Hallo
„Berlin ist eine Reise wert“, versucht uns die Tourismusindustrie einzuflüstern. „Ich hab‘ noch einen Koffer in Berlin“, singen Marlene Dietrich und Hildegard Knef. Das Berlin eine Reise wert ist, stimmt, aber wirklich nur eine Reise. Von einer weiteren Reise rate ich dringend ab. Wer mir nicht glaubt, soll einmal mit der Ringbahn um Berlin fahren und die Augen, Ohren und die Nase offenhalten. Oder den Alexanderplatz besuchen. Egal ob bei Tag oder Nacht. Genauso warne ich davor, seinen Koffer unbeaufsichtigt in Berlin zu lassen. Den sehen Sie schon nach einer Minute niemals wieder.
Item. Ich werde über meinen Besuch im Museum für Kommunikation, dem ehemaligen Reichspostmuseum, berichten. Berlin beherbergt so viele Museen, dass man geneigt ist, Berlin als ein einziges Museum anzusehen. Selbst die aktuell kommissarisch oder auf Amtsdeutsch geschäftsführende Kanzlerin hat schon museumsreife 12 Dienstjahre auf dem Buckel und kann sich – falls die GroKo zustande kommt und unter ihrer nominellen „Führung“ die laufende Legislaturperiode übersteht, im Kanzlermuseum neben den politischen Bleigewichten Adenauer und Kohl einreihen.
Als ich, aus der Schweiz einschwebend, auf dem Flughafen Berlin-Tegel landete, besuchte ich genau besehen bereits das erste Berliner Museum.
Ehemals Luftschiffhafen Reinickendorf, dann Raketenschiessplatz Tegel. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde von den Franzosen – Tegel liegt im ehemals französischen Sektor Berlins, womit ein Bezug zur Saarphilatelie vorhanden ist – auf dem Gelände ein Flugplatz mit der längsten Landebahn Europas aus dem Boden gestampft und sofort für die Berliner Luftbrücke und danach bis 1994 als Militärflugplatz genutzt. Seit 2012 hat der Flughafen Berlin-Tegel keine reguläre Betriebsbewilligung mehr, denn er sollte schon längstens geschlossen und rückgebaut sein. Tja. Die Frage, wann respektive ob überhaupt der neue Hauptstadtflughafen für den regulären Flugverkehr eröffnet wird, ist vergleichbar mit der Frage, wann der erste Mensch den Mars betreten wird. Ich tippe mal, dass zuerst ein Mensch auf dem Mars landen wird.
Das Museum für Kommunikation befindet sich an der Leipziger Strasse, unweit von Bundesrat und Finanzministerium. Gegründet wurde es am selben Ort als Reichspostmuseum. Veranlasst hatte dies der deutsche Generalpostdirektor und spätere Generalpostmeister und Staatssekretär im Reichspostamt Heinrich von Stephan (1831-1897). Der Auftrag des Museums war und ist: „die Entwicklung des Verkehrswesens von den Völkern des Altertums beginnend bis zur neuesten Zeit kulturgeschichtlich zu veranschaulichen.“ Darunter lässt sich wahrlich sehr viel verstehen resp. sammeln.
Das schon kurz nach seiner Gründung weltbekannte und – zuvor unvorstellbar – für alle Bürger zugängliche Reichspostmuseum sollte nach dem Willen des weltbekannten Briefmarkensammlers Philipp von Ferrary seine umfangreiche Generalsammlung erben und ausstellen. Diese Generalsammlung umfasste fast alle Preziosen der Philatelie. Der Erste Weltkrieg und seine Folgen verhinderten dies.
Im zweiten Weltkrieg wurde die Sammlung des Reichspostmuseums auseinandergerissen und das Gebäude wie auch die verbliebenen Exponate durch Bomben und Häuserkampf zerstört. Viele Stücke gingen in den Nachkriegswirren verloren resp. wurden gestohlen. Der Standort an der Leipziger Strasse befand sich nach Kriegsende im sowjetischen Sektor Berlins unweit vom Checkpoint Charlie. Die DDR richtete ab Mitte der 50er-Jahre dort ein kleines Postmuseum ein und begann in den 80er-Jahren in lobenswerter Weise, dass geschichtsträchtige Gebäude des Reichspostmuseums wiederaufzubauen. Das Postmuseum der BRD entstand ab 1958 in Frankfurt am Main.
Auf dem Gebiet des vereinigten Deutschlands existierten 1990 zwei Postmuseen (DDR und BRD) eine Reihe von regionalen Postmuseen sowie mehrere grössere wie auch kleinere Sammlungen. Im Zuge einer Reform der Deutschen Post wurden diese in der Museumsstiftung Post- und Telekommunikation zusammengeführt.
Museums-Struktur heute:
Ich stand nun zusammen mit meiner Frau vor dem imposanten Gebäude und danach vor der ebenso imposanten zweiflügligen Eingangstür aus zentimeterdickem, massivem, dunklem Holz. Die Türklinke auf Augenhöhe – ich bin nicht gerade kleinwüchsig – ist von kleineren Personen nicht zu erreichen. Die schwere Tür zu öffnen und wieder zu schliessen, wie es ein Schild im preussischen Befehlston verlangt, bedarf einiger Kraft. Von modernen Öffnungsmechanismen weit und breit keine Spur.
Drinnen gelangt man nach einer Luftschleuse in den Museumsshop mit Eintrittskasse. Das Museum wirkt hell und freundlich. Das Personal ist ebenfalls freundlich und hilfsbereit. Auf die Architektur gehe ich nicht gross ein, davon verstehe ich nichts. Ich kann eine korinthische Säule nicht von einer ägyptischen Mumie unterscheiden. Die Sammlungen verteilen sich auf vier Stockwerke inkl. Untergeschoss. Die oberirdischen Stockwerke sind offene Galerien, die einen grosszügig angelegten, geschossenen Lichthof mit schöner Glaskuppel umschliessen. Auf dem Lichthof rollen drei Roboter und ein gelber Gummiball umher. Ich fragte mich unwillkürlich: „Ist das Kunst oder kann das weg?“
Was können wir im Museum für Kommunikation entdecken, betrachten? Im Untergeschoss befindet sich die sogenannte Schatzkammer. Ein stark abgedunkelter Raum mit sehr dunklem Bodenbelag, in welchem schemenhaft etwa zwei Dutzend ohne erkennbares Muster verteilte schwarze Säulen erkennbar sind. Der Raum ist nichts für Menschen mit einem Hang zur Klaustrophobie. Nähert man sich einer der Säulen passiert nichts. Gar nichts. Erst wenn man zufälligerweise an die „richtige“ Stelle der Säule gelangt, erleuchtet schwaches, schummriges Licht irgendwelche Gegenstände, die hinter Glas in einem minimalistischen Kabinett liegen, und eine Stimme beginnt, einen Text aufzusagen. Mir ist von den „Preziosen“ aus den verschiedenen Bereichen der Kommunikation fast nichts im Gedächtnis haften geblieben, ausser der blauen Sammlung und der Gscheidle-Postkarte an die Zigarettenfirma Reemtsma. Die blaue Sammlung ist ein kleines Holzbrett oder eine Pappe – so genau war das bei der schummrigen Beleuchtung, die einem Sexkino der 60er-Jahre zur Ehre gereicht hätte, nicht zu erkennen. Darauf aufgeklebt (!) Exemplare von Blauer Mauritius und Hawaiian Missionaries – ich gehe davon aus, dass es sich um Nachbildungen resp. Faksimiles handelte.
Die Sammlungen auf den oberirdischen Stockwerken sind dagegen sehr gut ausgeleuchtet. Interessant fanden wir die Exponate zur Technik der Telekommunikation, zur Postbeförderung – besonders beachtenswert ist die Rohrpost – und zu den Poststempeln.
Der Autor vor der Sammlung mit Postkästen aus allen Perioden.
Zu Briefmarken und Belegen fanden wir nicht viel. Ein sehenswertes Exponat zu den diversen Postkriegen war hier die Ausnahme von der Regel. Ich nehme an, dass das Archiv der Philatelie in Bonn in dieser Hinsicht mehr zu bieten hat.
Viel wird getan, um den Museumsbesuch auch für Kinder erkenntnisreich zu gestalten, auch wenn dies den „ernsthaften“ Betrachter in seiner Konzentration oder Kontemplation stört.
Mit 5 Euro für Erwachsene und 3 Euro reduziert, fällt der Eintrittspreis sehr moderat aus. Ich führe dies auf die Trägerschaft durch die Museumsstiftung zurück.
Für den Eintritt erhält der Besucher einen farbigen Aufkleber, der gut sichtbar auf der Kleidung anzubringen ist. Nach Verlassen des Museums findet dieser Aufkleber seinen Weg auf die umliegenden Ampelmasten und Rückseiten von Strassenschildern. Da offensichtlich an verschiedenen Tagen verschiedenfarbige Aufkleber verwendet werden, sind die Ampelmasten alle schön bunt beklebt.
Ich kann euch sagen, ich war froh, als unser Flieger am Montag wieder in Kloten aufsetzte.
Der Besuch im Museum für Kommunikation Berlin war der Auftakt einer Serie von Besuchen ähnlicher Einrichtungen. Der nächste Ortstermin findet am 20. März im Schweizerischen Museum für Kommunikation in Bern statt. Dieses wurde im letzten Jahr umgebaut und die Ausstellung modernisiert. Vom 2. März 2018 bis zum 8. Juli 2018 wird dort eine Sonderausstellung anlässlich „EXTREM – 175 Jahre Schweizer Briefmarken“ gezeigt. Ich werde an dieser Stelle über meinen Besuch in Bern berichten.
In Planung ist ebenfalls ein Ortstermin im Archiv für Philatelie in Bonn. Der Termin steht jedoch noch nicht fest.
Bis dann
#saarphila #saarphilatelie