Frisch geliefert (I)

Hallo

Ich hoffe, ihr könnt den Sommer trotz des vielen Regens und der Überschwemmungen geniessen.

Ich habe soeben einen neuen Beleg für meine Sammlung zur Postgeschichte der Saar-Region von den Revolutionskriegen bis zur Gegenwart erhalten.

Der Beleg ist ein Brief mit Inhalt des Capitaine Dunand, dem Chef der  41. Compagnie des vétérans nationaux (1) an den Citoyen Maire (2) des Ortes und Arrondissements Bonneville (3). Der Brief datiert vom 20. Messidor an 8° de la Republique Française (4). Abgeschlagen wurde der Brief am Postamt Sarrelibre (5) mit einem zweizeiligen Stempel 55 Sarrelibre (6) in roter Farbe auf Ölbasis. Das Porto ist handschriftlich notiert und beträgt 10 Centime resp. im Jahr 1800 einen Décime. Sehr schön ist auf der Briefrückseite das unversehrte Wachssiegel der 41. Compagnie vétérans nationaux.

Bis dann

__________

Anmerkungen

(1) Die Vétérans nationaux waren im frühen 19. Jahrhundert Reserveeinheiten.

(2) Citoyen Maire heisst übersetzt Bürger Bürgermeister, wobei Citoyen die „revolutionäre“ Anrede ist. Diese wird weiter verwendet, obschon Konsul Napoléon Bonaparte mit dem Staatsstreich vom 18. Brumaire an 8° die Revolution für beendet erklärt hatte.

(3) Der Ort Bonneville ist Hauptort und Namensgeber von Kanton und Arrondissement. Bonneville und liegt südöstlich von Genève unweit der Schweizer Grenze in Hochsavoyen.

(4) Der 20. Messidor an 8° des französischen Revolutionskalenders entspricht dem 9. Juli 1800.

(5) Sarrelibre war zwischen 1793 und 1810 der „revolutionäre“ Name von Sarrelouis (dt. Saarlouis).

(6) Feuser 3064-13, der Stempel 55 Sarrelibre (44mm x 10.5-11mm) war bereits zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert in Verwendung.

__________

Folgt mir auf Facebook und ihr seid immer auf dem Laufenden.

#saarphilatelie

Belege (VIII) – Beleg aus dem bayerischen Rheinkreis

Hallo

Ich habe heute einen bedeutsamen Beleg für meine postgeschichtliche Sammlung erhalten.

Ein Brief aus dem Jahr 1823 von Bliescastel (moderne Schreibweise: Blieskastel) nach Speyer. Blieskastel gehört seit Mai 1816 zum Königreich Bayern. Speyer ist Sitz des 1817 gegründeten Bistums Speyer (Königreich Bayern, Suffraganbistum des Erzbistums Bamberg).
Belege, die innerhalb des bayerischen Rheinkreises von oder zu einem Ort innerhalb des Gebietes des heutigen Saarlandes gelaufen sind, gehören zu den Seltenheiten der Saarphilatelie.

1823 Bliescastel-Speyer ©Sammlung Montclair

Sobald ich dazu kommen, werde ich diesen Beleg näher vorstellen.

Bis dann

__________

Folgt mir auf Facebook und ihr seid immer auf dem Laufenden.

#saarphila #saarphilatelie

Basiswissen Philatelie (V) – Ist die Philatelie eine Wissenschaft?

Hallo

Vor mir liegt die aktuelle Ausgabe der DBZ vom 16. Februar 2018. Unter der Rubrik Postgeschichte schreibt Reinhard Krüger über das Verhältnis von Philatelie und anerkannten (von wem?) Wissenschaften. Der Untertitel seines Artikels lautet vieldeutig: „Philatelie als Wissenschaft?“

DBZ 5/2018 vom 16. Februar 2018

Zu Beginn seines Artikels benennt Reinhard Krüger eine der Hauptfunktionen der Philatelie: „Wenn die Philatelie [] einen Menschen glücklich macht, dann hat sie eine ihrer wesentlichen Aufgaben erfüllt.“

Dieser Aussage stimme ich zu und könnte meinen Beitrag beenden, denn es ist alles gesagt: „Die Philatelie, das Briefmarkensammeln und der hieraus resultierende Erkenntnisgewinn soll den Philatelisten, den Sammler glücklich machen“.

Doch im Titel meines Beitrages stelle ich die Frage, ob Philatelie eine Wissenschaft sei? Diese Frage habe ich noch nicht beantwortet. Um auf Reinhard Krüger zurückzukommen. Kann Glück, so erstrebenswert es zweifelsohne ist, eine Aufgabe von „ernster“ Wissenschaft sein? Sind wir mit dem Homo Philatelicus auf die schon als ausgestorben etikettierte Spezies des glücklichen Wissenschaftlers gestossen, der fröhliche Wissenschaft betreibt?

  

An anderer Stelle habe ich geschrieben, dass es vom Briefmarkensammler zum Philatelisten nur ein kleiner Schritt sei. Ich schrieb: „Sobald beim Briefmarkensammeln die Reflexion über das eigene Tun einsetzt, scheinbar in Stein gemeisselte Vorgaben und Massstäbe in Frage gestellt werden, ist der Schritt zur historischen (Hilfs-) Wissenschaft Philatelie vollzogen.“

Schon dort bezeichne ich die Philatelie als historische Wissenschaft. Stellen wir uns zu Beginn zwei einfache Fragen.

    • Was ist Wissenschaft?
    • Wie arbeiten Wissenschaftler?

Anhand der Antworten wollen wir beurteilen, ob die Philatelie Wissenschaft ist und ob sich Philatelisten als Wissenschaftler bezeichnen können.

Was ist Wissenschaft? Allgemein gesprochen ist Wissenschaft ein Begriff für die Gesamtheit des menschlichen Wissens, dessen Sammlung, Bewahrung, Tradierung sowie Erweiterung. Sowie dessen Verfälschung,  muss leider ergänzt werden. Im Speziellen ist Wissenschaft der methodische Prozess intersubjektiv nachvollziehbaren Forschens und Erkennens in einem bestimmten Bereich, der ein begründetes, geordnetes und gesichertes Wissen hervorbringt (1).

So, das wäre geklärt. Nicht? In a nutshell: Wissenschaft bezeichnet sowohl sämtliches bekanntes Wissen als auch die methodische Suche nach Erkenntnis.

Aber wie suchen wir methodisch? Wie arbeiten Wissenschaftler?

    • Am Anfang war … nein, nicht das Wort, sondern das Thema. Wir suchen uns ein Thema. Es kann nicht schaden, wenn wir zu dem Bereich, aus dem wir unser Thema wählen, schon etwas mehr wissen, als nur die Bezeichnung.
    • Danach kommt … richtig, die Fragestellung. Was wollen wir zu dem von uns gewählten Thema wissen? Was wollen wir erforschen? Es muss nicht gleich der afrikanische Kontinent sein, wie bei David Livingston (1813-1873). Wir formulieren also eine möglichst präzise Frage.
    • Jetzt wird es spannend. Wir begeben uns auf die Suche. Nicht nach einem Mörder wie der berühmte Detektiv Sherlock Holmes, aber nach Material. Wir tragen zusammen, einerseits was andere vor uns zu unserem Thema geschrieben haben (Literatur), andererseits Forschungsmaterial (Quellen, Proben etc.), und schlussendlich die Forschungsinstrumente resp. den Zugang zu selbigen.
    • Im nächsten Schritt sichten und dokumentieren wir das vorhandene Material, wobei wir unser Thema und unsere Fragestellung nicht aus den Augen verlieren sollten.
    • Nun geht es an die Beschäftigung mit den Quellen resp. Proben. Wir stellen logische Beziehungen her, testen, behandeln, überprüfen, experimentieren, verifizieren und dokumentieren. Dabei hinterfragen wir ständig unser Handeln und dessen Nachvollziehbarkeit. Kurz, wir forschen!
    • Unsere Erkenntnisse machen wir anderen zugänglich, indem wir einen hoffentlich lesbaren Artikel verfassen und publizieren.
    • Aus unserer Beschäftigung mit unserem Thema hat sich in den meisten Fällen eine weitere Fragestellung ergeben, womit die wissenschaftliche Arbeit weitergeht.

Klingt kompliziert? Ist es nicht. Die vorstehende Aufzählung ist einfach abstrakt. Werden wir konkret. Womit beschäftigt sich ein Philatelist?

1 Mark-Wert, Saarland 1947

Hoffentlich noch mit Briefmarken und/oder Belegen, das ist aber nicht in jedem Fall so.

Ich beschäftige mich mit den Werten der ersten Briefmarkenausgaben für das Saarland im Jahr 1947. Solange ich diese Briefmarken nur zusammentrage, in ein Steckbuch einsortiere, mich um Vollständigkeit bemühe und mich an ihrer Schönheit erfreue, bin ich ein Briefmarkensammler – und ein glücklicher Mensch. Sobald ich mich eingehender mit meinen Briefmarken beschäftige, mutiere ich zum Philatelisten. Zum meinem Beitrag über den Unterschied zwischen Briefmarkensammler und Philatelist vgl. hier.

    • Mein besonderes Interesse gilt den Feldmerkmalen dieser Briefmarken. Das ist ein Thema.
    • Ich möchte herausarbeiten, welche Feldmerkmale diese Briefmarken aufweisen und welcher Anteil daran wiederkehrende Feldmerkmale sind. Dies ist eine Fragestellung. Eine andere: Wie wurden die 63’600’000 Millionen Marken der 1. Offenburger Ausgabe hergestellt?
    • Ich suche und lese alles, was über mein Thema geschrieben wurde. Darüber hinaus baue ich meine Sammlung gezielt aus. Das ist Materialsuche.
    • Ich sichte und dokumentiere mein Material beständig.
    • Ich beschäftige mich mit dem Material, um nachvollziehbare und verifizierbare Antworten auf meine Fragestellungen zu finden. Dazu ziehe ich externe Quellen und Experten zu Rate. Die unternommenen Schritte und die Ergebnisse/Erkenntnisse dokumentiere ich chronologisch. Das ist Forschung.
    • Ich publiziere meine Erkenntnisse und mache sie damit Dritten zugänglich. Noch nicht als Artikel, aber im Rahmen von Saarphila.de und in diesem Blog.

Zum Abschluss dieses Beitrags noch einmal zurück zu dem Artikel von Reinhard Krüger. Wie ich seine Argumentation verstehe, sieht der Autor die Philatelie als Analyse-Instrument zur Quellenforschung durch Historiker, Philologen und Literaturwissenschaftler. Er ermuntert die Wissenschaftler in lobenswerter Weise, sich vermehrt mit den philatelistischen Hintergründen ihrer Themen und den in der Philatelie erprobten Verfahren zu beschäftigen.

Die Aufgabe der Philatelisten sieht er als reine Zuträger, wenn er inaus meiner Sicht unzulässiger Verkürzung philatelistischer Forschung schreibt:

„Von historischen Forschungsinteressen geleitet, bringen sie ihre Kenntnisse ein, tragen dazu bei, auch die postgeschichtlichen Daten, die sich auf Postsendungen befinden, als Informationsquelle für die Deutung der historischen Sachverhalte in die Forschung zu integrieren.“

DBZ, 5/2018, S. 32, 4. Spalte

Zwar ist es richtig, dass für Historiker je nach Forschungsbereich die Philatelie eine sehr nützliche Hilfswissenschaft sein kann. Verfügt der Historiker nicht über das nötige philatelistische Fachwissen, sollte er einen Philatelisten zu Rate ziehen. Genauso wie er vielleicht einen Linguisten, Archäologen oder Kunsthistoriker zu Rate zieht. Umgekehrt bedient sich die Philatelie unter anderem geschichtswissenschaftlicher Methoden und Verfahrensweisen. Wird die Geschichtswissenschaft hierdurch zu einer Hilfswissenschaft der Philatelie? Kaum. Nicht umsonst hatte ich an dieser Stelle von historische (Hilfs-) Wissenschaft geschrieben. Wer wem hilft, ist oft eine Frage des Blickwinkels.

Ich bin der Meinung, die Frage, ob Philatelie eine Wissenschaft sei, ist abschliessend mit JA zu beantworten. Es ist eine Wissenschaft aus eigenem Recht, und nicht der Wasserträger anderer Wissenschaften. Die nachstehende Definition der Wissenschaft Philatelie ist meine eigene, da ich keine bessere gefunden habe.

Definition Philatelie

Die Philatelie beschäftigt sich:

    • mit der Erforschung der Art und Weise geregelter Beförderung von Poststücken aller Art,
    • mit den historischen, sozioökonomischen, politischen, rechtlichen sowie technischen Hintergründen der für die Erbringung der Beförderung verwendeten Mittel,
    • und der Abgeltung der erbrachten Beförderungsleistung,
    • unter besonderer Berücksichtigung sämtlicher involvierten Personen.

Die Philatelie bedient sich hierzu wissenschaftlicher, reproduzierbarer und verifizierbarer Forschungsmethoden aus:

    • Geschichtswissenschaft,
    • Politikwissenschaft,
    • Wirtschaftswissenschaft, Volks- und Betriebswirtschaft, Geldwesen
    • Ingenieurwissenschaften, Drucktechnik
    • Psychologie
    • und Naturwissenschaften.

Ist ein Philatelist ein Wissenschaftler? Ihr solltet für euch selbst beantworten, ob eure individuelle Art und Weise, sich mit der Briefmarkenkunde zu beschäftigen, wissenschaftlichen Kriterien entspricht. Letztendlich gilt – da gehe ich mit Reinhard Krüger einig – was ich anfänglich schrieb: „Philatelie soll den Menschen glücklich machen“.

Bis dann

__________

Anmerkung

(1) Martin Carrier, Lexikon der Philosophie, Reclam, Stuttgart, 2011 S. 312

#saarphila #saarphilatelie