Belege (IV) – Seltener Ersttagsbeleg Malstatt-Burbacher Druck (MBD)

„Wir unterbrechen das aktuelle Programm für eine Sondermeldung.“

Hallo

So, oder so ähnlich tönt es aus unseren Rundfunk- und/oder Fernsehempfängern, wenn irgendwo auf der Welt wieder einmal etwas Aussergewöhnliches – meist Katastrophales – geschehen ist.

Ich unterbreche die seit sechs Wochen laufende Beitragsserie über die einzelnen Werte der 1./2. Offenburger Ausgabe (BuS I/II) dagegen für ein schönes Ereignis. Ich habe einen besonderen Beleg meiner Sammlung hinzufügen können und möchte es nicht versäumen, euch diesen vorzustellen. Keine Sorge, die Beitragsserie zu den einzelnen Werten der Ausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar werde ich mit dem kommenden Beitrag weiterführen.

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Die Stunde Null. Ein Begriff, der in populärwissenschaftlichen Geschichtsmagazinen gerne für die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa missbraucht wird. Im Zusammenhang mit Währungsumstellungen – oft als Währungsreformen verbrämt – ist dieser Begriff hingegen völlig zutreffend.

Abbildungen zur oft vergessenen Währungsumstellung am 16. Juni 1947 von Reichsmark zu (Saar-) Mark:

Anzeige in einer saarländischen Illustrierten

Einige Banknoten

Die Umstellung von Reichsmark zu einer eigenen Währung war Im Zusammenspiel mit einer bereits seit 1945 geltenden, rigorosen Unterbindung des Kapitalverkehrs aus den Besatzungszonen des Dritten Reichs sowie einer Herkunftskontrolle der per Stichtag 16. Juni 1947 im Saarland vorhandenen Buchvermögen eine effektive Möglichkeit, die vorhandene Geldmenge festzustellen. So konnte der zweite Schritt der Währungsreform, die Umstellung auf die Frankenwährung vorbereitet werden. Einige Behörden wie die P.T.T. des Saarlandes konnten zwar frühzeitig Vorkehrungen für die Umstellung von Mark zu Franken treffen, dennoch verblieben zwischen dem Entscheid der französischen Nationalversammlung vom 15. November 1947 (Gesetz 47-2158) und der auf den 20. November 1947 festgesetzten Einführung (Gesetz 47-2170) nur wenige Tage.

„Zeit im Bild“ vom 16. November 1947

Die Menschen in den Gebieten der heutigen Bundesrepublik Deutschland haben in den letzten 100 Jahren eine gewisse – sagen wir einmal – Erfahrung mit Währungsumstellungen sammeln können:

    • 1921 Saargebiet (Mark zu Franken)
    • 1923 Deutsches Reich (Mark zu Renten-, resp. Reichsmark)
    • 1935 Saargebiet (Franken zu Reichsmark)
    • 1947 16. Juni, Saarland (Reichsmark zu Mark)
    • 1947 20. November, Saarland (Mark zu Franken)
    • 1948 Trizone, amerikanische, britische und französische Besatzungszonen des Dritten Reichs (Reichsmark zu Deutsche Mark)
    • 1948 Ostzonen, sowjetische Besatzungszone des Dritten Reichs (Reichsmark zu Deutsche Mark der deutschen Notenbank)
    • 1959 Bundesrepublik Deutschland, Saarland (Franken zu Deutsche Mark)
    • 1964 DDR (Deutsche Mark der deutschen Notenbank zu Mark der deutschen Notenbank)
    • 1968 DDR (Mark der deutschen Notenbank zu Mark)
    • 1990 DDR (Mark auf Deutsche Mark)
    • 2001 Bundesrepublik Deutschland (Deutsche Mark auf Euro)

Ich finde es erstaunlich, wie das kleine Gebiet des heutigen Saarlandes seit 1792 in den Perioden unter französischer Obhut in verschiedensten Bereichen des öffentlichen und politischen Lebens immer wieder eine Vorreiterrolle (= Avantgarde) bei denjenigen Entwicklungen eingenommen hat und weiterhin einnimmt, die später Deutschland betrafen, resp. betreffen.

Vom lieben Geld ist es nur ein kleiner Schritt zu den Briefmarken. Die Briefmarken mussten ja im Jahr 1947 die zwei Währungsumstellungen widerspiegeln. Als Postwertzeichen waren sie an die offizielle Währung des Gültigkeitsgebiets gebunden.

Die P.T.T. des Saarlandes liess – nachdem die Verantwortlichen in die Währungsumstellung eingeweiht worden waren – bei der Malstatt-Burbacher Handelsdruckerei GmbH in Saarbrücken vorhandene Schalterbögen der 1. Offenburger Ausgabe sowie der im Spätsommer 1947 bei der Druckerei Franz Burda in Offenburg bestellten Neuausgabe (2. Offenburger Ausgabe) im Buchdruck mit einem Aufdruck in Frankenwährung versehen.

Bogenteil eines überdruckten Bogens 2. Offenburger Ausgabe (Malstatt-Burbacher Druck, MBD II)

An saarländischen Postschaltern waren am Tag der Währungsumstellung, dem 20. November 1947, und an den folgenden Tagen ausschliesslich die nachstehenden Briefmarken des Malstatt-Burbacher Drucks verfügbar (die Angabe in MICHEL®-Katalogen hierzu ist falsch, vgl. hier):

    • 12 Pfennig (Urdruck) mit Aufdruck 2 F
    • 15 Pfennig (Neuausgabe und Urdruck) mit Aufdruck 3 F
    • 24 Pfennig (Neuausgabe und Urdruck) mit Aufdruck 6 F

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Anmerkung vom 2. Dezember 2023

Die aktuelle Ausgabe des MICHEL® Saar-Spezial (5. Aufl. 2024) hat den Fehler korrigiert!

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Jedoch hatten beileibe nicht alle saarländischen Postämter am Donnerstag, den 20. November 1947, auch sämtliche Marken in ausreichendem Umfang vorrätig. Dafür war die Zeit zu kurz gewesen.

Dieser Mangel war der P.T.T. des Saarlandes durchaus bewusst. Daher durften ganz offiziell die in Industrie, Gewerbe und Privathaushalten verfügbare Bestände an Briefmarken der Ausgaben Wappen und Dichter sowie Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar bis zum 27. November 1947 zum festgelegten Tauschkurs 20 Franken zu 1 Mark (5 Pfennig entsprachen 1 Franken) zur Frankatur verwendet werden. Am Postschalter konnten diese Briefmarken jedoch nicht mehr bezogen werden.

Ich konnte meiner Sammlung nun einen Bedarfsbrief hinzufügen, der den Ersttag des Malstatt-Burbacher Drucks dokumentiert.

20. November 1947, 17-18:00, Schaffhausen (Saar) nach Heiligenhaus

Verklebt wurden eine 6 F auf 24 Pfennig Neuausgabe und zwei 2 F auf 12 Pfennig Originalausgabe (senkrechtes Paar, Wasserzeichen fallende Wellenlinien). Damit ist der Brief in die britische Besatzungszone überfrankiert.

Posttarife des Saarlands ab 20. November 1947 (Auszug)

    • Brief in die besetzten Gebiete des Deutschen Reichs resp. ins Mutterland Frankreich der 1. Gewichtsstufe bis 20 g = Porto 6 Franken
    • Brief in die besetzten Gebiete des Deutschen Reichs resp. ins Mutterland Frankreich der 2. Gewichtsstufe 20 g bis 50 g = Porto 9 Franken

10 Franken Porto wurden fällig für:

    • Brief der 1. Gewichtsstufe bis 20 g ins Ausland
    • Brief der 2. Gewichtsstufe 20 g bis 50 g ins benachbarte Luxembourg

Wieso wurde der Brief überfrankiert? Das ist die grosse Frage. Einerseits waren die drei Werte des Malstatt-Burbacher Drucks ausschliesslich am Postschalter erhältlich. Damit ist sicher, dass ein Schalterbeamter der Post in Schaffhausen (Saar) den abgebildeten Brief frankiert hat. Andererseits waren die neuen Beförderungstarife der P.T.T. des Saarlands genau am 20. November 1947 in Kraft getreten. Hatte der Schalterbeamte geirrt? Hatte er dem Absender den Auslandstarif verrechnet, anstatt den niedrigeren Tarif für die Briefbeförderung in die besetzten Gebiete des Deutschen Reichs zu verwenden? Möglich wäre es.

Sollte der Brief des Herrn Rommelfanger an seine Frau, Schwester oder Mutter Elis. Rommelfanger schwerer als 20 g gewesen sein – dies lässt sich heute nicht mehr feststellen – käme noch eine weitere Möglichkeit in Betracht. Vielleicht hatte der Schalterbeamte um 17:00 Uhr des Ersttags keine 3 F-Marken mehr vorrätig oder die Poststelle Schaffhausen (Saar) hatte diesen Wert gar nicht erhalten. Dem Absender war in diesem Fall die Differenz von 1 F (umgerechnet 5 Pfennig) egal, Hauptsache der Brief, dessen Inhalt wir nicht kennen, war aufgegeben.

Fazit: ein gut erhaltener, sauber und lesbar gestempelter Ersttagsbeleg für zwei der drei an diesem Tag ausgegebenen Werte des Malstatt-Burbacher Drucks.

Bis dann

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