Basiswissen Philatelie (II) – Weshalb Saarbriefmarken sammeln?

Alexander Graham Bell soll gesagt haben: „Gehe nicht den vorgezeichneten Weg. Er führt dich nur dort entlang, wo andere bereits gegangen sind.“

Ich sage: „Schau‘ Dich aufmerksam um und Du wirst Deinen eigenen Weg erkennen. Folge ihm konsequent, dann werden Kurzweil und Erkenntnis Deine treuen Reisebegleiter sein. Wünsche Dich auf Deiner Reise jedoch nicht ans Ziel, denn dort angekommen, würdest Du nur das Reisen vermissen.“

Hallo

Einer der Leser des SAARPHILA-BLOGS hat mich darauf hingewiesen, dass ich in dem Beitrag  Wie ich zur Philatelie kam zwar davon berichtet hätte, wie ich zum Briefmarkensammler und später dann zum Philatelisten wurde, aber mit keinem Wort auf Saarbriefmarken und die französischen Briefmarkenausgaben für das Territoire de la Sarre eingegangen sei. Er hat völlig recht. Mea culpa.

Ich habe noch keine Erfahrung, geschweige denn Routine, Blogs zu verfassen. Offensichtlich ist eine Ankündigung schnell vergessen. Oder habe ich leichtfertig etwas angekündigt, was sich als schwierig umzusetzen entpuppte? Hat sich in mir – völlig unbewusst, selbstredend – etwas gegen die mit dem Thema einhergehende Preisgabe persönlichster Gedanken gesträubt? Man kann ja über alles schreiben. Ich empfinde es jedoch als schwierig, alle Schritte nachzuvollziehen, die zu einem Entscheid führten und darüber hinaus mir selbst wie den Lesern meine eigenen, mit Theodor Fontane gesprochen, Irrungen und Wirrungen einzugestehen.

Item. Ich habe mich selbst in die Bredouille gebracht, also muss ich da durch. Ich knüpfe also dort an, wo der Beitrag vom 12. Dezember 2017 endet. Im heutigen Beitrag werde ich einige Themen streifen, die ich zu einem späteren Zeitpunkt im SAARPHILA-BLOG oder auf der Website  Saarphila.de vertiefen werde. Sie werde diese Themen beim Lesen daran erkennen, dass ich die zugehörigen Stichworte kursiv gesetzt habe.

Vor einigen Jahren reiste ich nach Kiel (die obige Abbildung zeigt Schiffe im Fährhafen) und ertappte mich bei einer Shopping-Tour im Einkaufszentrum „Sophienhof“ dabei, wie ich gebannt vor den Regalen mit den Briefmarken, Steckbüchern, Briefmarkenkatalogen und sonstigem Zubehör stand. An diesem Tag war mit einem Schlag die Faszination für die kleinen gezackten Papiere wieder da.

Ich befand mich weit weg von daheim in der BRD, da war es wenig überraschend, dass die angebotenen Briefmarken mehrheitlich Zusammenstellungen aus deutschen Sammelgebieten waren. Der Rest bestand aus Motivsammlungen wie 50 Katzen, Blumen, Schmetterlinge, Olympia etc. eher dubioser Provenienz. Marken unbekannter arabischer Scheichtümer, Nordkoreas, kleinster Südsee-Atolle und afrikanischer Diktaturen waren friedlich in den kleinen, bunten Zellophanpaketen vereint.

Diese „Briefmarken“ haben eins gemeinsam: sie haben das Land ihrer vorgeblichen Herkunft niemals gesehen und sind dort auch an keinem Postamt erhältlich – wofür auch. Mit hohen Nominalwerten versehen zielen diese Ausgaben klar auf die Geldbeutel westlicher Motivsammler. Beworben werden diese, i.d.R. CTO-gestempelten oder mit Stempel gedruckten und damit nicht mehr frankaturgültigen Marken mit blumigen Worten und Hinweisen wie: „Nur 85% Katalogpreis“!  Man kann in den einschlägigen Katalogen aus dem Hause Michel einiges finden … und vieles nicht … aber sicherlich findet man keine Preisangaben. Der MICHEL® bietet ausschliesslich Briefmarken-Bewertungen, und die angegebenen Werte sind utopisch. Auf diesen feinen und wichtigen Unterschied zwischen Preis und Wert werde ich in einem der kommenden Beiträge noch ausführlich eingehen.

Für mich sind solche Marken nichts anderes als Vignetten resp. Cinderellas.  Cinderellas sind Papiere, die vorgeben, Briefmarken zu sein, aber keine sind, da sie keine postalische Funktion erfüllen. Hergestellt werden diese „Marken“ von gewieften Agenturen, die sich gegen geringe Zahlungen von nicht immer souveränen „Ländern“ das Recht erkauft haben, Marken zu verkaufen, die speziell auf die Bedürfnisse von Sammlern abzielen. So erklärt sich, dass beispielsweise ein muslimischer Staat das chinesische Jahr des Schweins und Marilyn Monroe – aber nicht zusammen – auf Sondermarken verewigt oder ein kommunistischer Staat dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy eine Marke widmet.

Zurück zu den Regalen im Karstadt. Ich habe mir an diesem Tag zwei Jahrgänge „Deutsche Bundespost Berlin“, eine Pinzette, eine Lupe, ein Steckbuch und einen Briefmarken-Katalog gekauft. Meine Wahl fiel auf Berlin, da es sich um ein geschlossenes Sammelgebiet handelt. Der Begriff „geschlossen“ bedeutet, es erscheinen keine weiteren Briefmarken dieses Gebiets. Meine Überlegung war dabei, dass bei einem geschlossenen Sammelgebiet die Vollständigkeit schnell zu erreichen wäre. Hier begegnet uns erstmals das Phänomen „Vollständigkeit“. Sammler streben nach ihr, auch wenn ich mir inzwischen die ketzerische Frage gestatte: „Was ist Vollständigkeit?“. Im Rückblick frage ich mich, wieso ich Vollständigkeit je als erstrebenswert angesehen habe.

Nun bietet Deutschland aufgrund seiner bis in die allerjüngste Gegenwart verworrenen, komplexen und meist kriegerischen Geschichte als Briefmarken-Sammelgebiet eine grosse Auswahl an geschlossenen Gebieten: von den Staaten, aus denen 1871 Deutschland geschmiedet wurde, über die Kolonialausgaben des Deutschen Kaiserreichs, die Besetzungsausgaben Erster Weltkrieg, die Briefmarkenausgaben der Plebiszitgebiete, die Besetzungsausgaben Zweiter Weltkrieg, die Ausgaben der Alliierten Besatzung nach der endgültigen Zerschlagung des Deutschen Reichs bis hin zu Berlin und die DDR.

Nachdem ich bei meinem Sammelgebiet Berlin tatsächlich nach kurzer Zeit Vollständigkeit in den Hauptnummern – man beachte die Einschränkung – erreicht hatte, erweiterte ich meine Sammeltätigkeit auf Heligoland und einige der geschlossenen Sammelgebiete Alliierte Besatzung. Den Schwerpunkt der Sammlung bildete bei mir die Französische Zone mit dem Saarland, liegen doch Baden wie auch Frankreich gerade ennet der Grenze am anderen Ufer des Rheins.

Kurz gesagt: Ich sammelte Kraut und Rüben. Der Grund, ein Sammelgebiet zu beginnen, war immer der gleiche: möglichst schnell Vollständigkeit zu erreichen. Wieder stolpern wir über diese Vollständigkeit, die in der Philatelie wie eine Seuche umgeht und – wie ich aus vielen Gesprächen weiss – viele Sammler befallen hat. Sind wir Sammler fremdgesteuert? Was drängt uns, eine wie auch immer geartete Vollständigkeit anzustreben? Zumindest, soweit es das Budget zulässt. Für Postanstalten ist dieses Streben nach Vollständigkeit ein grosser Reibach. Man reibt sich die Hände, begibt jedes Jahr immer mehr Marken mit sehr hoher Auflage, beklagt sich aber gleichzeitig über den Rückgang bei der Briefbeförderung.

Da frage ich mich doch: Für wen werden dann Briefmarken in Millionenauflage gedruckt? Dazu Markenheftchen, Rollenmarken, Markensets, Kleinbögen, Blockausgaben, Ersttagsbriefe, Ersttagsblätter, Numisbriefe, Maximumkarten, Jahreszusammenstellungen und und und.

Was ist der Wert all dessen? Den Wert, den bestimmt allein ihr, die Sammler. Den Preis dagegen, den ihr für eine Briefmarke bezahlen müsst,  den bestimmt der Markt. In der Regel durch das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage auf einem Handelsplatz. Solange die Philatelieabteilungen der Postanstalten die Nachfrage der Sammler auch Jahrzehnte nach der Erstausgabe einer Marke aus ihren Beständen in jeglicher gewünschten Qualität und Echtheit mehrfach decken können, – und das können die westeuropäischen Postanstalten in der Regel für sämtliche Ausgaben nach 1965 – dürfte die Nachfrage nach privaten Angeboten und damit die zu erzielenden Preise für Privatverkäufe niedrig bleiben.

Vor einigen Jahren begann ich, mich verstärkt auf die Markenausgaben des Saarlandes (1947-1956) zu konzentrieren und mich in die Geschichte der Französischen Besatzungszone sowie die überaus wechselvolle und spannende Geschichte des Saarlandes einzuarbeiten. Ich fand es interessant herauszufinden, weshalb bestimmte Briefmarken verausgabt worden waren, wer die Marken gestaltet hatte und wer die Marken wie und wo gedruckt hatte. Kennt ihr die Schnellpressenfabrik Albert & Cie. oHG, die Rotations-Tiefdruckmaschine Palatia O oder die Druckerei Franz Burda? Nein? Bleibt dran, bald werden euch diese Begriffe geläufig sein.

Beschäftige ich mich mit meinen Briefmarken, was öfter passiert, als es meiner Frau lieb ist, stellt sich bei mir die grösste Zufriedenheit dann ein, wenn ich mich mit den Feldmerkmalen und der Feldbestimmung (engl. plating) der 1. Offenburger Ausgabe beschäftige. Dieser „nur“ 20 Briefmarken umfassende Briefmarkensatz ist auch heute, 70 Jahre nach der Erstausgabe, in allen Erhaltungen für kleines Geld in ausreichende Menge erhältlich. Tiefer und tiefer tauchte ich in die Materie ein. Ich fand Themen, Fragestellungen und Zusammenhänge aber auch Rätsel und Ungereimtheiten, von denen ich zuvor nichts geahnt hatte, von denen kein Katalog schreibt. Ich ersann Lösungsansätze und knüpfte in ganz Europa Kontakte. Der Blick über Grenzen erweiterte meinen Horizont. Nicht nur Deutsche, sondern Luxemburger, Niederländer, Belgier und insbesondere Franzosen beschäftigen sich mit Saarbriefmarken. Yvert & Tellier aus Amiens, salopp ausgedrückt der französische MICHEL®, listet die Saarbriefmarken sinnigerweise unter „Timbres des colonies françaises; Tome 2-1“.

Die Aufbewahrung meiner mehrere Tausend Exemplare umfassenden Sammlung stellte eine neue Herausforderung dar. Zusammen mit einem Zubehörlieferanten erarbeitete ich über die letzten Monate eine für mich praktikable Lösung, die das Suchen auf ein Minimum beschränkt. Doch das wird Thema eines späteren – nicht ganz unproblematischen Beitrags über Partner beim Aufbau und Unterhalt einer Sammlung sein. Ich verspreche euch! Ich bleibe subjektiv und gehe einer Polemik nicht aus dem Weg.

Ich hatte meinen Weg in der Philatelie gefunden. Der Rest war einfach: Ballast abwerfen. Ich verkaufte alle Briefmarken und sämtliche philatelistischen Bücher, die nichts mit meinem Thema, den französischen Briefmarkenausgaben für das Territoire de la Sarre 1945-1947, zu tun hatten. Behalten habe ich nur wenige, meist sehr werthaltige Stücke, die für mich mit einer Geschichte verbunden sind, mit meiner Sammler-Geschichte.

Bis dann

#saarphila #saarphilatelie

Basiswissen Philatelie (I) – Freizeitbeschäftigung Philatelie?

Henry Wheeler Shaw hat gesagt: „Sei wie eine Briefmarke. Bleib an einer Sache dran, bist Du am Ziel bist.“

Ich sage: „Das Ziel eines Briefmarkensammlers ist die Freude und Zufriedenheit, die sich bei der Beschäftigung mit den kleinen bunten Papieren einstellt. Ein einfach zu erreichendes Ziel, dass man jedoch allzu schnell aus den Augen verliert.“

Hallo

Heute schreibe ich darüber, wie ich zum Briefmarkensammler wurde: „Es war einmal vor langer, langer Zeit.“ Nein, so lange ist es auch wieder nicht her und ein Märchen ist es ebenfalls nicht.

Dennoch. Es ist erstaunlich. Ich erinnere mich nach all den – nicht gerade ereignislosen – Jahrzehnten noch gut an meine ersten Briefmarken. Meine unbeholfenen Versuche, diese kleinen gezackten Papierfetzen mit meinen Finger und – seltener – mittels einer Pinzette in einem kleinen Steckbuch unterzubringen. Meine Lieblingsmarken waren die einfarbigen Dauermarken.

©Sammlung Montclair
©Sammlung Montclair
©Sammlung Montclair

Manche zeigten Personen, manche Gebäude, manche hatten nur ein Design, z.B. einen Kopf mit prominenter Hornbrille, andere zeigten technische Geräte. Welcher Bub ist nicht von Technik fasziniert? Und ich hatte ja Zählen gelernt. Ich war sehr zufrieden mit mir, diese kleinen bunten Marken in die richtige – aufsteigende – Reihenfolge bringen zu können: 5, 7, 10, 15, 20 usw. Das kleine Steckbuch und meine Marken waren mein ganzer Stolz – zumindest für eine gewisse Zeit. Da ich nicht müde wurde, es allen, die es sehen wollten – oder es zumindest sagten – aber auch allen, die es nicht sehen wollten, zu zeigen, bekam ich von allen Seiten Nachschub an Briefmarken. Nach einiger Zeit spendierten mir meine Eltern sogar ein umfangreicheres Steckbuch.

Ich hatte damals nur ein Problem. Die hohen Werte waren aus der Familienpost oder der Post der Firmen, die man für Briefmarken anfragte, nicht zu erhalten.

©Sammlung Montclair
©Sammlung Montclair

Das Taschengeld reichte für diese teuren Briefmarken bei weitem nicht und Geldgeschenke zum Geburtstag oder ähnlichen Feiern landeten mit schöner Regelmässigkeit auf dem Sparbuch.

Mit der Pubertät verschoben sich meine Interessen weg von den Briefmarken hin zu „cooleren“ Dingen, wie zum Beispiel … ihr habt richtig geraten, Mädchen.

Später traten die ernsten Dinge des Lebens in den Vordergrund: Matura, Militärdienst, Studium, Karriere. Briefmarken als Sammelobjekte verschwanden aus meinem Gesichtsfeld.

Mehr als dreissig Jahre später stand ich eines Tages im Karstadt in Kiel vor dem gut sortierten Briefmarkensortiment und die alte Faszination war auf einen Schlag wieder da. Für mich ist Briefmarkensammeln der Gegenpol zu unserer doch oftmals stark digitalisierten und schnelllebigen Welt. Die haptische Beschäftigung mit Briefmarken empfinde ich als bewusst zelebrierte Entschleunigung.

Ich habe einige Jahre benötigt, bis ich wusste, was ich sammeln und wie ich sammeln wollte resp. immer noch will. Im Verlauf dieses Prozesses habe ich mich allmählich vom Briefmarkensammler zum Philatelisten gewandelt. Dieser Wandel ist keine grosse Sache, eher ein schleichender Prozess. Vom Briefmarkensammler zum Philatelisten, das ist nur ein kleiner Schritt. Sobald das reine Sammeln auf Vollständigkeit, die in der Regel durch Kataloge oder Albumblätter vorgegeben wird, der Beschäftigung mit der Briefmarke an sich, mit ihrer (Entstehungs-) Geschichte und Funktion im geographischen wie historischen Umfeld weicht, ist es geschehen. Anders ausgedrückt: „Sobald beim Briefmarkensammeln die Reflexion über das eigene Tun einsetzt, scheinbar in Stein gemeisselte Vorgaben und Massstäbe in Frage gestellt werden, ist der Schritt zur historischen (Hilfs-) Wissenschaft Philatelie vollzogen.“

So, das war meine Geschichte, meine stamp story, wie es in dem wöchentlichen und empfehlenswerten Podcast Stamp Show here today so schön heisst.

Noch zwei Nachbemerkungen, die mit dem Thema dieses Beitrags nichts zu tun haben, aber mir wichtig sind:

    1. Die aufmerksamen Beobachter unter euch werden eine minime Änderung der Hintergrund- wie auch der Schriftfarbe festgestellt haben. Dies ist auf eine Angleichung an den einheitlichen Auftritt (Neudeutsch: Corporate Design) von Saarphila.de zurückzuführen.
    2. Die im Saarphilatelie-Blog und auf der Website von Saarphila.de geäusserten Meinungen sind niemals neutral. Im Gegenteil. Es sind die grundsätzlich subjektiven und manchmal polemischen Meinungsäusserungen eines Individuums, welches den eigenen Denkkasten nicht im Kindergarten am Haken hängengelassen hat und durchaus zu benutzen weiss.

Bis dann

#saarphila #saarphilatelie