Verstümmelte Schalterbogen

Hallo

Auf Auktionen sehe ich häufig Schalterbogen der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, bei welchen die Bogennummer sauber mit der Schere entfernt wurde. Einige Exemplare dieser verstümmelten Schalterbogen befinden sich auch in meiner Sammlung Montclair.

Schalterbogen A ????? vom 14.11.1947 der 60 Pf./ 14 F MBD II

Ich verstehe grundsätzlich nicht, weshalb komplette Schalterbogen zerschnitten werden. Ich kann es nachvollziehen, wenn die linke untere (Bogennummer) oder die rechte untere (Datum des Bogenranddrucks) Bogenecke inkl. 4 resp. 6 Marken fehlen.

Der Sinn des Ausschneidens der Bogennummer ohne den Schalterbogen ansonsten zu beschädigen erschliesst sich mir nicht. Liegt jemandem von euch ebenfalls ein verstümmelter Schalterbogen vor? Oder weiss jemand von euch, was der Grund für diese Verstümmelung ist? Dann nehmt bitte mit mir Kontakt auf. Danke

KONTAKT

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Postscriptum vom 27. Februar 2024

Ralf-Martin Müller erklärt die Scherenschnitte mit einer offiziellen Anweisung, bei Restbeständen die Bogennummern zu entfernen. Die Bogen waren wahrscheinlich nicht an den Postschaltern, da diese keine handschriftlichen Zählnummern oben rechts auf den Bogen tragen. Vor einigen Jahren sei ein grosser Posten verkauft worden.

Die fehlenden Zählnummern lassen darauf schliessen, dass diese Schalterbogen wahrscheinlich zum Bestand der Wertzeichenverteilstelle der P.T.T. Saarbrücken gehörten.

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Interessantes Stempeldatum

Hallo

Das Auktionshaus Peter Klüttermann bietet bei der 7. Online-Auktion vom 25. Januar bis 2. Februar 2024 einen interessanten Beleg an.

Wertbrief MeF 24 Pfennig; abgeschlagen Neunkirchen (Saar) 20.3.46

Das Datum der Abschläge des Postamts Neunkirchen (Saar) fällt sofort ins Auge: 20. März 1946. Erstausgabe des 24 Pfennig-Werts der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar war jedoch am 4. Februar 1947.

Der Brief ist in Mehrfachfrankatur mit 168 Pfennig portogerecht freigemacht.

    • 48 Pfennig für einen Fernbrief der 2. Gewichtsstufe bis 250 Gramm
    • 20 Pfennig für Wertbrief
    • 100 Pfennig Behandlungsgebühr bis 500 Mark

Die Vermutung liegt nahe, dass der Stempel falsch eingestellt worden ist. Meine Nachfrage bei Peter Klüttermann ergab, dass der Ankunftstempel Lauterecken vom 22. März 1947 datiert. Aufgrund meines Hinweises hat Peter Klüttermann die Beschreibung des Loses angepasst und eine Abbildung der Umschlagrückseite mit dem Ankunftstempel Lauterecken hinzugefügt.

Bis dann

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Malstatt-Burbacher Handelsdruckerei

Hallo

In diesem Beitrag erhaltet ihr Informationen zur Malstatt-Burbacher Handelsdruckerei. Diese Druckerei ist für die Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar deshalb von Bedeutung, als hier auf einem Heidelberger Automaten im Buchdruck die Überdrucke der 1. und 2. Ausgabe in Frankenwährung vorgenommen wurden.

1F/10 Pfennig Überdruck auf Neuausgabe (MBD II)

Der Überdruck erfolgte unter erheblichem Zeitdruck, weshalb es zu vielen – teils kuriosen und heute gesuchten – Aufdruckfehlern kam.

2F/12 Pfennig WZ F kopfstehender Überdruck auf Originalausgabe (Urdruck)

Wer von euch mehr von diesen Kuriositäten sehen möchte, welche durchaus postalisch verwendet wurden, kann sich bereits heute auf die Ausgabe meines Buchs über die Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar freuen.

Die Malstatt-Burbacher Handelsdruckerei hatte bereits zur Zeit des Völkerbundmandats Aufträge der Regierungskommission des Saargebiets erhalten, so unter anderem den Druck der Reisepässe.

Quelle

Im Fall des Überdrucks der Schalterbogen der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar war äusserste Diskretion wichtig, weshalb die Wahl auf diese Druckerei fiel.

Die Malstatt-Burbacher Handelsdruckerei war nach meinen Recherchen bis 1982 in Betrieb. Die Domiziladresse lautete:

    • Malstatt-Burbacher Handelsdruckerei G.m.b.H., Parallelstrasse 34/35, Saarbrücken 5
    • Imprimerie commerciale de Malstatt-Burbach S.A.R.L., 34/35 Parallelstrasse, Saarebruck 5
Firmenumschlag (deutsch) aus der Zeit des Völkerbundsmandats
Firmenumschlag (französisch) aus der Zeit des Völkerbundsmandats

Bis dann

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Sammlung Montclair – Neuzugang (VI)

Hallo

In dem Beitrag vom 6. November 2023 habe ich drei Ersttagsbelege des Lieutenant Gérig vorgestellt. Dieser Beitrag stellt zwei Letzttagsbelege der Überdruckausgabe der Freimarkenserie Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar vor. Die Belege wurden zwar ebenfalls von einem Philatelisten erstellt, in diesen Fällen sind die Briefe jedoch durch die Saarpost befördert worden.

portogerecht frankierter Wertbrief über 1000 Franken vom 31. Mai 1948, gelaufen von Friedrichsthal nach Sulzbach; Letzttagsbeleg der Marken 10 cent./2 Pf, 5F/20 Pf, 6F/24 Pf und 9F/30 Pf; Mischfrankatur mit Marken der 1. Briefmarkenausgabe des autonomen Saarlands
Umschlagrückseite mit Absenderstempel, Wachssiegeln und Ankunftsstempel Sulzbach (Saar) c vom 1. Juni 1948
portogerecht frankierter Wertbrief über 8000 Franken vom 31. Mai 1948, gelaufen von Friedrichsthal nach Sulzbach; Letzttagsbeleg der Marken 1F/10 Pf, 5F/20 Pf und 20F/84 Pf; Mischfrankatur mit Marken der 1. Briefmarkenausgabe des autonomen Saarlands
Umschlagrückseite mit Absenderstempel, Wachssiegeln und Ankunftsstempel Sulzbach (Saar) c vom 1. Juni 1948

Die beiden Wertbriefe wurden gemeinsam auf dem Postamt aufgegeben. Interessant: Das fehlende Stück des Wertbrief-Aufklebers (V-Zettel) des ersten Briefes hängt am Aufkleber des zweiten Briefes.

Absender beider Wertbriefe ist Richard Metzger, Inhaber der Firma Ingenieur Richard Metzger Stahl- und Maschinenbau in Altenwald, an welche beide Briefe adressiert sind. Eine Recherche beim Stadtarchiv Sulzbach ergab, dass die Firma bis in die 1980er-Jahre existierte. Inhaber waren Richard Eduard und Richard Hans Ludwig Metzger. Wer von den beiden der Philatelist war, ist mir nicht bekannt. Hat jemand weitere Informationen zur Firma und den beiden Richard Metzger? Bitte verwendet das Kontaktformular.

Zur Aufschlüsselung des Portos

1. Portoperiode des autonomen Saarlandes 20. November 1947-21. September 1948

    • 6 Franken Briefgebühr 1. Gewichtsstufe bis 20 Gramm
    • 14 Franken Einschreibgebühr
    • 15 Franken Versicherungsgebühr bis 1000 Franken
    • 1 Franken Versicherungsgebühr je weitere 1000 Franken

Daraus ergeben sich Porti von gesamt 35 Franken für den ersten und 42 Franken für den zweiten Wertbrief.

Bis dann

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Sammlung Montclair – Neuzugang (V)

Hallo

Einen sehr spannenden Neuzugang meiner Sammlung Montclair stelle ich in diesem Beitrag vor.

Mein Freund Peter Falz machte mich vor einiger Zeit auf einen Posten Bogenmaterial der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar aufmerksam. Er würde auf dieses Los bis zu einem bestimmten Betrag bieten. Ich sah mir die Losbeschreibung und die Bilder des Angebotes an. Ein Bogen der 12 Pfennig weckte mein Interesse. Ich bot Peter an, mich an seinem Gebot finanziell zu beteiligen, dafür würde ich diesen einen Bogen erhalten. Da dieser Bogen Peter nicht interessierte, willigte er in diesen Deal ein. Eine klassische Win-Win-Situation.

12 Pfennig Bogen A 07717 (WZ S = steigende Wellenlinien) vom 9. Januar 1947

Peter erhielt den Zuschlag. Leider war der Verkäufer beim Verpacken nicht ganz bei der Sache und unvorsichtig. Beim Zurechtschneiden des Verpackungsmaterials zerschnitt er auch gleich den abgebildeten 12 Pfennig-Bogen. „Messer, Gabel, Schere, Licht … ist für trottelige Verkäufer nicht!“, sage ich da nur. Die Schnittränder der Schere sind bei genauem Hinsehen am linken Bogenrand in der ersten Markenreihe gut zu erkennen; der untere Bogenrand ist bei dem Massaker glücklicherweise unversehrt geblieben. Der Verkäufer hat Peter und dieser mich über das Malheur informiert. Ich habe den Bogen dennoch genommen und in meine Sammlung eingebaut. Die Frage ist nun: Warum? Was ist an diesem Bogen so interessant, dass dieser trotz seiner massiven Beschädigung eine wichtige Bereicherung für meine Sammlung Montclair darstellt?

Dazu muss ich etwas ausholen. Der Druck von Bogennummern und Druckdatum wurde auf einer Buchdruck-Schnellpresse Typ Rex vorgenommen. Die Nummerierwerke für A- resp. B-Bogen zählten ab einem frei einstellbaren Wert rückwärts. Ergo: Hohe Bogennummern weisen i.d.R. auf einen frühen Drucktag, niedrige Bogennummern immer auf einen späten Drucktag hin. Bitte im Hinterkopf behalten. Wir unterscheiden gemäss Handbuch Feldmerkmale SAAR I (S. 50 ff) drei verschiedene Typen (1):

Typ I, 5-stellig ohne vorauslaufende Nullen, verwendet vom 27.-30. Dezember 1946, ausschliesslich 75 Pfennig-Wert.

Bogennummer A 416 Typ I
Bogennumer A 10455 Typ I

Typ IIa, 5-stellig mit vorauslaufenden Nullen, verwendet für alle Markenbogen ausser 75 Pfennig und 45 Pfennig

Bogennummer B 00091 Typ IIa

Typ IIb, 4-stellig mit vorauslaufenden Nullen, verwendet ausschliesslich am 13. Januar 1947 für die Bogen des 45 Pfennig-Werts

Bogennummer A 0092 Typ IIb

Die Bogennummern konnten somit auf dem Nummerierwerken schnell und individuell eingestellt werden. Das sollten wir für des Rätsels Lösung ebenfalls im Hinterkopf behalten. Bei dem vorgestellen Bogen haben wir es mit einer Bogennummer vom Typ IIa zu tun, also nichts besonderes.

Dieses schnelle und individuelle Ändern galt nicht für das Druckdatum. Die Druckdaten wurden für jeden neuen Tag, an welchem der Bogenranddruck vorgenommen wurde, neu gesetzt und zwar als gegossener Stempel, der in die Buchdruck-Schnellpresse Typ Rex eingesetzt wurde. Woher wissen wir das? Auch bei den Druckdaten unterscheiden wir verschiedene Typen (vgl. Handbuch S. 45ff). Wir konzentrieren in diesem Beitrag auf die beiden Typen IIIa und IIIb (2).

Typ IIIa, «Gedruckt am 16, Februar 1947», Antiquaschrift ohne Doppelpunkt nach «am» und
 mit Komma nach «16», ausschliesslich 8 Pfennig-Wert (A- wie B-Bogen)

Druckdatum Typ IIIa mit Komma

Typ IIIb, «Gedruckt am 16. Februar 1947» resp.
 «Gedruckt am 17. Februar 1947», Antiquaschrift ohne Doppelpunkt nach «am» und
 mit retuschiertem Komma nach «16» resp. «17», verwendet bei Bogen des 8 resp. 80 Pfennig-Werts.

Druckdatum 16. Februar 1947 Typ IIIb mit retuschiertem Komma
Druckdatum 17. Februar 1947 Typ IIIb mit retuschiertem Komma

Anhand dieses Vorfalls wissen wir, es war mit weniger Aufwand verbunden, einen Setzfehler zu retuschieren, als das gesamte Datum neu zu setzen.

An dieser Stelle weise ich auf ein weit verbreitetes Missverständnis hin. Die Druckdaten spiegeln bei den Ausgaben der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar nicht das Datum der Herstellung des entsprechenden Markenbogens wider, sondern geben nur das Datum des Bogenranddrucks an. Das Datum des Bogenranddrucks stimmt in einigen Fällen mit dem Datum des Bogendrucks überein, jedoch nicht in allen Fällen. Was bedeutet das? Beispiel: Auf den bekannten Bogen und Bogenteilen des 45 Pfennig-Werts steht immer «Gedruckt am: 13. Januar 1947». Daraus können wir nicht schliessen, dass alle 5’500 Druckbogen des 45 Pfennig-Werts am Montag, 13. Januar 1947 hergestellt wurden. Es ist durchaus möglich, dass der Andruck bereits am Samstag, 11. Januar 1947 begann (der Sonntag war bei der Druckerei Franz Burda im Januar 1947 kein Drucktag). Es ist aber belegt, dass der gesamte Bogenranddruck am 13. Januar 1947 erfolgte.

Am letzten Tag des Bogenranddrucks wurden i.d.R. bei der letzten Sichtkontrolle und Registratur unbrauchbare Bogen ausgewechselt. Bei überzähligen Bogen, welche bereits einen Bogenranddruck aufwiesen und einen unbrauchbaren (extrem verschobene Perforation, gefaltetes Papier usw.) Bogen ersetzen sollten, wurde häufig die eigene Bogennummer überbalkt und die Bogennummer des zu ersetzenden Bogens maschinell oder handschriftlich hinzugefügt. Hier ein Beispiel mit maschinell korrigierter Bogennummer. Der Bogen A 06591 ersetzt den unbrauchbaren Bogen A 05195.

So, jetzt wird es spannend. Der eingangs gezeigte 12 Pfennig-Bogen hat die Bogennummer A 07717 (Typ IIa) und weist das Druckdatum 9. Januar 1947 auf.

Für den Bogenranddruck des 12 Pfennig-Werts sind nach derzeitigem Wisssensstand die nachstehenden Daten bekannt:

    • 30. Dezember 1946
    • 31. Dezember 1946
    • 2. Januar 1947
    • 3. Januar 1947
    • 4. Januar 1947
    • 7. Januar 1947
    • 8. Januar 1947
    • 9. Januar 1947

Der 1. Januar 1947 war ein Feiertag, der 5. Januar ein Sonntag und der 6. Januar wieder ein Feiertag. Anhand von Vergleichsbögen wissen wir, dass der Bogenranddruck für zuvor hergestellen Bogen, welche die Bogennummern um 07700 erhalten sollten, am 7. Januar 1947 erfolgte. Offenbar wurde der originale Bogen 07717 am 9. Januar 1947 bei der Endkontrolle und Registratur als unbrauchbar aussortiert. Dafür wurde ein überzähliger Druckbogen – für solche Fälle wurde eine Druckreserve gehalten und in einigen nachgewiesenen Fällen sogar zur Erweiterung der Auflage verwendet – ohne Bogenranddruck in die Buchdruck-Schnellpresse Typ Rex eingelegt und mit der notwendigen Bogennummer versehen. Das Datum 9. Januar 1947 konnte im Gegensatz zur Bogennummer nicht einfach so gewechselt werden und blieb. Im konkreten Fall wissen wir aufgrund der auf dem Bogen vorhanden/nicht vorhandenen Feldmerkmale sogar, dass dieser Bogen am oder nach dem 4. Januar 1947 gedruckt wurde (Unterscheidung in frühe und späte Druckperiode beim 12 Pfennig-Wert; vgl. Handbuch, S. 710ff resp. Deutsche Briefmarken-Revue 6/2022, S. 30ff).

Fazit: Dieser Schalterbogen A 07717 des 12 Pfennig-Werts ist besonders, da dieser die Verwendung überzähliger, nicht bereits mit einem Bogenranddruck versehener Bogen der Druckreserve für die Auswechslung von unbrauchbaren Bogen am letzten Tag des Bogenranddrucks belegt.

Bis dann

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(1) Handbuch Feldmerkmale SAAR I, Fehraltorf 2021 Bestellung

(2) ebenso beschrieben in Deutsche Briefmarken-Revue 4/2022, S. 29ff sowie insbesondere Deutsche Briefmarken-Revue 6/2023, S. 34f

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Sammlung Montclair – Neuzugang (I)

Hallo

Ich habe im April 2023 meine Sammlung von Saarbriefmarken umstrukturiert. Seitdem konzentriere ich mich ausschliesslich auf die 59 Marken der Freimarkenserie Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar (BuS, Originalausgabe, Neuausgabe, Überdruckausgabe). Die Sammlung umfasst Einzelmarken, Bogenmaterial, Belege, Probedrucke sowie Literatur. Dazu kommen Marken und Ganzsachen anderer Perioden, soweit diese Bezug zu den Bildmotiven der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar haben.

Meine Sammlung trägt den Namen Montclair, nach der Burgruine auf dem Hügelrücken oberhalb der grossen Saarschleife bei Orscholz.

Im Sommer bin ich gerne draussen, bin mit Velo und WoMo unterwegs. Die Pflege meiner Sammlung bleibt – bis auf Recherchen vor Ort, wie im Juni dieses Jahres in Saarlouis – den Monaten November bis März vorbehalten. Dennoch haben sich in den vergangenen Monaten einige Gelegenheiten ergeben, meine Sammlung um einige schöne Stücke zu erweitern. Diese Neuzugänge werde ich in loser Folge in meinem Blog vorstellen.

Ich beginne mit einem Beitrag zu dem abgebildeten Farb-Probedruck.

Farbprobe karminrosa mit 5 Bildmotiven

Farbproben gibt es meines Wissens nach in zwei Varianten: einerseits mit drei kleinformatigen Bildmotiven und andererseits (vgl. Abbildung) mit drei kleinformatigen sowie zwei grossformatigen Bildmotiven. Letztere kenne ich in den Farben:

    • Karminrosa
    • Grau
    • Blau
    • Dunkelgrün
    • Orange.

Ich erachte es als wahrscheinlich, dass Exemplare in anderen Farben existieren. Diese Farbproben sind definitiv keine Einzelstücke. In der 57. Christoph Gärtner-Auktion wurden drei Exemplare in den Farben Grau (Los 6612), Blau (Los 6613) und Dunkelgrün (Los 6611) angeboten; Exemplare in exakt diesen Farben sind bereits Teil meiner Sammlung Montclair.

Die abgebildete Farbprobe ist in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.

Die Farbprobe umfasst bloss fünf der sechs Bildmotive; das Bildmotiv Stahlwerker beim Hochofenabstich fehlt. Dieses Bildmotiv wurde wahrscheinlich erst im Dezember 1946 hinzugefügt. Die Gestaltung des Bildmotivs Stahlwerker unterscheidet sich dann auch von den anderen Berufen, Bergmann und Bäuerin (Landwirtschaft). Diese Bildmotive sind in Vordergrund und Hintergrund unterteilt, beim Bildmotiv Stahlwerker ist ausschliesslich eine Szene bei einem Hochofen abgebildet. Den 24 Pfennig-Wert, welcher schlussendlich das Bildmotiv Stahlwerker trägt, ziert bei der Farbprobe noch das Bildmotiv Bäuerin. Schauen wir genauer hin, hat die stehende Bäuerin einen Buckel, der im endgültigen Bildmotiv entfernt wurde.

Bildmotiv Bäuerinnen bei der Rübenernte: stehende Bäuerin mit „Buckel“

Die 1 der Wertangabe 12 beim Bildmotiv Bergmann ist spitz. Dadurch wissen wir, dass das Reihenmerkmal des 12 Pfennig-Werts, 1 der Wertangabe 12 stumpf (vgl. DBR 6/2022), so nicht vorgesehen war.

Das S von SAAR beim 75 Pfennig-Wert mit dem Bildmotiv Alter Turm weist eine gut sichtbare Retusche auf.

Bildmotiv Alter Turm in Mettlach, S von SAAR mit Retusche

Die kleinformatigen Bildmotive sind unten links mit Ungültig! und rechts unten mit V.K.JONYNAS beschriftet. Der 84 Pfennig-Wert trägt nur den Schriftzug V.K.JONYNAS wogegen der 1 Mark-Wert keine Beschriftung aufweist.

Der Farbton Rosakarmin wurde schlussendlich für die Marken der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar nicht verwendet. Ähnliche Farbtöne jedoch schon: Orientrot beim 20 Pfennig-Wert und Magenta beim 25 Pfennig-Wert.

Abschliessend weise ich darauf  hin, dass in der mir bekannten Literatur (inkl. MICHEL) nur in meiner 20-teiligen DBR-Beitragsserie zu den Feldmerkmalen der Originalausgabe der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar diese Farbproben in Wort und Bild erwähnt werden (vgl. Deutsche Briefmarken-Revue 01/2022-08/2023).

Bis dann

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Interessante Ministerblocks (II)

Hallo

In diesem Beitrag hatte ich euch zwei Ministerblocks der 2. Offenburger Ausgabe (BuS II) vorgestellt. Inzwischen habe ich weitere drei Ministerblocks dieser Ausgabe erwerben können.

Die inzwischen von VPEV wie BPP bestätigte „Entdeckung“ von Ministerblocks der 2. Offenburger Ausgabe, deren Bedeutung sowie die sich hieraus ergebenden Fragestellungen habe ich in einem reich illustrierten Artikel für die Deutsche Briefmarken-Revue festgehalten. Dieser Artikel erscheint voraussichtlich pünktlich zu Weihnachten im Heft 1/2023.

Ich bitte euch bis dahin um Geduld.

Bis dann

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Interessante Ministerblocks (I)

Hallo

Heute stelle ich euch zwei Ministerblocks aus meiner Sammlung vor. Angeboten wurden mir diese Ministerblocks als MiNr. 212 M und MiNr. 213 M. Die zugehörigen Marken wären der 15- wie 16 Pfennig-Wert der 1. Offenburger Ausgabe (SAAR I).

Bei genauerem Hinsehen stellt sich jedoch heraus, dass es die Ministerblocks des 15- resp. 16 Pfennig-Werts der 2. Offenburger Ausgabe handelt. Die 1 der Wertangabe 15 resp. 16 hat bei der 1. Offenburger Ausgabe keinen Querstrich am Fuss.  Die 2. Offenburger Ausgabe dagegen hat diesen Querstrich, wie auch die auf den Ministerblocks abgebildeten Marken.

Zum Vergleich zeigen die folgenden Abbildungen die beiden Ministerblocks sowie jeweils ein Exemplar der 1. wie der 2. Offenburger Ausgabe.

Die 13 Werte der 2. Offenburger Ausgabe gelangten im November/Dezember 1947 mit Überdruck in Frankenwährung im Rahmen der Malstatt-Burbacher Überdruckausgabe (MBD II, auch SAAR II) an die saarländischen Postschalter. Die Werte zu 15, 16 und 24 Pfennig waren jedoch bereits im Oktober 1947, einen Monat vor der Währungsumstellung, gedruckt und nach Saarbrücken versandt worden. Diese drei Werte (1) wurden im Oktober regulär verausgabt und an einigen saarländischen Postämtern verkauft.

In den MICHEL®-Katalogen werden zwar die Ministerblocks der 1. Offenburger Ausgabe (SAAR I) aufgeführt (2), jedoch nicht jene der 2. Offenburger Ausgabe. Ohnehin findet sich zu dieser Ausgabe ausser den Bewertungen für MiNr. 226-238 II fA nicht viele Angaben. Früher katalogisierte der MICHEL® die 2. Offenburger Ausgabe als MiNr. 206-225 II. Schade, wurde diese Katalogisierung gestrichen. Der Sammler muss nun auf andere Kataloge ausweichen.

Nun ist es ja nicht so, dass ich die einzigen Exemplare dieser Ministerblöcke besitze. Das Auktionshaus Christoph Gärtner bot im Rahmen eines Konvoluts aus Ministerblocks der 1./2. Offenburger Ausgabe ebenfalls die Ministerblocks des 15 Pfennig- wie des 16 Pfennig-Werts an (52. Auktion, Los 10709 / 53. Auktion Los 4473). Ich war nicht erstaunt, dass bei beiden Auktionen kein Sammler bereit war, für dieses Konvolut die ausgelobten €6’000 zzgl. Aufgeld zu bezahlen. Weiterhin waren im August bei Waigand Sammlerwelt zwei Ministerblocks der 2. Offenburger Ausgabe im Sortiment. Eine schriftliche Anfrage bei MICHEL®-Redaktion mit Kopie an den Prüfer Christian Geigle hinsichtlich Aufnahme der Ministerblocks der 2. Offenburger Ausgabe in den MICHEL® DSK unter Angabe einer Bewertung ist seit vier Wochen ohne Reaktion. Ich habe für diese lange Bearbeitungszeit selbstverständlich vollstes Verständnis! In Bayern waren Sommerferien und danach liefen sicherlich bereits die Vorbereitungen auf das übermorgen beginnende Oktoberfest auf Hochtouren. Da werden die bayerischen Spezln dann wohl zusammen beim Bier sitzen. Na denn Prost.

Ich werde die Ministerblocks der 2. Offenburger Ausgabe im Handbuch Feldmerkmale SAAR I, 2. Auflage, aufnehmen und bewerten.

Bis dann

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Anmerkungen

(1) Die Aussage im MICHEL® DSK, resp. im MICHEL® Saar Spezial

Nur MiNr. 229 II fA, 230 II fA und 233 II fA wurden an einigen Postämtern abgegeben […]

ist nicht korrekt. Richtig sollte es heissen: Nur MiNr. 230 II fA (15 Pfennig, 2. Ausgabe), 231 II fA (16 Pfennig, 2. Ausgabe) und 233 II fA (24 Pfennig, 2. Ausgabe) wurden verausgabt und an einigen Postämtern verkauft.

(2) bspw. MICHEL® DSK 2020, S. 773

2. BEITRAG

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Beleg mit Mischfrankatur

Hallo

Die französische Militärregierung in Baden-Baden schloss aufgrund einer Anweisung der politischen Abteilung des Quai d’Orsay (frz. Aussenministerium) mit Anordnung Nr. 8 vom 18. Juli 1946 mehrere Gemeinden der Verwaltung des Saarlandes (in den Grenzen des Saargebietes) an. Diese Gemeinden gehörten zu den Kreisen Saarburg, Trier-Land, Wadern und Birkenfeld. Der Kreis Saarburg blieb erhalten und wurde um einige Gemeinden Von Trier-Land erweitert. Die Birkenfelder Gemeinden wurden dem Kreis St. Wendel zugeordnet und der Landkries Wadern mit dem Kreis Merzig zum heute noch bestehenden Kreis Merzig-Wadern zusammengeschlossen.
Damit hatte Gilbert Grandval, der Paris direkt unterstellte französische Gouverneur für das Saarland einen wichtigen Schritt hin zur wirtschaftlichen Unabhängigkeit des Saar-Reviers geleistet. Die industriellen Kernzonen um Saarbrücken, Völklingen, Dillingen usw. hatten nun zur Versorgung der Arbeiter in den Hüttenwerken und Kohlen-Gruben agrarisches Umland erhalten.
Die Alliierten stimmten auf der Aussenministerkonferenz vom Dezember 1946 in New York der wirtschaftlichen Angliederung des Saarlandes an Frankreich zu. Doch Frankreich musste sich entscheiden: entweder auf Reparationsforderungen gegenüber dem besiegten Deutschen Reich verzichten, oder das Saarland etwas verkleinern.
Mit Verfügung Nr. 93 vom 6. Juni 1947 wurde daher 61 Gemeinden des Kreises Saarburg aus dem Saarland ausgegliedert und dem Land Rheinpfalz angeschlossen 20 Gemeinden des Kreises Saarburg verblieben beim Saarland und wurden dem Kreis Merzig-Wadern zugeordnet.
Im Gegenzug zu den Gebietsverlusten im Nordwesten wurden 13 weitere Gemeinden aus den Landkreisen Kusel sowie Birkenfeld in das Saarland eingegliedert und dem Landkreis St. Wendel zugeordnet.
Bis auf einen kleinen Gebietszuwachs am 23. April 1949 waren damit die Grenzen des seit Januar 1947 von der französischen Regierung geplanten autonomen Saarstaats festgelegt.
Postalisch hatte diese Gebietsneuordnung mehrere Auswirkungen. Eine davon zeige ich heute.
Nach der Verfügung Nr. 93 vom 6. Juni 1947 bis in die erste Juliwoche waren im Kreis Saarburg (erweitert durch die Gemeinden, die ehemals zum Kreis Trier-Land gehörten), Mischfrankaturen aus SAAR I und Rheinland-Pfalz (I) möglich. Da sowohl in der Französischen Zone, als auch im Saarland die Marken der Allgemeinen Ausgabe weiterhin frankaturgültig waren, konnten drei Ausgaben auf einem Brief vereinigt werden:
    • SAAR I
    • Allgemeine Ausgabe
    • Rheinland-Pfalz (I)
Der gezeigte, echt gelaufene Beleg ist portogerecht frankiert:
    • 48 Pf. für einen Brief der 2. GSt.
    • 60 Pf. Einschreibegebühr)
Die Marken wurden mit drei Abschläge von Saarburg (BZ Trier) 1d vom 4. Juli 1947 abgeschlagen. Dies war ziemlich am Ende der Periode, in welcher Mischfrankaturen zwischen SAAR I und Rheinland-Pfalz (1) zulässig waren.
Beleg mit Mischfrankatur SAAR I, AA und RP (I) vom 04.07.1947

Bis dann

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Artikel in Spiegel und Saarbrücker Zeitung

Hallo

Im Magazin ‹Der Spiegel› (1) vom 9. Juli 2022 schrieb Klaus Wiegrefe unter dem Titel «Der Plan des Generals», Frankreich hätte nach Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu 800’000 Menschen deportieren wollen. Die ‹Saarbrücker Zeitung› doppelte zwei Tage später in der Ausgabe vom 11. Juli 2022 mit einem halbseitigen Bericht nach. Titel «Als Frankreich die Saarländer vertreiben wollte».

Ich denke, viele von Euch haben diese reisserischen Schlagzeilen gesehen und vielleicht auch die entsprechenden Artikel. Für diejenigen, welche die Artikel nicht gelesen haben, ein sehr kurzer Abriss. «Hätte man Frankreich nach dem Krieg machen lassen, dann wäre das Saarland heute ein Teil Frankreichs» — eine wahrhaft grauenvolle Vorstellung, nicht wahr? In der HeuteShow könnte man sich nicht über die territoriale Kleinheit des Saarlandes amüsieren [Link]. «Und die Franzosen hätten darüber hinaus die Saarländer aus dem Saarland vertrieben!» Ein Saarland ohne Saarländer! Das ist tatsächlich eine grauenvolle Vorstellung. Ich mag sie nämlich, die Saarländer. Vielleicht nicht alle, aber doch sehr viele. Zum Schluss: «Das diese Horrorszenarien nicht eintrafen, verdanken die Saarländer den Briten und US-Amerikanern» — wollen uns die Autoren glauben machen. Zwischen den Zeilen scheint noch durch: «Weil das, was die Franzosen damals planten, so entsetzlich perfide war, geschah es ihnen nur recht, dass die Saarländer am 23. Oktober 1955 das ein Jahr zuvor zwischen Frankreich und der BRD (also ohne die Saarländer) abgeschlossene Europäische Saarstatut ablehnten.» Worauf, wie wir wissen, das Saarland am 1. Januar 1957 dem Geltungsbereich des deutschen Grundgesetzes beitrat.

Stimmt das, was uns da in den Medien frisch aufgekocht serviert wurde? Beide Berichte basieren auf der Studie «Die unvollendete Annexion. Frankreich und die Saar 1943 bis 1947». (2) Diese Studie verfasste der aus dem Saarland stammende Historiker Prof. em. Wilfried Loth. Ich habe sie für euch gelesen und analysiert.

Ich fasse mich kurz. Ja, Frankreich plante seit Oktober 1944, das Saarland zu annektieren. Wäre dies geschehen, wäre das Saarland heute ein Teil der französischen Republik. Die Annexionspläne wurden in den folgenden zwei Jahren immer wieder modifiziert und Ende 1946 endgültig fallen gelassen. Und ja, in französischen Regierungskreisen wurde Ende 1944/Anfang 1945 ernsthaft überlegt, die zum grössten Teil ohnehin evakuierte Bevölkerung des Saargebietes (3) nicht in ihre Heimat zurückkehren zu lassen. Von den wenigen verbliebenen Einwohnern sollten die Nazis sowie Frankreich gegenüber feindlich eingestellte Personen ausgewiesen oder nach Württemberg, Baden und die französischen Kolonien umgesiedelt werden.

Ordnen wir diese beiden Fakten, die Annexionspläne wie die Umsiedlungspläne französischer Regierungskreise, historisch ein. Wir stellen fest, dass die Planer voll im Trend lagen. Sämtliche Alliierte waren sich einig, dass massenhafte Umsiedlung von Deutschen (bei den Sowjets auch Polen) eine friedensfördernde Massnahme sei. Warum? Die Alliierten beriefen sich auf den Bevölkerungsaustausch zwischen der Türkei und Griechenland. Trotz aller zum Teil unmenschlichen Härten, welche die Vertreibungen mit sich brachten, schätzten beide Regierungen die ethnische Homogenisierung ihrer jeweiligen Staaten als positiv und stabilisierend ein. Auch war es erst sieben Jahre her, dass Hitler im Hinblick auf seine Eroberungspläne gegenüber der Weltgemeinschaft den Schutz deutscher Minderheiten in der Tschechoslowakei und in Polen als Vorwand und Druckmittel verwendet hatte. Dem wollte man von vorne herein einen Riegel schieben.

Die Umsetzung der französischen Pläne setzte voraus, dass französische Truppen als Erste das Gebiet an der Saar besetzen würden. Dies war bekanntlich nicht der Fall. Truppen der 7. US-Armee besetzten am 20./21. März 1945 das Saargebiet und errichteten dort zügig eine funktionierende Zivilverwaltung. Nach der bedingungslosen Kapitulation im Mai 1945 liess die amerikanische Militärverwaltung die evakuierte saarländische Bevölkerung in ihre Heimat zurückkehren. Dies liess den Plan eines Saarlandes ohne Saarländer schon einmal Makulatur werden.

Am 10. Juli 1945 übergab die US-amerikanische Militärverwaltung das Gebiet an der Saar als Teil der französischen Besatzungszone (Zone d’occupation française en Allemagne) an französische Truppen. Nun gingen französische Planer davon aus, dass etwa 100’000-150’000 feindselige Elemente sowie Nazis ausgewiesen werden müssten, die restliche Bevölkerung liesse sich bei guter Pflege leicht assimilieren. Général Charles de Gaulle, der Chef der provisorischen Regierung des befreiten Frankreich hielt nichts von Ausweisungen. Er setzte mehr auf Assimilation. Doch seine Vision einer französischen Rheingrenze liess ihn den einzigen Zeitpunkt, die Region an der Saar mit Zustimmung aller Alliierten zu annektieren, verpassen. Nach dem Rücktritt De Gaulles im Januar 1946 folgten innerhalb von 12 Monaten drei eher schwache, von innen- wie aussenpolitischen Krisen gebeutelte Regierungen. Französische Politiker verfolgten in ihrer Deutschlandpolitik das Ziel, den übermächtigen Nachbarn im Osten möglichst dezentral zu gestalten. Verständlich, nach vier Überfällen in 70 Jahren wollte man sich endgültig absichern und wohl auch eine Vorrangstellung in Europa erlangen. Sie stemmten sich gegen viele Vorschläge der anderen Alliierten und versuchten — wie schon vor dem 1. und 2. Weltkrieg — Russland resp. die Sowjetunion auf ihre Seite zu ziehen. Das kam bei Briten und US-Amerikanern nicht gut an. Diese standen vor einem riesigen logistischen Problem, wo Engstirnigkeit und verschachtelte Zuständigkeiten nur Bremsschuhe waren. Im Sommer 1946 verständigten sich Briten und US-Amerikaner auf eine gemeinsame Verwaltung ihrer Besatzungszonen (Bi-Zone). Der aufkeimende Ost-West-Konflikt liess eine Zerstückelung Deutschlands obsolet werden. Der Zeitpunkt für eine Annexion des Saarlandes war aufgrund Inkompetenz französischer Politiker ungenutzt verstrichen. Von Ausweisungen und Vertreibungen im grossen Stil sprach niemand mehr. Am 18. Januar 1947 verabschiedete die erste Regierung der IV. Republik ein Massnahmenpaket zur Saar-Frage und verfolgte dann konsequent den Aufbau eines demokratischen und autonomen Saar-Staates unter französischer Hegemonie.

Fazit: Nicht den Briten und US-Amerikanern ist es zu verdanken, dass das Saarland nicht in Frankreich aufgegangen ist. Es war das schlechte Timing inkompetent agierender französischer Politiker.

Die Studie von Wilfried Loth wirft auch ein differenziertes Licht auf die Person von Gilbert Grandval. Grandval wurde von De Gaulle am 31. August 1945 als Nachfolger von Général Molière zum Militärgouverneur an der Saar ernannt. Geschickt formte Grandval das Gebiet an der Saar territorial wie politisch zu einem wirtschaftlich eigenständigen Saarland. Dabei musste er häufig Widerstände sowohl in Paris wie auch in Baden-Baden, dem Sitz der französischen Militärverwaltung für Deutschland, überwinden. Seinem Wirken ist es massgeblich zu verdanken, dass an der Saar ein demokratisch legitimierter, von der Bevölkerung wie den Parteien getragener, halbautonomer Saar-Staat (État Sarrois) entstand.

Weshalb 1955 der breite politische und gesellschaftliche Konsens im Saarland zerbrach ist eine andere Geschichte. Es war sicherlich keine Retourkutsche für Frankreich. Wilfried Loth schlussfolgert in seiner Studie: Die Ablehnung des Europäischen Saarstatuts 1955 zeigt, dass die von Frankreich betriebene Demokratisierung der Saarländer «bei allen Unzulänglichkeiten im Einzelnen» erfolgreich war.

Bis dann

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Anmerkungen

(1) ‹Der Spiegel› Nr. 28, 9. Juli 2022, S. 50 (Link, kostenpflichtig)

(2) Loth, Wilfried: «Die unvollendete Annexion. Frankreich und die Saar 1943 bis 1947»; in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte Bd. 70, 3/2022, S. 513-548 (Link, bis Ende September 2022 frei zugänglich)

(3) Die evakuierte Rote Zone entlang der Grenze umfasste unter anderem die grossen Industrieorte Dillingen, Völklingen sowie Saarbrücken.

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