flugpostmarken, Albert Decaris, hat sich für seinen Entwurf deutlich mehr künstlerische Freiheit genommen, als Vytautas Kazimieras Jonynas für das Bildmotiv  Saarschleife bei Mettlach.

Nun wurde es für viele Jahre ruhig um das Briefmarkenmotiv Saarschleife. Erst 1970, zur Nationalen Briefmarkenausstellung SABRIA 70 vom 29. April bis 3. Mai in Saarbrücken, gab die Deutsche Bundespost – die Post- und Telegraphenverwaltung des Saarlandes existierte nicht mehr – ein Postwertzeichen zu 30 Pfennig heraus, welches im Bildmotiv den 1 Mark-Wert von 1947 zeigte (sogenannte Marke in der Marke).

Wieder sollten viele Jahre ins Land ziehen, die Deutsche Bundespost gab es längst nicht mehr, bis die Deutsche Post AG am 14. September 2000 im Rahmen der Briefmarkenserie Bilder aus Deutschland das Motiv Saarschleife bei Mettlach wiederentdeckte.

Na, ja! Über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten. Nun schlug die Stunde einer Privatpost. Die Saarriva, ein privater Postdienstleister im Saarland, gab am 29. November 2005 im Rahmen ihrer 1. Briefmarken-Kollektion den Wert L mit dem Motiv Saarschleife heraus. Da kann ich nur gratulieren.

Die Deutsche Post AG liess sich nicht lumpen und gab am 2. Januar 2007 aus Anlass des 50. Jahrestages der Aufgabe der Souveränität des Saarlandes eine Sondermarke zu 55 Eurocent heraus (selbstklebende und nassklebende Variante), die als Teil einer Kollage auch die Saarschleife zeigt.

nassklebende Variante
selbstklebende Variante

Das vorläufig letzte Kapitel der Saarschleife als Briefmarkenmotiv wurde 2016 von der Regierung des Saarlandes aufgeschlagen. Zum 1. Januar 2017 wurde in der Saarbrücker Staatskanzlei ein Briefmarkenset Individuell mit 10 Marken zu jeweils 70 Eurocent und mit limitierter Auflage ausgegeben. Neben vier vorgegebenen Motiven zur Geschichte des Saarlandes (als deutsches Bundesland) konnten die Saarländer im Oktober 2016 aus einer Reihe von Motiven ihre Favoriten bestimmen. Für mich wenig erstaunlich fand die Saarschleife grossen Zuspruch in der Bevölkerung und somit ihren Eingang in das Markenset.

Habe ich in meiner Aufstellung eine Marke oder ein Postwertzeichen nicht aufgeführt? Verfügt ihr über weitere oder exaktere Informationen? Oder sollte mir ein Fehler unterlaufen sein? Bitte kontaktiert. Ich danke euch im Voraus für eure Unterstützung.

KONTAKTFORMULAR

Bis dann

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Anmerkung

(1) Die Gewohnheit, Briefmarkenausgaben der Saarregion nach ihrem Druckort zu benennen, geht auf den französischen Philatelisten und Autor L. Belini zurück. In seinem Werk Études sur les timbres-poste de la Sarre (1920-1935), erschienen von November 1935 bis Dezember 1938 in 21 Artikeln (en suite) im renommierten und heute noch erscheinenden Magazin L’Echo de la Timbrologie, bezeichnet er die erste Briefmarkenausgabe für das Territoire du Bassin de la Sarre als Première émission de Paris valeur en Mark et Pfennig und als Galerie des Tableaux.

Die Artikel findet ihr in den nachstehenden Ausgaben von L’Echo de la Timbrologie:

    1. No. 957, 15. Novembre 1935 
    2. No. 958, 30. Novembre 1935 
    3. No. 959, 15. Décembre 1935 
    4. No. 960, 31. Décembre 1935 
    5. No. 961, 15. Janvier 1936 
    6. No. 962, 31. Janvier 1936 
    7. No. 965, 15. Mars 1936 
    8. No. 967, 15. Avril 1936 
    9. No. 969, 15. Mai 1936 
    10. No. 970, 31. Mai 1936 
    11. No. 972, 30. Juin 1936 
    12. No. 1008, 31. Décembre 1937 
    13. No. 1009, 15. Janvier 1938 
    14. No. 1010, 31. Janvier 1938 
    15. No. 1012, 28. Fevrier 1938 
    16. No. 1014, 31. Mars 1938 
    17. No. 1015, 15. Avril 1938 
    18. No. 1016, 30. Avril 1938 
    19. No. 1026, 30. Septembre 1938 
    20. No. 1030, 30. Novembre 1938 
    21. No. 1031, 15. Décembre 1938

#saarphila #saarphilatelie

Marktgeschehen (I) – Aktuell bei ebay (Nachtrag)

Hallo

Ich möchte euch nicht vorenthalten, um welche Marke es sich bei dem im vorhergehenden Beitrag besprochenen Angebot auf ebay handelte.

Es ist ein Exemplar des 50 Pfennig-Werts (SP28) vom Feld 70A. Feld 70, daher der anhängende rechte Bogenrand und A, da dieses Feldmerkmal auf B-Bögen nicht vorkommt. Im Saarhandbuch (SHB) ist dieses Merkmal im Kapitel 402 auf Seite 39 aufgeführt mit der Beschreibung: „S oben unterbrochen“.

P.S. von 16:00 Uhr: Der Anbieter muss meinen Blog gelesen haben, was mich sehr erfreut. Das Angebot bei ebay wurde mit der korrekten Begründung vorzeitig beendet. An solchem Vorgehen erkennt ihr einen seriösen Briefmarkenhändler.

Bis dann

#saarphila #saarphilatelie

Marktgeschehen (I) – Aktuell bei ebay

Joseph Joubert hat gesagt: „Täuschungen kommen vom Himmel, Irrtümer von uns selbst.“

Ich sage: „Irren ist menschlich.“

Hallo

Heute bin ich sehr aktuell. Ich schreibe über ein zurzeit noch laufendes Angebot bei ebay, welches exemplarisch aufzeigt, wie schnell eine ungenaue Beschreibung auf der einen Seite zu einem Irrtum auf der anderen Seite führen kann. Die ungenaue Beschreibung ist das Verschulden der Michel-Redaktion. Der – wie wir sehen werden durchaus nachvollziehbare – Irrtum unterlief dem Verkäufer des Artikels bei ebay.

Konkret. Auf ebay wird ein Exemplar des 50 Pfennig-Werts der 1. Offenburger Ausgabe (BuS I) mit rechts anhängendem Seitenrand und rückseitigem – wenig dekorativem – Besitzerstempel als MiNr. 220 II für Euro 5,00 zum Sofortkauf angeboten (vgl. nachstehende Abbildung). Der Besitzerstempel kann von unbedarften Sammlern als Prüfer-Signatur verstanden werden, doch dies ist dem Verkäufer sicherlich nicht anzulasten. Es ist im Gegenteil lobenswert, Vorder- wie Rückseite der Marke als klar erkennbaren, detaillierten Scan zu präsentieren. Auch die Bewertung des Michel-Katalogs für dieses nicht alltägliche Exemplar erwähnt der Verkäufer in seiner Beschreibung: Euro 25,00. Ich persönlich halte es für grenzwertig, eine Briefmarke, deren Gummierung durch Stempel beschädigt oder verunstaltet wurden, als postfrisch zu bezeichnen. Dabei ist vollkommen egal, ob der Stempel vom Vorbesitzer, irgendwelchen Experten oder sonst jemandem mit überbordendem Selbstwertgefühl stammen. In diesem Zusammenhang kommt mir immer das während der Befreiung Europas von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg überall zu findende Grafitto „Kilroy was here“ in den Sinn. Mit rückseitigen Stempeln kommen frisch verausgabte Briefmarken sicherlich nicht an die Postschalter.

Im ebay-Inserat gezeigte Abbildung, vorbildlich mit Bild- und Rückseite

Item: Schlagen wir im MICHEL® Saar-Spezial 2017 auf Seite 89 nach, lesen wir unter MiNr. 220 II:

S von Saar in der Mitte gebrochen (Feld 20)

Eine Abbildung zu dieser Beschreibung ist nicht vorhanden. Das hinterlässt bei mir einen schalen Nachgeschmack. Immerhin liegt ein auf Saarbriefmarken spezialisierter Katalog vor mir. Und mit knapp Euro 50,00 ist das schmale Heftlein ja nicht gerade preiswert. Leider handelt es sich bei diesem Spezialkatalog um ein Konvolut von nicht aufgearbeiteten und bis auf wenige Details seit mehr als zehn Jahren nicht aktualisieren – und eben auch fehlerbehafteten – Versatzstücken aus verschiedenen anderen Katalogen des Schwaneberger-Verlags. Ausnahme bilden die wenigen, gut gelungenen Beiträge der ArGe SAAR.

Die prosaische Beschreibung aus dem Katalog hilft uns bei der Bestimmung eines Feldmerkmals nicht weiter. Was sollen wir uns unter einem „gebrochenen Buchstaben“ vorstellen? Wo liegt die Mitte eines Buchstabens? Fragen über Fragen! Versuchen wir es also zuerst mit der weiteren, sachlichen Information, die uns der Katalog anbietet: Feld 20.

Auch diese Information ist nicht selbsterklärend. Ich werde mit wenigen Worten erläutern, wie 1946/47 die Briefmarken der 1. Offenburger Ausgabe an die Postschalter gelangten. Sämtliche Werte mit Ausnahme von 84 Pfennig und 1 Reichsmark wurden als Druckbogen zu 200 Marken gedruckt. Im Verlauf der Weiterverarbeitung hat man diese Druckbogen in einen (linken) A-Bogen und einen (rechten) B-Bogen zu jeweils 100 Marken zerschnitten. Die nachfolgende Abbildung zeigt einen A-Bogen des 50 Pfennig-Wertes.

Schalterbogen 01723 A des 50 Pfennig-Werts (SP28)

Jeder dieser Bogen, auch als Schalterbogen bezeichnet, umfasst – ich schreibe im Präsens, da nach 70 Jahren noch erstaunlich viele unversehrte Bögen in Sammlerhand sind – jeweils 100 Marken, arrangiert in 10 senkrechte Reihen und 10 waagerechte Zeilen. Jedes Bogenfeld und damit auch jede Briefmarke erhält durch die philatelistische Zählung eine Koordinate. Dazu wird bei aufrecht sehendem Markenbild die Zählung bei der obersten linken Marke mit Feldnummer „1“ begonnen, dann zählt man von links nach rechts bis man bei der obersten rechten Marke „10“ erreicht. Bei der nächsten Reihe geht es mit „11“ bis „20“ weiter. Die Marke links unten erhält am Schluss die Nummer „100“. Zur Unterscheidung, ob eine Briefmarke aus einem A- resp. B-Bogen stammt, fügt der Philatelist den entsprechenden Buchstaben hinzu. Beispiel: die erste Marke der untersten Reihe des abgebildeten Bogens hat die Feldnummer 91 A.

Jetzt kommt ein wichtiger Punkt hinzu. Bedingt durch die nicht unbedingt perfekt zu nennenden Produktionsbedingungen und die Druckart Rastertiefdruck (frz. und engl. Heliogravure), sind die Markenbilder nicht exakt gleich. Kleinere und grössere Abweichungen, Feldmerkmale genannt, lassen sich bei allen Werten und allen Feldern finden. Dieser glückliche Umstand ermöglicht uns heute, Einzelmarken einem bestimmten Bogenfeld zuzuordnen.  Sehr häufig lässt sich sogar bestimmen, ob es sich um eine Marke aus einem A- oder B-Bogen handelt. Der Philatelist spricht hier von Feldbestimmung (engl. plating).

Zurück zur Beschreibung im Michel-Katalog. Feld 20 ohne nachfolgenden Buchstaben bedeutet hier, das beschriebene Feldmerkmal kommt bei den Marken des Feldes 20 auf beiden Bögen vor. Aus Bequemlichkeit wird leider das AB weggelassen. Die Zehnerfelder – haben wir zuvor gelernt – also 10, 20, 30 etc. bis 100, liegen im Bogen immer aussen rechts. Einzelmarken mit anhängendem rechten Bogenrand sind Marken von ganz rechts aussen (nicht politisch und auch nicht fussballerisch zu verstehen). Unsere Marke aus dem ebay-Angebot könnte also tatsächlich eine Marke vom Feld 20 sein.

Nun schauen wir uns das Feldmerkmal der Marke genauer an (ich habe hierfür eine entsprechende Marke aus meiner Sammlung Montclair herausgesucht).

Der obere Bogen des „S“ des Schriftbandes „SAAR“ ist – sogar etwa in der Mitte – klar unterbrochen. Hat der Verkäufer bei ebay also recht? Die Marke ist, der anhängende rechte Bogenrand ist ein klares Indiz, die äusserste rechte Marke einer Bogenreihe und das Feldmerkmal entspricht der Beschreibung im Katalog: „S“ von „Saar“ in der Mitte gebrochen. Wir wissen zwar immer noch nicht, was ein gebrochener Buchstabe ist und wundern uns über die abstruse Beschreibung im Katalog, aber wir nehmen an – und diese Annahme ist ausschlaggebend -, es kann sich nur um den Unterbruch im Bogen des „S“ handeln, den wir auf der Abbildung sehen. Weshalb ausschlaggebend? Wir haben genau in diesem Augenblick keine Möglichkeit, die uns präsentierte Marke zu vergleichen.

Nochmals. Hat der Verkäufer recht, die angebotene Briefmarke als MiNr. 220 II zu beschreiben? Nein, der Verkäufer irrt – wenn auch aus völlig nachvollziehbaren Gründen. Ursache seines Irrtums ist die unpräzise Beschreibung und das Fehlen einer Abbildung im MICHEL®-Katalog.

Begeben wir uns auf Spurensuche. Woher stammt die Beschreibung im Michel? Ursprung der Beschreibungen hinsichtlich der Feldmerkmale bei der 1. Offenburger Ausgabe ist häufig eine aus dem Saarhandbuch übernommene Beschreibung. Ich schlage im Handbuch der Postwertzeichen des Saargebietes und des Saarlandes 1. Auflage 1958, häufig als SHB abgekürzt, nach. Die Marken der 1. Offenburger Ausgabe werden im Kapitel 402 behandelt. Auf den Seiten 37-39 dieses Kapitels werden die Feldmerkmale des 50 Pfennig-Wertes beschrieben. Bei Feld 20 AB steht: „Strich im S (Abb. 67)“. Das SHB kann sich bei seiner Beschreibung so kurzfassen, da eine Abbildung mit dem Feldmerkmal vorhanden ist. Bei aller Kürze und Unschärfe – mal ehrlich: wissen Sie, wo Sie einen Strich in einem Buchstaben zu suchen haben? – der gebotenen Beschreibung, ein gebrochener Buchstabe wird nicht erwähnt. Aber ein Strich. Einen Strich im S erkenne ich bei der angebotenen Marke nicht. Die Ursache der fehlerhaften Beschreibung im MICHEL®-Katalog ist somit nicht eine Beschreibung im SHB sondern muss irgendwo in den Archiven des Schwaneberger-Verlags zu suchen sein.

Des Rätsels Auflösung:

50 Pfennig, Feld 20A
50 Pfennig, Feld 20B

Die beiden vorstehenden Abbildungen zeigen erst ein Feld 20 vom A-Bogen und dann ein Feld 20 vom B-Bogen. Sehr gut zu erkennen ist auf beiden Abbildungen der feine, waagerechte Farbstrich über das S des Schriftbandes SAAR (jeweils mit rotem Pfeil gekennzeichnet). Das sekundäre Feldmerkmal ist die rechts aussen abgeschnittene 0 (Null) der Wertangabe 50 (ebenfalls mit Pfeil gekennzeichnet). Vergleichen Sie die Wertangabe 50 mit der Marke, die bei ebay angeboten wird. Die 0 (Null) ist bei letzterer unversehrt.

Die verbleibenden Pfeile zeigen die Unterscheidungsmerkmale für eine Marke eines A-Bogens (dunkler Farbfleck links neben der linken Hüfte der knienden Bäuerin) von einer Marke eines B-Bogens (dunkler Farbfleck rechts oberhalb des Gasometers der stilisierten Industrielandschaft).

Ich beschreibe das Feldmerkmal von Feld 20AB: „Feiner, waagerechter Farbstrich mittig über den Stamm des S von SAAR, die 0 der Wertangabe 50 rechts aussen am Markenrand senkrecht beschnitten“. So entsteht Klarheit, wenn keine Abbildung vorliegt oder eine Abbildung aus Platzgründen weggelassen wird. Bei Platz und Präzision zu sparen – wie bei diesem Beispiel aus dem Michel Saar-Spezial 2017 des Schwaneberger Verlags – zeugt meiner Meinung nach von Dilettantismus oder Desinteresse.

Quintessenz: Nicht alle Marken der Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, die dem Sammler als Plattenfehler (sic!) angeboten werden, sind tatsächlich die in den MICHEL®-Katalogen gelisteten und entsprechend bewerteten Besonderheiten. Obschon auf den ersten Blick alles stimmig erscheint. Nur, auf den ersten Blick sollte man sich in der Philatelie nicht allzu fest verlassen. Ich verwende im Zusammenhang mit diesen irreführenden Feldmerkmalen den von mir geprägten Begriff Amis Faux (frz. falsche Freunde). Amis Faux sind nicht nur für den Spezialisten sammelwürdig. Ich selbst finde die Beschäftigung mit diesen speziellen Marken hochspannend.

Was ihr Sammler bei Angeboten wie dem eingangs vorgestellten ebay-Artikel euch jedoch fragen solltet: „Ist der geforderte Preis gerechtfertigt?“ Lasst uns den Gedanken rund um den Preis für einen Moment weiterspinnen. Nehmen wir einmal an, ihr kauft das Angebot von diesem wirklich seriösen Anbieter bei ebay. Ihr bezahlt den Kaufpreis von Euro 5,00 plus Versandkosten und freut euch, die Marke eurer Sammlung hinzuzufügen. Voller Stolz präsentiert ihr diesen Neuzugang beim nächsten Vereinstreffen. Ein Sammlerkollege macht euch dann auf den zugrundeliegenden Irrtum aufmerksam, was ein philatelistischer Prüfer auf eure Anfrage bestätigt. Und jetzt? Der Verkäufer des konkreten ebay-Angebots lässt die Rückgabe der gekauften Ware zu. Was aber, wenn der Verkäufer dies ausschliesst? Das Feldmerkmal entspricht ja der Beschreibung im Katalog. Der Irrtum des Verkäufers beruht auf der unpräzisen, um nicht zu sagen abstrusen Beschreibung des betreffenden Feldmerkmals in den Michel-Katalogen (DSK, Saar-Spezial, etc.). Eine klärende oder erklärende Abbildung hinzuzufügen, hat die Katalogredaktion nicht für nötig befunden. Eine Verbesserung der Beschreibung oder das Einfügen einer Abbildung wurde seit mindestens 2001 entweder mangels Interesse oder aufgrund mangelnden Fachwissens nicht vorgenommen. Das ist nicht gerade ein Aushängeschild für einen Katalogverlag. Worauf ich hinaus will: „Wie weit haftet der Schwaneberger-Verlag für die Fehler, die er in seinen Katalogen – oft über Jahrzehnte hinweg – publiziert. Wie weit haftet er für die daraus den Sammlern entstehenden Vermögensschäden?“

Nein, ich betreibe hier kein MICHEL®-Bashing. Gravierende Mängel in einem Katalog, noch dazu in einem Spezial-Katalog, müssen beschrieben und beim Namen genannt werden. Und leider ist das Beispiel dieses Beitrags kein Einzelfall.

Dem Saarsammler, insbesondere dem Sammler sogenannter Plattenfehler – auf das Begriffspaar Plattenfehler/Feldmerkmal werde ich in einem späteren Beitrag eingehen – lege ich den 2017 erschienenen Saar-Saarland Spezial Briefmarkenkatalog 1920-1959 und Ganzsachen aus dem Hause Philotax ans Herz. Nur wenig teurer als ein einzelner Band des MICHEL®-DSK findet der Sammler nebst den ebenfalls nicht immer nachvollziehbaren Beschreibungen in fast allen Fällen eine aussagekräftige Abbildung mit dem markierten Feldmerkmal. So erhält der Sammler die Möglichkeit, eine angebotene Marke zu vergleichen.

Seid ihr euch bei einer Marke der 1. Offenburger Ausgabe nicht sicher, ob es sich tatsächlich um einen der im Michel-Katalog gelisteten Plattenfehler (sic!) handelt? In der Regel beantworte ich eure Anfragen innerhalb von 24 Stunden.

KONTAKTFORMULAR

Zum Abschluss des Beitrages noch eine Aussage zum Motiv der Marke. Dargestellt werden zwei Bäuerinnen, evtl. Mägde, bei der Rübenernte vor einer stilisierten Industrielandschaft mit Gasometer, Fabrikgebäuden und rauchenden Schloten. Schwerindustrie und Landwirtschaft, seit langem die Haupterwerbszweige der Saarländer. 1947, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, bei der Ausgabe des 50 Pfennig-Wert der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, besass diese Aussage immer noch Gültigkeit.

Bis bald

#saarphila #saarphilatelie