Basiswissen Philatelie (III) – Wie nützlich ist ein Koordinatensystem für Briefmarken?

Mein Landsmann Carl Hilty hat einmal gesagt: „Der einzige Weg, auf welchem wahre Kenntnis erreicht werden kann, ist durch liebevolles Studium.“

Ich sage: „Ich stehe auf den Schultern von Titanen, die mich an ihrem Wissen teilhaben liessen. Sie stellten mir nur eine Bedingung: ‚Gib Dein erworbene Wissen freigiebig weiter ohne je etwas dafür zu verlangen, so wie wir nichts von Dir verlangen. Halte Dich daran und nicht nur Dein Wissen, sondern auch Du wirst wachsen und eines Tages vielleicht selbst ein Titan werden.'“

Hallo

Im Beitrag Aktuell bei ebay habe ich anhand eines konkreten Beispiels zeigen können, dass Feldmerkmale von Briefmarken präzise beschrieben werden sollten, um Missverständnissen vorzubeugen. Im selben Beitrag habe ich die Koordinaten eines Druckbogens der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar vorgestellt: Druckbogen mit zwei Schalterbögen (A-Bogen und B-Bogen) aufgeteilt in jeweils 100 resp. bei den beiden grossformatigen Werten 50 Bogenfelder, woraus sich sozusagen die Hausnummer einer Briefmarke ergibt.

Spinnen wir heute den Gedanken Koordinatensystem einmal etwas weiter, denn die Bogenfelder allein helfen uns – wie wir gesehen haben – nicht in jedem Fall weiter. Bei dem besprochenen Ami Faux (50 Pfennig-Wert, SP28 Feld 70A zu Feld 20AB) definitiv nicht. Wir sehen ja beim Händler, auf der Messe oder auf ebay eine Marke nicht an ihrem Platz im Schalterbogen. Was wir sehen, ist meist eine einzelne Marke, ein Markenpaar, ein Viererblock ohne die zugehörige Hausnummer.

Können uns Koordinaten dennoch bei unserer Suche nach bestimmten Abweichungen vom gewünschten Markenbild helfen? Falls ja, wie müsste ein solches Koordinatensystem beschaffen sein? Und wie käme es in der Praxis zum Einsatz? Heute werden wir uns erstmals mit der äusserst umfangreichen Thematik Briefmarken-Zubehör beschäftigen.

Wir beschränkten unsere Suche nach einem passenden Hilfsmittel nicht ausschliesslich auf die Schweiz, sondern werfen auch einen Blick über die Grenzen auf das Mutterland aller Briefmarken, nach Grossbritannien. Grossbritannien und die Schweiz sind die Länder mit der weltweit längsten Briefmarkengeschichte. In beiden Ländern werden Marken mit Feldmerkmalen oder anderen spezifischen Eigenschaften gesammelt, ge- und verkauft sowie getauscht.

Was ist unser Ziel? Die Kommunikation zwischen Käufer und Verkäufer sollte klar sein, bei Vertragsabschluss Einverständnis herrschen, sonst sind Probleme vorprogrammiert. Im Ladengeschäft, auf der Briefmarkenbörse, auf dem Flohmarkt können beide Parteien miteinander reden. Dieser direkte Kommunikationskanal entfällt, wenn die philatelistische Transaktion wie so häufig über eine Internetplattform abgewickelt wird. Die Möglichkeit, den Verkäufer über die meist gebotenen Kontaktfunktionen anzusprechen, wird meist nicht genutzt. Das Internet mit seinen diversen Plattformen sowie den Onlineshops der unzähligen Briefmarkenhändler dürfte geschätzte 85% der weltweiten Umsätze im Briefmarkenhandel generieren – auch wenn die hier erzielten Preise, selbst bei qualitativ einwandfreien und kompetent geprüften Stücken offensichtlich bei den Marken-Bewertungen von einigen Katalogherausgebern komplett ignoriert werden. Jedem seine Insel, sage ich da, in Anlehnung an einen Romantitel von Johannes Mario Simmel. Über den grossen Anteil des Internets am gesamten Briefmarkenhandel sind sich die allermeisten Beobachter im deutschsprachigen Raum mit ihren Kollegen aus dem frankophonen, anglophonen und sinophonen Raum einig. Diskutiert wird schlussendlich nur noch über die Grössenordnung, also ob der Anteil nicht bereits über 90% beträgt.

Zurück zu den Koordinaten und Lösungsansätzen in Grossbritannien und der Schweiz. Aus Grossbritannien stammt ein ausgereift wirkendes Zubehör im Zusammenhang mit der Verortung von Feldmerkmalen: der Thirkell Position Finder aus dem Traditionshaus Stanley Gibbons. Eine preiswerte Schablone aus stabilem, glasklarem Plastik mit X/Y-Koordinatensystem (Zahlen/Buchstaben) und zusätzlicher Millimeterskala, die über die Briefmarke gelegt wird. Die Schablone kommt mit einer kurzen Benutzungsanleitung. Die Zeichnungen sind so selbsterklärend, dass ihr keine Schwierigkeiten bei der Anwendung haben solltet, selbst falls ihr der englischen Sprache nicht mächtig seid.

Konkurrenz erhält der Thirkell aus dem – immerhin bereits 113 Jahre bestehenden – Hause Zumstein, bekannt für seine Schweiz-Kataloge. Von Zumstein stammt der Abartensucher, eine dünne quadratische Plastikfolie, die über die zu bestimmende oder zu durchsuchende Briefmarke gelegt wird. Das X/Y-Koordinatensystem wie auch die Anwendung entspricht dem des Thirkell, jedoch lässt der Zumstein auf der Y-Achse den Buchstaben „I“ aus.

Lakmustest: Wird die Bestimmung von Feldmerkmalen durch dieses Zubehör einfacher? Vereinfacht es die Kommunikation zwischen Verkäufern und Käufern auf Distanz? Wir werden es mit bereits bekannten im Michel-Katalog unter römisch II katalogisierten Merkmal des Feldes 20AB des 50 Pfennig-Wertes der 1. Offenburger Ausgabe (BuS I) ausprobieren.

Nachstehend erst die Briefmarke – das gesuchte Feldmerkmal ist der waagerechte Farbstrich im Abschwung des S von SAAR, erinnern Sie sich? Danach die Scans der Marke mit aufgelegtem Koordinatennetz der Positionsfinder.

Bei beiden Hilfsmitteln ist das Feldmerkmal am linken oberen Rand von H2 zu finden. Für alle von euch, deren Mathematikunterricht wie bei mir schon mehrere Jahrzehnte zurückliegt:

H = Position auf der senkrechten Y-Achse, 2 = Position auf der waagerechten X-Achse des Koordinatennetzes.

Eine mögliche Beschreibung könnte also lauten: „Kurzer waagerechter Farbstrich über S von SAAR bei H2.“ Das schliesst eine Verwechslung mit dem Amis Faux von Feld 70A schon einmal aus, denn dieses würde in der Mitte von G2 zu liegen kommen. Dazu gibt es an dieser Stelle keine Abbildung … ich hatte bereits Probleme, saubere Scans mit den Positionsfindern über der Marke anzufertigen, die Marke ist immer wieder verrutscht! Macht nichts! Die vorstehende Beschreibung ist auch wesentlich kürzer als die von mir vorgeschlagene im Beitrag Aktuell bei ebay . Doch bleibt die Beschreibung auch so simple, wenn das zu beschreibende Merkmal unter einer der Linien oder sogar einem Kreuzungspunkt von Linien zu liegen kommt? Nein! Die Beschreibung wird wieder sehr komplex.

Die Linien des Thirkell sind stärker als die des Abartensuchers, dafür – ein wenig ist es auf dem Scan mit dem Abartensucher zu erkennen – verschmiert man bei Verwendung die schwarze Farbe schnell. Landet zwar nicht auf der Marke, sondern auf den Fingern. Dagegen hilft Seife. Dennoch ein Makel. Falls ihr euch einen Abartensucher von Zumstein zulegen möchtet, bestellt sinnvollerweise gleich 2 oder 3 Stück.

Quintessenz: Die Hilfsmittel von Stanley Gibbons und Zumstein können mich nicht wirklich überzeugen. Obschon das Konzept durch seine einfache Handhabung und die offensichtlich gewollte Übereinstimmung in der Koordinatengestaltung besticht, ist die Linienstärke der Schablonen zu dick, um im Alltag wirklich zu helfen. Das grösste Manko: Kein mir bekannter Katalog listet derzeit Koordinaten für Abweichungen des Markenbildes. Mit diesem Mangel bleiben die beiden Tools nettes Spielzeug, aber ohne grosse Verwendbarkeit im philatelistischen Alltag.

Die einfachste und sicherste Lösung für die Beschreibung von Feldmerkmalen sind und bleiben saubere Abbildungen mit Hinweis auf das Merkmal oder die Abweichungen. Abbildungen en gros machen einen gedruckten Katalog umfangreich, was sich wiederum im Preis niederschlägt (vgl. den Philotax).

Weiterhin sind präzise Beschreibungen ein unverzichtbares Muss. Diese sollten sich hinsichtlich der Wortwahl an bestimmten allgemein verbindlichen Leitplanken orientieren. In schwierigen Fällen könnten die Beschreibungen durch ein Millimeter-Koordinatensystem ergänzt werden, welches dem Sammler exakt angibt, wo er das Feldmerkmal findet. Präzise Beschreibungen nehmen in gedruckten Katalogen ebenfalls Platz ein, was – wenn einmal umgesetzt – sich ebenfalls im Preis für den Katalog niederschlagen würde.

Was jedoch sind die einmaligen zusätzlichen Kosten im Vergleich zur eingesparten Zeit und dem durch weniger Fehlkäufe eingesparten Geld?

Bei den uns heute zur Verfügung stehenden Informationen, Darstellungsmöglichkeiten und Distributionskanälen hat sich ein Konzept der Wissensvermittlung überlebt: Teure Kataloge, die nichts weiter bieten als verschwurbelte, unverständliche und nicht nachvollziehbare Beschreibungen ohne erläuternde oder mit schlicht falschen Abbildungen, die über Jahre hinweg nicht aktualisiert/korrigiert werden. Wer in einem sich ständig veränderndem Umfeld nicht flexibel agiert, der wird verschwinden … das gilt insbesondere für „Dinosaurier“.

Seid ihr unsicher, ob es sich bei der vor euch liegenden oder auf dem Bildschirm angezeigten Marke der 1. Offenburger Ausgabe um einen im MICHEL®  gelisteten „Plattenfehler“ (sic!) handelt?

KONTAKTFORMULAR

Ich beantworte Anfragen in der Regel innerhalb von 24 Stunden (vielleicht nicht gerade an den bevorstehenden Festtagen). Es entstehen euch keine Kosten. Weshalb nicht? Lest mein Zitat am Anfang des heutigen Beitrags.

Die Philatelie ist nicht tot, obschon manche Journalisten und Vereinshuber nicht müde werden, in ihren Beiträgen das Ende heraufzubeschwören. Vielleicht wird die Philatelie, wie sie bislang betrieben wurde, in wenigen Jahren nicht mehr sein, als eine blasse Erinnerung. Doch die Philatelie lebt weiter, dafür sind die Millionen von Sammlern, die weltweit Jahr für Jahr einen niedrigen dreistelligen €-Milliardenbetrag für ihr Hobby ausgeben, viel zu lebendig. Wir Menschen sind alle kleine Sammler und Schatzsucher. Dennoch lässt sich nicht leugnen: Die Philatelie ist heute einem ständigen und raschen Wandel unterworfen. Doch wir Sammler sind flexibel, sehr flexibel und erfindungsreich, wenn es um unsere Freizeitbeschäftigung geht. Althergebrachte Strukturen können sich häufig nicht einfach so anpassen. Dort wirken oft mächtige Beharrungskräfte. Es geht um Pfründe, Geld und Einfluss. Wo verkrustete Strukturen langsam zur Bewegungslosigkeit erstarren, suchen wir beweglichen Sammler uns andere, neue Wege. Denn: „Rückwärts gewandt lässt sich schlecht voran schreiten.“ Das wird dann das Thema eines weiteren Beitrags werden.

Bis dann

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Definition Ami Faux

Der Begriff Ami Faux stammt aus der Linguistik und wurde erstmals 2016 von mir zur Kennzeichnung von Briefmarken verwendet, deren sichtbare Merkmale der Beschreibung einer Abart in einem Briefmarkenkatalog oder Handbuch entsprechen, welche jedoch nicht von dem vermerkten Bogenfeld stammen. Ursache der Existenz von Amis Faux sind vage, unpräzise oder schlichtweg falsche Beschreibungen in Katalogen/Handbüchern sowie nicht vorhandene Abbildungen.

#saarphila #saarphilatelie

Basiswissen Philatelie (II) – Weshalb Saarbriefmarken sammeln?

Alexander Graham Bell soll gesagt haben: „Gehe nicht den vorgezeichneten Weg. Er führt dich nur dort entlang, wo andere bereits gegangen sind.“

Ich sage: „Schau‘ Dich aufmerksam um und Du wirst Deinen eigenen Weg erkennen. Folge ihm konsequent, dann werden Kurzweil und Erkenntnis Deine treuen Reisebegleiter sein. Wünsche Dich auf Deiner Reise jedoch nicht ans Ziel, denn dort angekommen, würdest Du nur das Reisen vermissen.“

Hallo

Einer der Leser des SAARPHILA-BLOGS hat mich darauf hingewiesen, dass ich in dem Beitrag  Wie ich zur Philatelie kam zwar davon berichtet hätte, wie ich zum Briefmarkensammler und später dann zum Philatelisten wurde, aber mit keinem Wort auf Saarbriefmarken und die französischen Briefmarkenausgaben für das Territoire de la Sarre eingegangen sei. Er hat völlig recht. Mea culpa.

Ich habe noch keine Erfahrung, geschweige denn Routine, Blogs zu verfassen. Offensichtlich ist eine Ankündigung schnell vergessen. Oder habe ich leichtfertig etwas angekündigt, was sich als schwierig umzusetzen entpuppte? Hat sich in mir – völlig unbewusst, selbstredend – etwas gegen die mit dem Thema einhergehende Preisgabe persönlichster Gedanken gesträubt? Man kann ja über alles schreiben. Ich empfinde es jedoch als schwierig, alle Schritte nachzuvollziehen, die zu einem Entscheid führten und darüber hinaus mir selbst wie den Lesern meine eigenen, mit Theodor Fontane gesprochen, Irrungen und Wirrungen einzugestehen.

Item. Ich habe mich selbst in die Bredouille gebracht, also muss ich da durch. Ich knüpfe also dort an, wo der Beitrag vom 12. Dezember 2017 endet. Im heutigen Beitrag werde ich einige Themen streifen, die ich zu einem späteren Zeitpunkt im SAARPHILA-BLOG oder auf der Website  Saarphila.de vertiefen werde. Sie werde diese Themen beim Lesen daran erkennen, dass ich die zugehörigen Stichworte kursiv gesetzt habe.

Vor einigen Jahren reiste ich nach Kiel (die obige Abbildung zeigt Schiffe im Fährhafen) und ertappte mich bei einer Shopping-Tour im Einkaufszentrum „Sophienhof“ dabei, wie ich gebannt vor den Regalen mit den Briefmarken, Steckbüchern, Briefmarkenkatalogen und sonstigem Zubehör stand. An diesem Tag war mit einem Schlag die Faszination für die kleinen gezackten Papiere wieder da.

Ich befand mich weit weg von daheim in der BRD, da war es wenig überraschend, dass die angebotenen Briefmarken mehrheitlich Zusammenstellungen aus deutschen Sammelgebieten waren. Der Rest bestand aus Motivsammlungen wie 50 Katzen, Blumen, Schmetterlinge, Olympia etc. eher dubioser Provenienz. Marken unbekannter arabischer Scheichtümer, Nordkoreas, kleinster Südsee-Atolle und afrikanischer Diktaturen waren friedlich in den kleinen, bunten Zellophanpaketen vereint.

Diese „Briefmarken“ haben eins gemeinsam: sie haben das Land ihrer vorgeblichen Herkunft niemals gesehen und sind dort auch an keinem Postamt erhältlich – wofür auch. Mit hohen Nominalwerten versehen zielen diese Ausgaben klar auf die Geldbeutel westlicher Motivsammler. Beworben werden diese, i.d.R. CTO-gestempelten oder mit Stempel gedruckten und damit nicht mehr frankaturgültigen Marken mit blumigen Worten und Hinweisen wie: „Nur 85% Katalogpreis“!  Man kann in den einschlägigen Katalogen aus dem Hause Michel einiges finden … und vieles nicht … aber sicherlich findet man keine Preisangaben. Der MICHEL® bietet ausschliesslich Briefmarken-Bewertungen, und die angegebenen Werte sind utopisch. Auf diesen feinen und wichtigen Unterschied zwischen Preis und Wert werde ich in einem der kommenden Beiträge noch ausführlich eingehen.

Für mich sind solche Marken nichts anderes als Vignetten resp. Cinderellas.  Cinderellas sind Papiere, die vorgeben, Briefmarken zu sein, aber keine sind, da sie keine postalische Funktion erfüllen. Hergestellt werden diese „Marken“ von gewieften Agenturen, die sich gegen geringe Zahlungen von nicht immer souveränen „Ländern“ das Recht erkauft haben, Marken zu verkaufen, die speziell auf die Bedürfnisse von Sammlern abzielen. So erklärt sich, dass beispielsweise ein muslimischer Staat das chinesische Jahr des Schweins und Marilyn Monroe – aber nicht zusammen – auf Sondermarken verewigt oder ein kommunistischer Staat dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy eine Marke widmet.

Zurück zu den Regalen im Karstadt. Ich habe mir an diesem Tag zwei Jahrgänge „Deutsche Bundespost Berlin“, eine Pinzette, eine Lupe, ein Steckbuch und einen Briefmarken-Katalog gekauft. Meine Wahl fiel auf Berlin, da es sich um ein geschlossenes Sammelgebiet handelt. Der Begriff „geschlossen“ bedeutet, es erscheinen keine weiteren Briefmarken dieses Gebiets. Meine Überlegung war dabei, dass bei einem geschlossenen Sammelgebiet die Vollständigkeit schnell zu erreichen wäre. Hier begegnet uns erstmals das Phänomen „Vollständigkeit“. Sammler streben nach ihr, auch wenn ich mir inzwischen die ketzerische Frage gestatte: „Was ist Vollständigkeit?“. Im Rückblick frage ich mich, wieso ich Vollständigkeit je als erstrebenswert angesehen habe.

Nun bietet Deutschland aufgrund seiner bis in die allerjüngste Gegenwart verworrenen, komplexen und meist kriegerischen Geschichte als Briefmarken-Sammelgebiet eine grosse Auswahl an geschlossenen Gebieten: von den Staaten, aus denen 1871 Deutschland geschmiedet wurde, über die Kolonialausgaben des Deutschen Kaiserreichs, die Besetzungsausgaben Erster Weltkrieg, die Briefmarkenausgaben der Plebiszitgebiete, die Besetzungsausgaben Zweiter Weltkrieg, die Ausgaben der Alliierten Besatzung nach der endgültigen Zerschlagung des Deutschen Reichs bis hin zu Berlin und die DDR.

Nachdem ich bei meinem Sammelgebiet Berlin tatsächlich nach kurzer Zeit Vollständigkeit in den Hauptnummern – man beachte die Einschränkung – erreicht hatte, erweiterte ich meine Sammeltätigkeit auf Heligoland und einige der geschlossenen Sammelgebiete Alliierte Besatzung. Den Schwerpunkt der Sammlung bildete bei mir die Französische Zone mit dem Saarland, liegen doch Baden wie auch Frankreich gerade ennet der Grenze am anderen Ufer des Rheins.

Kurz gesagt: Ich sammelte Kraut und Rüben. Der Grund, ein Sammelgebiet zu beginnen, war immer der gleiche: möglichst schnell Vollständigkeit zu erreichen. Wieder stolpern wir über diese Vollständigkeit, die in der Philatelie wie eine Seuche umgeht und – wie ich aus vielen Gesprächen weiss – viele Sammler befallen hat. Sind wir Sammler fremdgesteuert? Was drängt uns, eine wie auch immer geartete Vollständigkeit anzustreben? Zumindest, soweit es das Budget zulässt. Für Postanstalten ist dieses Streben nach Vollständigkeit ein grosser Reibach. Man reibt sich die Hände, begibt jedes Jahr immer mehr Marken mit sehr hoher Auflage, beklagt sich aber gleichzeitig über den Rückgang bei der Briefbeförderung.

Da frage ich mich doch: Für wen werden dann Briefmarken in Millionenauflage gedruckt? Dazu Markenheftchen, Rollenmarken, Markensets, Kleinbögen, Blockausgaben, Ersttagsbriefe, Ersttagsblätter, Numisbriefe, Maximumkarten, Jahreszusammenstellungen und und und.

Was ist der Wert all dessen? Den Wert, den bestimmt allein ihr, die Sammler. Den Preis dagegen, den ihr für eine Briefmarke bezahlen müsst,  den bestimmt der Markt. In der Regel durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage auf einem Handelsplatz. Solange die Philatelieabteilungen der Postanstalten die Nachfrage der Sammler auch Jahrzehnte nach der Erstausgabe einer Marke aus ihren Beständen in jeglicher gewünschten Qualität und Echtheit mehrfach decken können, – und das können die westeuropäischen Postanstalten in der Regel für sämtliche Ausgaben nach 1965 – dürfte die Nachfrage nach privaten Angeboten und damit die zu erzielenden Preise für Privatverkäufe niedrig bleiben.

Vor einigen Jahren begann ich, mich verstärkt auf die Markenausgaben des Saarlandes (1947-1956) zu konzentrieren und mich in die Geschichte der Französischen Besatzungszone sowie die überaus wechselvolle und spannende Geschichte des Saarlandes einzuarbeiten. Ich fand es interessant herauszufinden, weshalb bestimmte Briefmarken verausgabt worden waren, wer die Marken gestaltet hatte und wer die Marken wie und wo gedruckt hatte. Kennt ihr die Schnellpressenfabrik Albert & Cie. oHG, die Rotations-Tiefdruckmaschine Palatia O oder die Druckerei Franz Burda? Nein? Bleibt dran, bald werden euch diese Begriffe geläufig sein.

Beschäftige ich mich mit meinen Briefmarken, was öfter passiert, als es meiner Frau lieb ist, stellt sich bei mir die grösste Zufriedenheit dann ein, wenn ich mich mit den Feldmerkmalen und der Feldbestimmung (engl. plating) der 1. Offenburger Ausgabe beschäftige. Dieser „nur“ 20 Briefmarken umfassende Briefmarkensatz ist auch heute, 70 Jahre nach der Erstausgabe, in allen Erhaltungen für kleines Geld in ausreichende Menge erhältlich. Tiefer und tiefer tauchte ich in die Materie ein. Ich fand Themen, Fragestellungen und Zusammenhänge aber auch Rätsel und Ungereimtheiten, von denen ich zuvor nichts geahnt hatte, von denen kein Katalog schreibt. Ich ersann Lösungsansätze und knüpfte in ganz Europa Kontakte. Der Blick über Grenzen erweiterte meinen Horizont. Nicht nur Deutsche, sondern Luxemburger, Niederländer, Belgier und insbesondere Franzosen beschäftigen sich mit Saarbriefmarken. Yvert & Tellier aus Amiens, salopp ausgedrückt der französische MICHEL®, listet die Saarbriefmarken sinnigerweise unter „Timbres des colonies françaises; Tome 2-1“.

Die Aufbewahrung meiner mehrere Tausend Exemplare umfassenden Sammlung stellte eine neue Herausforderung dar. Zusammen mit einem Zubehörlieferanten erarbeitete ich über die letzten Monate eine für mich praktikable Lösung, die das Suchen auf ein Minimum beschränkt. Doch das wird Thema eines späteren – nicht ganz unproblematischen Beitrags über Partner beim Aufbau und Unterhalt einer Sammlung sein. Ich verspreche euch! Ich bleibe subjektiv und gehe einer Polemik nicht aus dem Weg.

Ich hatte meinen Weg in der Philatelie gefunden. Der Rest war einfach: Ballast abwerfen. Ich verkaufte alle Briefmarken und sämtliche philatelistischen Bücher, die nichts mit meinem Thema, den französischen Briefmarkenausgaben für das Territoire de la Sarre 1945-1947, zu tun hatten. Behalten habe ich nur wenige, meist sehr werthaltige Stücke, die für mich mit einer Geschichte verbunden sind, mit meiner Sammler-Geschichte.

Bis dann

#saarphila #saarphilatelie