Im vorletzten Beitrag habe ich drei Ersttagsbelege des Lieutenant Gérig vorgestellt. Dieser Beitrag stellt zwei Letzttagsbelege der Überdruckausgabe der Freimarkenserie Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar vor. Die Belege wurden zwar ebenfalls von einem Philatelisten erstellt, in diesen Fällen sind die Briefe jedoch durch die Saarpost befördert worden.
portogerecht frankierter Wertbrief über 1000 Franken vom 31. Mai 1948, gelaufen von Friedrichsthal nach Sulzbach; Letzttagsbeleg der Marken 10 cent./2 Pf, 5F/20 Pf, 6F/24 Pf und 9F/30 Pf; Buntfrankatur mit Marken der 1. Briefmarkenausgabe des autonomen SaarlandsUmschlagrückseite mit Absenderstempel, Wachssiegeln und Ankunftsstempel Sulzbach (Saar) c vom 1. Juni 1948portogerecht frankierter Wertbrief über 8000 Franken vom 31. Mai 1948, gelaufen von Friedrichsthal nach Sulzbach; Letzttagsbeleg der Marken 1F/10 Pf, 5F/20 Pf und 20F/84 Pf; Buntfrankatur mit Marken der 1. Briefmarkenausgabe des autonomen SaarlandsUmschlagrückseite mit Absenderstempel, Wachssiegeln und Ankunftsstempel Sulzbach (Saar) c vom 1. Juni 1948
Die beiden Wertbriefe wurden gemeinsam auf dem Postamt aufgegeben. Interessant: Das fehlende Stück des Wertbrief-Aufklebers (V-Zettel) des ersten Briefes hängt am Aufkleber des zweiten Briefes.
Absender beider Wertbriefe ist Richard Metzger, Inhaber der Firma Ingenieur Richard Metzger Stahl- und Maschinenbau in Altenwald, an welche beide Briefe adressiert sind. Eine Recherche beim Stadtarchiv Sulzbach ergab, dass die Firma bis in die 1980er-Jahre existierte. Inhaber waren Richard Eduard und Richard Hans Ludwig Metzger. Wer von den beiden der Philatelist war, ist mir nicht bekannt. Hat jemand weitere Informationen zur Firma und den beiden Richard Metzger? Bitte verwendet das Kontaktformular.
Zur Aufschlüsselung des Portos
1. Portoperiode des autonomen Saarlandes 20. November 1947-21. September 1948
6 Franken Briefgebühr 1. Gewichtsstufe bis 20 Gramm
14 Franken Einschreibgebühr
15 Franken Versicherungsgebühr bis 1000 Franken
1 Franken Versicherungsgebühr je weitere 1000 Franken
Daraus ergeben sich Porti von gesamt 35 Franken für den ersten und 42 Franken für den zweiten Wertbrief.
Bis dann
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Einen sehr spannenden Neuzugang meiner Sammlung Montclair stelle ich in diesem Beitrag vor.
Mein Freund Peter Falz machte mich vor einiger Zeit auf einen Posten Bogenmaterial der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar aufmerksam. Er würde auf dieses Los bis zu einem bestimmten Betrag bieten. Ich sah mir die Losbeschreibung und die Bilder des Angebotes an. Ein Bogen der 12 Pfennig weckte mein Interesse. Ich bot Peter an, mich an seinem Gebot finanziell zu beteiligen, dafür würde ich diesen einen Bogen erhalten. Da dieser Bogen Peter nicht interessierte, willigte er in diesen Deal ein. Eine klassische Win-Win-Situation.
12 Pfennig Bogen A 07717 (WZ S = steigende Wellenlinien) vom 9. Januar 1947
Peter erhielt den Zuschlag. Leider war der Verkäufer beim Verpacken nicht ganz bei der Sache und unvorsichtig. Beim Zurechtschneiden des Verpackungsmaterials zerschnitt er auch gleich den abgebildeten 12 Pfennig-Bogen. „Messer, Gabel, Schere, Licht … ist für trottelige Verkäufer nicht!“, sage ich da nur. Die Schnittränder der Schere sind bei genauem Hinsehen am linken Bogenrand in der ersten Markenreihe gut zu erkennen; der untere Bogenrand ist bei dem Massaker glücklicherweise unversehrt geblieben. Der Verkäufer hat Peter und dieser mich über das Malheur informiert. Ich habe den Bogen dennoch genommen und in meine Sammlung eingebaut. Die Frage ist nun: Warum? Was ist an diesem Bogen so interessant, dass dieser trotz seiner massiven Beschädigung eine wichtige Bereicherung für meine Sammlung Montclair darstellt?
Dazu muss ich etwas ausholen. Der Druck von Bogennummern und Druckdatum wurde auf einer Buchdruck-Schnellpresse Typ Rex vorgenommen. Die Nummerierwerke für A- resp. B-Bogen zählten ab einem frei einstellbaren Wert rückwärts. Ergo: Hohe Bogennummern weisen i.d.R. auf einen frühen Drucktag, niedrige Bogennummern immer auf einen späten Drucktag hin. Bitte im Hinterkopf behalten. Wir unterscheiden gemäss Handbuch Feldmerkmale SAAR I (S. 50 ff) drei verschiedene Typen (1):
Typ I, 5-stellig ohne vorauslaufende Nullen, verwendet vom 27.-30. Dezember 1946, ausschliesslich 75 Pfennig-Wert.
Bogennummer A 416 Typ IBogennumer A 10455 Typ I
Typ IIa, 5-stellig mit vorauslaufenden Nullen, verwendet für alle Markenbogen ausser 75 Pfennig und 45 Pfennig
Bogennummer B 00091 Typ IIa
Typ IIb, 4-stellig mit vorauslaufenden Nullen, verwendet ausschliesslich am 13. Januar 1947 für die Bogen des 45 Pfennig-Werts
Bogennummer A 0092 Typ IIb
Die Bogennummern konnten somit auf dem Nummerierwerken schnell und individuell eingestellt werden. Das sollten wir für des Rätsels Lösung ebenfalls im Hinterkopf behalten. Bei dem vorgestellen Bogen haben wir es mit einer Bogennummer vom Typ IIa zu tun, also nichts besonderes.
Dieses schnelle und individuelle Ändern galt nicht für das Druckdatum. Die Druckdaten wurden für jeden neuen Tag, an welchem der Bogenranddruck vorgenommen wurde, neu gesetzt und zwar als gegossener Stempel, der in die Buchdruck-Schnellpresse Typ Rex eingesetzt wurde. Woher wissen wir das? Auch bei den Druckdaten unterscheiden wir verschiedene Typen (vgl. Handbuch S. 45ff). Wir konzentrieren in diesem Beitrag auf die beiden Typen IIIa und IIIb (2).
Typ IIIa, «Gedruckt am 16, Februar 1947», Antiquaschrift ohne Doppelpunkt nach «am» und mit Komma nach «16», ausschliesslich 8 Pfennig-Wert (A- wie B-Bogen)
Druckdatum Typ IIIa mit Komma
Typ IIIb, «Gedruckt am 16. Februar 1947» resp. «Gedruckt am 17. Februar 1947», Antiquaschrift ohne Doppelpunkt nach «am» und mit retuschiertem Komma nach «16» resp. «17», verwendet bei Bogen des 8 resp. 80 Pfennig-Werts.
Druckdatum 16. Februar 1947 Typ IIIb mit retuschiertem KommaDruckdatum 17. Februar 1947 Typ IIIb mit retuschiertem Komma
Anhand dieses Vorfalls wissen wir, es war mit weniger Aufwand verbunden, einen Setzfehler zu retuschieren, als das gesamte Datum neu zu setzen.
An dieser Stelle weise ich auf ein weit verbreitetes Missverständnis hin. Die Druckdaten spiegeln bei den Ausgaben der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar nicht das Datum der Herstellung des entsprechenden Markenbogens wider, sondern geben nur das Datum des Bogenranddrucks an. Das Datum des Bogenranddrucks stimmt in einigen Fällen mit dem Datum des Bogendrucks überein, jedoch nicht in allen Fällen. Was bedeutet das? Beispiel: Auf den bekannten Bogen und Bogenteilen des 45 Pfennig-Werts steht immer «Gedruckt am: 13. Januar 1947». Daraus können wir nicht schliessen, dass alle 5’500 Druckbogen des 45 Pfennig-Werts am Montag, 13. Januar 1947 hergestellt wurden. Es ist durchaus möglich, dass der Andruck bereits am Samstag, 11. Januar 1947 begann (der Sonntag war bei der Druckerei Franz Burda im Januar 1947 kein Drucktag). Es ist aber belegt, dass der gesamte Bogenranddruck am 13. Januar 1947 erfolgte.
Am letzten Tag des Bogenranddrucks wurden i.d.R. bei der letzten Sichtkontrolle und Registratur unbrauchbare Bogen ausgewechselt. Bei überzähligen Bogen, welche bereits einen Bogenranddruck aufwiesen und einen unbrauchbaren (extrem verschobene Perforation, gefaltetes Papier usw.) Bogen ersetzen sollten, wurde häufig die eigene Bogennummer überbalkt und die Bogennummer des zu ersetzenden Bogens maschinell oder handschriftlich hinzugefügt. Hier ein Beispiel mit maschinell korrigierter Bogennummer. Der Bogen A 06591 ersetzt den unbrauchbaren Bogen A 05195.
So, jetzt wird es spannend. Der eingangs gezeigte 12 Pfennig-Bogen hat die Bogennummer A 07717 (Typ IIa) und weist das Druckdatum 9. Januar 1947 auf.
Für den Bogenranddruck des 12 Pfennig-Werts sind nach derzeitigem Wisssensstand die nachstehenden Daten bekannt:
30. Dezember 1946
31. Dezember 1946
2. Januar 1947
3. Januar 1947
4. Januar 1947
7. Januar 1947
8. Januar 1947
9. Januar 1947
Der 1. Januar 1947 war ein Feiertag, der 5. Januar ein Sonntag und der 6. Januar wieder ein Feiertag. Anhand von Vergleichsbögen wissen wir, dass der Bogenranddruck für zuvor hergestellen Bogen, welche die Bogennummern um 07700 erhalten sollten, am 7. Januar 1947 erfolgte. Offenbar wurde der originale Bogen 07717 am 9. Januar 1947 bei der Endkontrolle und Registratur als unbrauchbar aussortiert. Dafür wurde ein überzähliger Druckbogen – für solche Fälle wurde eine Druckreserve gehalten und in einigen nachgewiesenen Fällen sogar zur Erweiterung der Auflage verwendet – ohne Bogenranddruck in die Buchdruck-Schnellpresse Typ Rex eingelegt und mit der notwendigen Bogennummer versehen. Das Datum 9. Januar 1947 konnte im Gegensatz zur Bogennummer nicht einfach so gewechselt werden und blieb. Im konkreten Fall wissen wir aufgrund der auf dem Bogen vorhanden/nicht vorhandenen Feldmerkmale sogar, dass dieser Bogen am oder nach dem 4. Januar 1947 gedruckt wurde (Unterscheidung in frühe und späte Druckperiode beim 12 Pfennig-Wert; vgl. Handbuch, S. 710ff resp. Deutsche Briefmarken-Revue 6/2022, S. 30ff).
Fazit: Dieser Schalterbogen A 07717 des 12 Pfennig-Werts ist besonders, da dieser die Verwendung überzähliger, nicht bereits mit einem Bogenranddruck versehener Bogen der Druckreserve für die Auswechslung von unbrauchbaren Bogen am letzten Tag des Bogenranddrucks belegt.
Bis dann
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(1) Handbuch Feldmerkmale SAAR I, Fehraltorf 2021 Bestellung
(2) ebenso beschrieben in Deutsche Briefmarken-Revue 4/2022, S. 29ff sowie insbesondere Deutsche Briefmarken-Revue 6/2023, S. 34f
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Ich habe im April 2023 meine Sammlung von Saarbriefmarken umstrukturiert. Seitdem konzentriere ich mich ausschliesslich auf die 59 Marken der Freimarkenserie Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar (BuS, Originalausgabe, Neuausgabe, Überdruckausgabe). Die Sammlung umfasst Einzelmarken, Bogenmaterial, Belege, Probedrucke sowie Literatur. Dazu kommen Marken und Ganzsachen anderer Perioden, soweit diese Bezug zu den Bildmotiven der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar haben.
Meine Sammlung trägt den Namen Montclair, nach der Burgruine auf dem Hügelrücken oberhalb der grossen Saarschleife bei Orscholz.
Im Sommer bin ich gerne draussen, bin mit Velo und WoMo unterwegs. Die Pflege meiner Sammlung bleibt – bis auf Recherchen vor Ort, wie im Juni dieses Jahres in Saarlouis – den Monaten November bis März vorbehalten. Dennoch haben sich in den vergangenen Monaten einige Gelegenheiten ergeben, meine Sammlung um einige schöne Stücke zu erweitern. Diese Neuzugänge werde ich in loser Folge in meinem Blog vorstellen.
Ich beginne mit einem Beitrag zu dem abgebildeten Farb-Probedruck.
Farbprobe karminrosa mit 5 Bildmotiven
Farbproben gibt es meines Wissens nach in zwei Varianten: einerseits mit drei kleinformatigen Bildmotiven und andererseits (vgl. Abbildung) mit drei kleinformatigen sowie zwei grossformatigen Bildmotiven. Letztere kenne ich in den Farben:
Karminrosa
Grau
Blau
Dunkelgrün
Orange.
Ich erachte es als wahrscheinlich, dass Exemplare in anderen Farben existieren. Diese Farbproben sind definitiv keine Einzelstücke. In der 57. Christoph Gärtner-Auktion wurden drei Exemplare in den Farben Grau (Los 6612), Blau (Los 6613) und Dunkelgrün (Los 6611) angeboten; Exemplare in exakt diesen Farben sind bereits Teil meiner Sammlung Montclair.
Die abgebildete Farbprobe ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.
Die Farbprobe umfasst bloss fünf der sechs Bildmotive; das Bildmotiv Stahlwerker beim Hochofenabstich fehlt. Dieses Bildmotiv wurde wahrscheinlich erst im Dezember 1946 hinzugefügt. Die Gestaltung des Bildmotivs Stahlwerker unterscheidet sich dann auch von den anderen Berufen, Bergmann und Bäuerin (Landwirtschaft). Diese Bildmotive sind in Vordergrund und Hintergrund unterteilt, beim Bildmotiv Stahlwerker ist ausschliesslich eine Szene bei einem Hochofen abgebildet. Den 24 Pfennig-Wert, welcher schlussendlich das Bildmotiv Stahlwerker trägt, ziert bei der Farbprobe noch das Bildmotiv Bäuerin. Schauen wir genauer hin, hat die stehende Bäuerin einen Buckel, der im endgültigen Bildmotiv entfernt wurde.
Bildmotiv Bäuerinnen bei der Rübenernte: stehende Bäuerin mit „Buckel“
Die 1 der Wertangabe 12 beim Bildmotiv Bergmann ist spitz. Dadurch wissen wir, dass das Reihenmerkmal des 12 Pfennig-Werts, 1 der Wertangabe 12 stumpf (vgl. DBR 6/2022), so nicht vorgesehen war.
Das S von SAAR beim 75 Pfennig-Wert mit dem Bildmotiv Alter Turm weist eine gut sichtbare Retusche auf.
Bildmotiv Alter Turm in Mettlach, S von SAAR mit Retusche
Die kleinformatigen Bildmotive sind unten links mit Ungültig! und rechts unten mit V.K.JONYNAS beschriftet. Der 84 Pfennig-Wert trägt nur den Schriftzug V.K.JONYNAS wogegen der 1 Mark-Wert keine Beschriftung aufweist.
Der Farbton Rosakarmin wurde schlussendlich für die Marken der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar nicht verwendet. Ähnliche Farbtöne jedoch schon: Orientrot beim 20 Pfennig-Wert und Magenta beim 25 Pfennig-Wert.
Abschliessend weise ich darauf hin, dass in der mir bekannten Literatur (inkl. MICHEL) nur in meiner 20-teiligen DBR-Beitragsserie zu den Feldmerkmalen der Originalausgabe der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar diese Farbproben in Wort und Bild erwähnt werden (vgl. Deutsche Briefmarken-Revue 01/2022-08/2023).
Bis dann
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In diesem Beitrag hatte ich euch zwei Ministerblocks der 2. Offenburger Ausgabe vorgestellt. Inzwischen habe ich weitere drei Ministerblocks dieser Ausgabe erwerben können.
Die inzwischen von VPEV wie BPP bestätigte „Entdeckung“ von Ministerblocks der 2. Offenburger Ausgabe, deren Bedeutung sowie die sich hieraus ergebenden Fragestellungen habe ich in einem reich illustrierten Artikel für die Deutsche Briefmarken-Revue festgehalten. Dieser Artikel erscheint voraussichtlich pünktlich zu Weihnachten im Heft 1/2023.
Ich bitte euch bis dahin um Geduld.
Bis dann
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Heute stelle ich euch zwei Ministerblocks aus meiner Sammlung vor. Angeboten wurden mir diese Ministerblocks als Mi. 212 M und Mi. 213 M. Die zugehörigen Marken wären der 15- wie 16 Pfennig-Wert der 1. Offenburger Ausgabe (SAAR I).
Bei genauerem Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass es die Ministerblocks des 15- resp. 16 Pfennig-Werts der 2. Offenburger Ausgabe handelt. Die 1 der Wertangabe 15 resp. 16 hat bei der 1. Offenburger Ausgabe keinen Querstrich am Fuss. Die 2. Offenburger Ausgabe dagegen hat diesen Querstrich, wie auch die auf den Ministerblocks abgebildeten Marken.
Zum Vergleich zeigen die folgenden Abbildungen die beiden Ministerblocks sowie jeweils ein Exemplar der 1. wie der 2. Offenburger Ausgabe.
Die 13 Werte der 2. Offenburger Ausgabe gelangten im November/Dezember 1947 mit Überdruck in Frankenwährung im Rahmen der Malstatt-Burbacher Überdruckausgabe (SAAR II Typ II) an die saarländischen Postschalter. Die Werte zu 15, 16 und 24 Pfennig waren jedoch bereits im Oktober 1947, einen Monat vor der Währungsumstellung, gedruckt und nach Saarbrücken versandt worden. Diese drei Werte (1) wurden im Oktober regulär verausgabt und an einigen saarländischen Postämtern verkauft.
In den MICHEL-Katalogen werden zwar die Ministerblocks der 1. Offenburger Ausgabe (SAAR I) aufgeführt (2), jedoch nicht jene der 2. Offenburger Ausgabe. Ohnehin findet sich zu dieser Ausgabe ausser den Bewertungen für Mi. 226-238 II fA nicht viele Angaben. Früher katalogisierte der MICHEL die 2. Offenburger Ausgabe als Mi. 206-225 II. Schade, wurde diese Katalogisierung gestrichen. Der Sammler muss nun auf andere Kataloge ausweichen.
Nun ist es ja nicht so, dass ich die einzigen Exemplare dieser Ministerblöcke besitze. Das Auktionshaus Christoph Gärtner bot im Rahmen eines Konvoluts aus Ministerblocks der 1./2. Offenburger Ausgabe ebenfalls die Ministerblocks des 15 Pfennig- wie des 16 Pfennig-Werts an (52. Auktion, Los 10709 / 53. Auktion Los 4473). Ich war nicht erstaunt, dass bei beiden Auktionen kein Sammler bereit war, für dieses Konvolut die ausgelobten €6’000 zzgl. Aufgeld zu bezahlen. Weiterhin waren im August bei Waigand Sammlerwelt zwei Ministerblocks der 2. Offenburger Ausgabe im Sortiment. Eine schriftliche Anfrage bei MICHEL-Redaktion mit Kopie an den Prüfer Christian Geigle hinsichtlich Aufnahme der Ministerblocks der 2. Offenburger Ausgabe in den DSK unter Angabe einer Bewertung ist seit vier Wochen ohne Reaktion. Ich habe für diese lange Bearbeitungszeit selbstverständlich vollstes Verständnis! In Bayern waren Sommerferien und danach liefen sicherlich bereits die Vorbereitungen auf das übermorgen beginnende Oktoberfest auf Hochtouren. Da werden die bayerischen Spezln dann wohl zusammen beim Bier sitzen. Na denn Prost.
Ich werde die Ministerblocks der 2. Offenburger Ausgabe im Handbuch Feldmerkmale SAAR I, 2. Auflage, aufnehmen und bewerten.
Bis dann
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Anmerkungen
(1) Die Aussage im MICHEL DSK, resp. im MICHEL Saar Spezial „Nur MiNr. 229 II fA, 230 II fA und 233 II fA wurden an einigen Postämtern abgegeben […]“ ist nicht korrekt. Richtig sollte es heissen: Nur Mi. 230 II fA (15 Pfennig, 2. Ausgabe), 231 II fA (16 Pfennig, 2. Ausgabe) und 233 II fA (24 Pfennig, 2. Ausgabe) wurden verausgabt und an einigen Postämtern verkauft.
(2) bspw. MICHEL DSK 2020, S. 773
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Die französische Militärregierung in Baden-Baden schloss aufgrund einer Anweisung der politischen Abteilung des Quai d’Orsay (frz. Aussenministerium) mit Anordnung Nr. 8 vom 18. Juli 1946 mehrere Gemeinden der Verwaltung des Saarlandes (in den Grenzen des Saargebietes) an. Diese Gemeinden gehörten zu den Kreisen Saarburg, Trier-Land, Wadern und Birkenfeld. Der Kreis Saarburg blieb erhalten und wurde um einige Gemeinden Von Trier-Land erweitert. Die birkenfelder Gemeinden wurden dem Kreis St. Wendel zugeordnet und der Landkries Wadern mit dem Kreis Merzig zum heute noch bestehenden Kreis Merzig-Wadern zusammengeschlossen.
Damit hatte Gilbert Grandval, der Paris direkt unterstellte französische Gouverneur für das Saarland einen wichtigen Schritt hin zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Saar-Reviers geleistet. Die industriellen Kernzonen um Saarbrücken, Völklingen, Dillingen usw. hatten nun zur Versorgung der Arbeiter in den Hüttenwerken und Kohlen-Gruben agrarisches Umland erhalten.
Die Alliierten stimmten auf der Aussenministerkonferenz vom Dezember 1946 in New York der wirtschaftlichen Angliederung des Saarlandes an Frankreich zu. Doch Frankreich musste sich entscheiden: entweder auf Reparationsforderungen gegenüber dem besiegten Deutschen Reich verzichten, oder das Saarland etwas verkleinern.
Mit Verfügung Nr. 93 vom 6. Juni 1947 wurde daher 61 Gemeinden des Kreises Saarburg aus dem Saarland ausgegliedert und dem Land Rheinpfalz angeschlossen 20 Gemeinden des Kreises Saarburg verblieben beim Saarland und wurden dem Kreis Merzig-Wadern zugeordnet.
Im Gegenzug zu den Gebietsverlusten im Nordwesten wurden 13 weitere Gemeinden aus den Landkreisen Kusel sowie Birkenfeld in das Saarland eingegliedert und dem Landkreis St. Wendel zugeordnet.
Bis auf einen kleinen Gebietszuwachs am 23. April 1949 waren damit die Grenzen des seit Januar 1947 von der französischen Regierung geplanten autonomen Saarstaats festgelegt.
Postalisch hatte diese Gebietsneuordnung mehrere Auswirkungen. Eine davon zeige ich heute.
Nach der Verfügung Nr. 93 vom 6. Juni 1947 bis in die erste Juliwoche waren im Kreis Saarburg (erweitert durch die Gemeinden, die ehemals zum Kreis Trier-Land gehörten), Mischfrankaturen aus SAAR I und Rheinland-Pfalz (I) möglich. Da sowohl in der Französischen Zone, als auch im Saarland die Marken der Allgemeinen Ausgabe weiterhin frankaturgültig waren, konnten drei Ausgaben auf einem Brief vereinigt werden:
SAAR I
Allgemeine Ausgabe
Rheinland-Pfalz (I)
Der gezeigte, echt gelaufene Beleg ist portogerecht frankiert:
48 Pf. für einen Brief der 2. GSt.
60 Pf. Einschreibegebühr)
Die Marken wurden mit drei Abschläge von Saarburg (BZ Trier) 1d vom 4. Juli 1947 abgeschlagen. Dies war ziemlich am Ende der Periode, in welcher Mischfrankaturen zwischen SAAR I und Rheinland-Pfalz (1) zulässig waren.
Beleg mit Mischfrankatur SAAR I, AA und RP (I) vom 04.07.1947
Bis dann
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Im Magazin ‹Der Spiegel› (1) vom 9. Juli 2022 schrieb Klaus Wiegrefe unter dem Titel «Der Plan des Generals», Frankreich hätte nach Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu 800’000 Menschen deportieren wollen. Die ‹Saarbrücker Zeitung› doppelte zwei Tage später in der Ausgabe vom 11. Juli 2022 mit einem halbseitigen Bericht nach. Titel «Als Frankreich die Saarländer vertreiben wollte».
Ich denke, viele von Euch haben diese reisserischen Schlagzeilen gesehen und vielleicht auch die entsprechenden Artikel. Für diejenigen, welche die Artikel nicht gelesen haben, ein sehr kurzer Abriss. «Hätte man Frankreich nach dem Krieg machen lassen, dann wäre das Saarland heute ein Teil Frankreichs» — eine wahrhaft grauenvolle Vorstellung, nicht wahr? In der HeuteShow könnte man sich nicht über die territoriale Kleinheit des Saarlandes amüsieren [Link]. «Und die Franzosen hätten darüber hinaus die Saarländer aus dem Saarland vertrieben!» Ein Saarland ohne Saarländer! Das ist tatsächlich eine grauenvolle Vorstellung. Ich mag sie nämlich, die Saarländer. Vielleicht nicht alle, aber doch sehr viele. Zum Schluss: «Das diese Horrorszenarien nicht eintrafen, verdanken die Saarländer den Briten und US-Amerikanern» — wollen uns die Autoren glauben machen. Zwischen den Zeilen scheint noch durch: «Weil das, was die Franzosen damals planten, so entsetzlich perfide war, geschah es ihnen nur recht, dass die Saarländer am 23. Oktober 1955 das ein Jahr zuvor zwischen Frankreich und der BRD (also ohne die Saarländer) abgeschlossene Europäische Saarstatut ablehnten.» Worauf, wie wir wissen, das Saarland am 1. Januar 1957 dem Geltungsbereich des deutschen Grundgesetzes beitrat.
Stimmt das, was uns da in den Medien frisch aufgekocht serviert wurde? Beide Berichte basieren auf der Studie «Die unvollendete Annexion. Frankreich und die Saar 1943 bis 1947». (2) Diese Studie verfasste der aus dem Saarland stammende Historiker Prof. em. Wilfried Loth. Ich habe sie für euch gelesen und analysiert.
Ich fasse mich kurz. Ja, Frankreich plante seit Oktober 1944, das Saarland zu annektieren. Wäre dies geschehen, wäre das Saarland heute ein Teil der französischen Republik. Die Annexionspläne wurden in den folgenden zwei Jahren immer wieder modifiziert und Ende 1946 endgültig fallen gelassen. Und ja, in französischen Regierungskreisen wurde Ende 1944/Anfang 1945 ernsthaft überlegt, die zum grössten Teil ohnehin evakuierte Bevölkerung des Saargebietes (3) nicht in ihre Heimat zurückkehren zu lassen. Von den wenigen verbliebenen Einwohnern sollten die Nazis sowie Frankreich gegenüber feindlich eingestellte Personen ausgewiesen oder nach Württemberg, Baden und die französischen Kolonien umgesiedelt werden.
Ordnen wir diese beiden Fakten, die Annexionspläne wie die Umsiedlungspläne französischer Regierungskreise, historisch ein. Wir stellen fest, dass die Planer voll im Trend lagen. Sämtliche Alliierte waren sich einig, dass massenhafte Umsiedlung von Deutschen (bei den Sowjets auch Polen) eine friedensfördernde Massnahme sei. Warum? Die Alliierten beriefen sich auf den Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland. Trotz aller zum Teil unmenschlichen Härten, welche die Vertreibungen mit sich brachten, schätzten beide Regierungen die ethnische Homogenisierung ihrer jeweiligen Staaten als positiv und stabilisierend ein. Auch war es erst sieben Jahre her, dass Hitler im Hinblick auf seine Eroberungspläne gegenüber der Weltgemeinschaft den Schutz deutscher Minderheiten in der Tschechoslowakei und in Polen als Vorwand und Druckmittel verwendet hatte. Dem wollte man von vorne herein einen Riegel schieben.
Die Umsetzung der französischen Pläne setzte voraus, dass französische Truppen als Erste das Gebiet an der Saar besetzen würden. Dies war bekanntlich nicht der Fall. Truppen der 7. US-Armee besetzten am 20./21. März 1945 das Saargebiet und errichteten dort zügig eine funktionierende Zivilverwaltung. Nach der bedingungslosen Kapitulation im Mai 1945 liess die amerikanische Militärverwaltung die evakuierte saarländische Bevölkerung in ihre Heimat zurückkehren. Dies liess den Plan eines Saarlandes ohne Saarländer schon einmal Makulatur werden.
Am 10. Juli 1945 übergab die US-amerikanische Militärverwaltung das Gebiet an der Saar als Teil der französischen Besatzungszone (Zone d’occupation française en Allemagne) an französische Truppen. Nun gingen französische Planer davon aus, dass etwa 100’000-150’000 feindselige Elemente sowie Nazis ausgewiesen werden müssten, die restliche Bevölkerung liesse sich bei guter Pflege leicht assimilieren. Général Charles de Gaulle, der Chef der provisorischen Regierung des befreiten Frankreich hielt nichts von Ausweisungen. Er setzte mehr auf Assimilation. Doch seine Vision einer französischen Rheingrenze liess ihn den einzigen Zeitpunkt, die Region an der Saar mit Zustimmung aller Alliierten zu annektieren, verpassen. Nach dem Rücktritt De Gaulles im Januar 1946 folgten innerhalb von 12 Monaten drei eher schwache, von innen- wie aussenpolitischen Krisen gebeutelte Regierungen. Französische Politiker verfolgten in ihrer Deutschlandpolitik das Ziel, den übermächtigen Nachbarn im Osten möglichst dezentral zu gestalten. Verständlich, nach vier Überfällen in 70 Jahren wollte man sich endgültig absichern und wohl auch eine Vorrangstellung in Europa erlangen. Sie stemmten sich gegen viele Vorschläge der anderen Alliierten und versuchten — wie schon vor dem 1. und 2. Weltkrieg — Russland resp. die Sowjetunion auf ihre Seite zu ziehen. Das kam bei Briten und US-Amerikanern nicht gut an. Diese standen vor einem riesigen logistischen Problem, wo Engstirnigkeit und verschachtelte Zuständigkeiten nur Bremsschuhe waren. Im Sommer 1946 verständigten sich Briten und US-Amerikaner auf eine gemeinsame Verwaltung ihrer Besatzungszonen (Bi-Zone). Der aufkeimende Ost-West-Konflikt liess eine Zerstückelung Deutschlands obsolet werden. Der Zeitpunkt für eine Annexion des Saarlandes war aufgrund Inkompetenz französischer Politiker ungenutzt verstrichen. Von Ausweisungen und Vertreibungen im grossen Stil sprach niemand mehr. Am 18. Januar 1947 verabschiedete die erste Regierung der IV. Republik ein Massnahmenpaket zur Saar-Frage und verfolgte dann konsequent den Aufbau eines demokratischen und autonomen Saar-Staates unter französischer Hegemonie.
Fazit: Nicht den Briten und US-Amerikanern ist es zu verdanken, dass das Saarland nicht in Frankreich aufgegangen ist. Es war das schlechte Timing inkompetent agierender französischer Politiker.
Die Studie von Wilfried Loth wirft auch ein differenziertes Licht auf die Person von Gilbert Grandval. Grandval wurde von De Gaulle am 31. August 1945 als Nachfolger von Général Molière zum Militärgouverneur an der Saar ernannt. Geschickt formte Grandval das Gebiet an der Saar territorial wie politisch zu einem wirtschaftlich eigenständigen Saarland. Dabei musste er häufig Widerstände sowohl in Paris wie auch in Baden-Baden, dem Sitz der französischen Militärverwaltung für Deutschland, überwinden. Seinem Wirken ist es massgeblich zu verdanken, dass an der Saar ein demokratisch legitimierter, von der Bevölkerung wie den Parteien getragener, halbautonomer Saar-Staat (État Sarrois) entstand.
Weshalb 1955 der breite politische und gesellschaftliche Konsens im Saarland zerbrach ist eine andere Geschichte. Es war sicherlich keine Retourkutsche für Frankreich. Wilfried Loth schlussfolgert in seiner Studie: Die Ablehnung des Europäischen Saarstatuts 1955 zeigt, dass die von Frankreich betriebene Demokratisierung der Saarländer «bei allen Unzulänglichkeiten im Einzelnen» erfolgreich war.
Bis dann
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Anmerkungen
(1) ‹Der Spiegel› Nr. 28, 9. Juli 2022, S. 50 (Link, kostenpflichtig)
(2) Loth, Wilfried: «Die unvollendete Annexion. Frankreich und die Saar 1943 bis 1947»; in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Bd. 70, 3/2022, S. 513-548 (Link, bis Ende September 2022 frei zugänglich)
(3) Die evakuierte Rote Zone entlang der Grenze umfasste unter anderem die grossen Industrieorte Dillingen, Völklingen sowie Saarbrücken.
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Das aktuelle Doppelheft der Deutschen Briefmarken-Zeitung (DBZ) widmet dem 75. Jubiläum der Erstausgabe saarländischer Briefmarken einen vierseitigen Beitrag mit dem Titel: Bezahlen in Francs.
Geschrieben hat den lesenswerten Beitrag der bekannte Philatelie-Journalist und Saarsammler Thorsten Berndt. Auf der zweiten Seite „stolperte“ ich jedoch über eine Aussage zur Ähnlichkeit der Bildmotive der SAAR I mit denen der Länderausgabe der Französischen Zone. Berndt schreibt:
Damit machte das Saarland gewissermassen den Auftakt der Länderausgaben, denn in Baden und Rheinland-Pfalz erschienen die ersten Marken im Mai, in Württemberg sogar erst im Juni. Politisch stimmt der Vergleich natürlich nicht, da das Saarland aus der Französischen Zone ausgegliedert war. Die Ähnlichkeiten der Erstausgaben sind jedoch frappierend.(1)
Die Ähnlichkeit der Bildmotive sind aus zwei Gründen nicht so erstaunlich, wie es Thorsten Berndt darstellt.
Gestalter der Bildvorlagen ist in allen Fällen der international renommierte Künstler und Kunstbeirat der französischen Militärregierung Vytautas Kazimieras Jonynas (1907-1997).
Auftraggeber ist in allen Fällen die P.T.T. de la Zone d’occupation française en Allemagne, vertreten durch deren Directeur Raymond Croze (1908-1978) und in künstlerischen Fragen beraten durch die Sous-Diréction des Beaux-Arts in Baden-Baden.
Bis dann
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Anmerkungen
(1) Das Saarland war zu Beginn des Jahres 1947, als die Marken der SAAR I verausgabt wurden,
seit Februar 1946 nicht mehr dem Alliierten Kontrollrat, der obersten Besatzungsbehörde für das besetzte Deutsche Reich unterstellt
im April/Oktober 1946 mit Billigung der Westalliierten aus der Französischen Besatzungszone ausgegliedert worden
seit Dezember 1946 Teil des französischen Zollgebietes
de facto und de iure von Frankreich annektiert (die Annexion wurde mit der Souveränität des Saarlandes Ende 1947 und die darauf aufbauenden bilateralen Verträge zwischen dem Saarland und Frankreich aufgehoben)
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Wie ihr wisst, beobachte ich den Markt rund um die Marken der SAAR I, der Originalausgabe der Freimarkenserie Berufe und Ansichten aus dem Saarland, sehr genau. Spoiler-Alarm: Dieser Beitrag benötigt mehr als 5 Minuten Lesezeit, weist darüber hinaus einige Bilder auf und ist spannend!
Neulich „stolperte“ ich über ein Angebot eines unperforierten (geschnittenen) Exemplars des 75 Pfennig-Werts mit der selteneren WasserzeichenorientierungF, also fallend. Solche Marken werden immer wieder einmal auf dem Markt angeboten. Es war jedoch nicht die Marke selbst, welche meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war der Text des zugehörigen Befunds. Ausgestellt 2015 durch den aktuellen Vereinsvorsitzenden des BPP, Christian Geigle. Dieser ist hauptberuflich Briefmarkenhändler. Meines Erachtens eine Interessenskollision, aber bekanntlich bei Briefmarken-Prüfern weit verbreitet. Doch um dieses Thema wird es hier nicht gehen.
Nachfolgend die Abbildung des der Befunds. Von Interesse ist allein die Vermutung des Prüfers zur Herkunft des Prüfstücks.
Es stammt aus Andruckbogen mit Druckzylinder, der vermutlich wegen Qualitätsmängeln beim endgültigen Auflagendruck durch einen neu angefertigten Druckzylinder ersetzt wurde.
Bei diesem Satz ging mir sofort durch den Kopf: „Wieso hat Christian Geigle diese Vermutung – der Prüfer selbst schreibt „vermutlich“ – in einen offiziellen Befund aufgenommen? Welche Quellen liegen ihm hinsichtlich der Formzylinder vor?“ „Anhand welcher Merkmale des Prüfstücks konnte er den Unterschied zwischen 222 X U und 222 X P bestimmen?“
Und als nächstes: „Welchen Nutzen hat eine schriftlich festgehaltene Vermutung des Prüfers für den Auftraggeber?“ „Oder gab es nur einen Nutzen für den Prüfer?“
Ich bin kein Detektiv oder Kriminalkommissar. D0ch eines weiss ich durch die langjährige Beschäftigung mit der Ausgabe SAAR I: Die Produktionsunterlagen sind im Archiv des Burda-Verlags entweder tatsächlich nicht mehr vorhanden oder werden Rechercheuren als nicht mehr vorhanden deklariert. Item: Meine Neugierde war jetzt geweckt. Ich beschloss, finanziell tief in die Tasche zu greifen und erwarb nicht bloss dieses Stück, sondern bei einem anderen Händler ein unperforiertes waagerechtes Pärchen dazu.
Hier die Abbildungen (jeweils Vorder- und Rückseite), zuerst die Mi. 222 X P und dann das waagerechtes Pärchen Mi. 222 X U:
Es ist offensichtlich, diese Marken haben schon 75 Jahre „auf dem Buckel“. Die Wasserzeichenorientierung ist jeweils F, also fallend. Beide Exemplare sind unperforiert.
Wo ist nun der Unterschied zwischen den beiden Varianten P und U? Wo der Unterschied zu ganz normalen Exemplaren des 75 Pfennig-Werts mit WasserzeichenorientierungF oder S? Wir wissen, das verwendete Papier hatte keinen Einfluss auf das Druckbild.
Ihr wollt nun sicherlich wissen, was mich gerade umtreibt, richtig? Versetzt euch in die Zeit kurz nach dem 2. Weltkrieg in Deutschland. Alles ist Mangelware. Wenn ich schreibe Alles, dann meine ich Alles. Alles ausser Hoffnung und Hunger. Es ist für mich unvorstellbar, dass nach den bereits erfolgten Probedrucken für das Gut zum Druck die bereits manuell geätzte Ballardhaut (Kupferbeschichtung) eines kompletten Formzylinders mal so einfach verworfen wurde. Dass der stählerne Zylinder zurück ans Werk geschickt wurde mit dem Vermerk: „Bitte neu beschichten!“ Die Druckerei Franz Burda in Offenburg selbst war zu einer Galvanisierung von Formzylindern nicht eingerichtet.
Andererseits ist zu bedenken: Es geht um den ersten Wert der SAAR I, der gedruckt wird. Es ist darüber hinaus die allererste Briefmarke, welche die Druckerei Franz Burda herstellt. Ein Prestige-Projekt. Viel hängt von dem Gelingen dieses Drucks ab. Nicht bloss – wie wir aus der Rückschau wissen – der Auftrag für die lukrativen Länderausgaben der Französischen Zone. Fehler können – gerade zu Beginn eines Projekts – vorkommen.
Dennoch: Einen aufwendig manuell geätzten Formzylinder neu beschichten zu lassen, da muss ein Probedruck schon von den Auftraggebern, also Raymond Croze von der P.T.T. und Raymond Schmittlein wegen gröberer Qualitäts-Mängel abgelehnt worden sein. Hierbei ist zu bedenken, dass die 75 Pf.-Marke die Beförderungsgebühr für Auslandsbriefe abdecken soll. Also geht es den französischen Behörden ebenfalls ums Prestige.
Noch etwas macht mich in diesem Zusammenhang stutzig. Der MICHEL DSK 1996 (1) führt bei der SAAR I keine Probedrucke auf. Dafür einige Werte mit der Unternummer U = unperforiert (geschnitten). Im MICHEL Saar-Spezial-Katalog 2002 (2) sind dann neben den unperforierten Werten auch die Mi. 211, 212, 224 sowie 225 als Probedrucke (allesamt ohne Bewertung) aufgeführt. Dies bleibt im MICHEL Handbuch-Katalog Saar 2003 (3) und 2004 (4) nahezu unverändert. Der MICHEL DSK 2013 (5) katalogisiert zwar diverse ungezähnte Probedrucke auf „ungummierten Kartonpapier“, aber keinen Probedruck der Mi. 222 X/Y auf gummiertem Wasserzeichenpapier. Die Mi. 222 X P taucht im MICHEL DSK 2014 (6) und im Michel Saar-Spezial 2017 (7) auf. Bis heute als einziger mit einer Bewertung von ** € 250 resp. aktuell ** € 200 (8).
Was wissen wir? Probedrucke, oder Essays wurden meiner Kenntnis nach nicht in Bogenform hergestellt, sondern sahen eher so aus:
Früher Probedruck in der Farbe Orange. Beachte: Der 24 Pfennig-Wert zeigt das Bildmotiv „Bäuerinnen bei der Feldernte“. Das Bildmotiv „Stahlwerker beim Abstich eines Hochofens“ ist nicht vertreten.
Ein Ministerblock des 75 Pf.-Werts liegt mir genauso vor, wie eine Probedruck in der Farbe Blau. Beide wurden auf Kartonpapier ausgeführt, nicht auf Papier mit Wasserzeichen.
Die MICHEL-Kataloge schreiben bei den Probedrucken (Klb), also Kleinbogen. Es wurde Normal- resp. Kartonpapier verwendet, kein Wasserzeichenpapier. Wofür auch? Wasserzeichenpapier war rar und für die ersten, insbesondere für das Ausland bestimmten Werte (45 Pfennig Auslandspostkarte, 75 Pfennig Auslandsbrief; beide Gebührentarife gültig bis Mitte September 1947) vorgesehen. Der Druck der Probedrucke auf Normalpapier resp. Kartonpapier ist ebenfalls in den MICHEL-Katalogen festgehalten. Probedrucke wiesen darüber hinaus unten links – da waren die französischen Kontrolleure nicht ohne Grund paranoid – einen Aufdruck ungültig auf! Dies wurde mir u.a. von Dr. Ulrich Fingerhut, dem stv. Vorsitzenden der ArGe SAAR, bestätigt. Einen Aufdruck ungültig kann ich auf dem testierten Exemplar nicht erkennen.
Meine Vermutung:
bei der mir vorliegenden Mi. 222 X P handelt es sich u.U. um einen Probedruck
aber das Exemplar stammt von demselben Formzylinder wir der Rest der Auflage
Wie kann ich meine Vermutung belegen? Im Gegensatz zu Christian Geigle, der testiert ohne zu erklären, muss ich meine Ergebnisse belegen. Daher werde ich in den kommenden Wochen dieses Exemplar:
genau vermessen
mit allen Bogenfeldern (A- wie B-Bogen) unter dem Stereo-Mikroskop vergleichen
mit allen Bogenfeldern digitaloptisch vergleichen
mein Netzwerk an befreundeten Sammlern um Bestätigung meiner Ergebnisse bitten
Sollten sich bei dieser Überprüfung identische Feldmerkmale finden und eine Feldzuordnung zu einem „regulären“ Bogenfeld zweifelsfrei möglich sein, wäre Christian Geigles Vermutung, die Herstellung wäre mittels eines vor Druckbeginn der Auflage vernichteten Formzylinders erfolgt, widerlegt (9). Ein weiterer Anreiz dieser Forschungsanstrengung ist selbstverständlich: Herauszufinden, was genau den Unterschied zwischen einer 222 X U und eine 222 X P ausmacht.
Da meine Frau und ich aktuell grenzüberschreitend umziehen, wird das Ergebnis meiner Untersuchungen einige Zeit auf sich warten lassen. Die wertvollen Analysegeräte sind wohl verpackt und warten in unserem alten Heim auf den Spediteur, während ich im neuen Heim bereits blogge. Es bleibt spannend.
Bis dann
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Anmerkungen
(1) MICHEL Deutschland-Spezial 1996, S. 539f
(2) MICHEL Saar-Spezial-Katalog 2002, S. 65
(3) MICHEL Handbuch-Katalog Saar 2003, S. 67
(4) MICHEL Handbuch-Katalog Saar 2004, S. 67
(5) MICHEL Deutschland-Spezial-Katalog 2013, Bd. 2, S. 765
(6) MICHEL Deutschland-Spezial-Katalog 2014, Bd. 2, S. 769
(7) MICHEL Saar-Spezial 2017, S. 90
(8) MICHEL Deutschland-Spezial-Katalog 2020, Bd. 2, S. 773
(9) Bei dem 1947 üblicherweise für die Herstellung von Formzylindern verwendete manuelle Ätzverfahren lässt die Herstellung eines identischen Klons nicht zu. Selbst dann nicht, wenn dieselbe Diapositivvorlage verwendet wird. Vgl. hierzu: Handbuch Feldmerkmale SAAR I, S. 39ff und 2338ff
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