Sammlung Montclair – Neuzugang (III)

Hallo

Ihr merkt schon … es muss Schlechtwetter in Nordfriesland sein. Der SaarPhilatelist hat Zeit zu schreiben. Stimmt! Leider habe ich aufgrund der dichten Wolkendecke auch nichts von den sonst in ganz Europa sichtbaren Polarlichtern sehen können. Schade.

Zurück zur Philatelie. Ein Handstempel auf dem abgebildeten Beleg verrät bereits, worum es sich bei diesem Neuzugang zur Sammlung Montclair handelt: einen Ersttagsbrief. Doch der Stempel verrät nicht alles; der Beleg hat bei genauerer Betrachtung noch viel mehr zu bieten.

Ersttagsbeleg MeF 2F auf 12 Pfennig vom 20. November 1947
die Umschlagklappe ist offen, ein Hinweis, dass der Beleg nicht befördert wurde

Meiner Ansicht nach handelt es sich nicht um einen Ersttagsbrief, sondern um einen Erstagsbeleg, denn weder ist die Frankatur portogerecht, noch ist der Brief befördert worden. Weshalb habe ich diesen Beleg dennoch ersteigert und meiner Sammlung hinzugefügt?

Der Beleg fand meine Aufmerksamkeit, da mir der Adressat Lieutenant Gérig bekannt ist. Nicht, dass ich Oberleutnant Gérig je kennengelernt hätte, sondern weil sich in meiner Sammlung bereits ein an ihn gerichteten Beleg befindet. Diesen Beleg stellte ich im August 2019 im SAARPHILA-BLOG und in einem Artikel in der Deutschen Briefmarken-Revue 03/2023 vor. Mehr dazu im Verlauf dieses Beitrags.

Sicher, ein exzellent erhaltener Ersttagsbeleg sauber (18) Saarlouis 1 e gestempelt und frankiert MeF mit Unterrand ist immer nett. Da wird niemand meckern. Es handelt sich um sogenannte Urdruck-Marken, also Marken der Originalausgabe mit Wasserzeichen steigende Wellenlinien (S), deren Wertangabe in der Malstatt-Burbacher Handelsdruckerei mit 2F überdruckt wurden. Das muss so sein, auch wenn der MICHEL® DSK den Unsinn verbreitet, die 12 Pfennig der Neuausgabe (BuS II, im MICHEL-Kauderwelsch 229 II fA) wären vor der Währungsumstellung vom 19. November 1947 bereits verausgabt worden und kämen auch ohne Überdruck 2F vor. Die ArGe Saar wie auch ich haben die MICHEL®-Redaktion mehrfach darauf hingewiesen, dass die 12 Pfennig-Marken der Neuausgabe erst am 22./24. November 1947 bei der Druckerei Franz Burda in Offenburg gedruckt, dann nach Saarbrücken transportiert und erst danach bei der Malstatt-Burbacher Handelsdruckerei überdruckt wurden, bevor die Marken schlussendlich am 6. Dezember 1947 an die saarländischen Postschalter gelangten. Trotz aller Beweise zieht die MICHEL®-Redaktion diesen, wie auch viele andere Fehler seit Jahrzehnten nicht zurück, sondern verbreitet diesen Blödsinn mittels Copy/Paste ungeniert weiter. Soviel zur angeblichen Bibel der Philatelie.

Nein, für meine Kaufentscheidung war ausschlaggebend, dass beide Marken ein auffälliges Feldmerkmal aufweisen.

Ausschnitt aus Bogen B 29155 (WZ F, fallende Wellenlinien) vom 3. Januar 1947

Die beiden Feldmerkmale waren in der Losbeschreibung nicht aufgeführt. Das ist wenig verwunderlich, denn der MICHEL® DSK – ich werde nicht weiter darauf eingehen, dass diese überteuerte Publikation für das Sammelgebiet Saar nicht brauchbar ist – führt selbst auffälligste Feldmerkmale nicht auf. Bei den beiden Marken handelt es sich um Marken der Felder 93B sowie 94B und zwar der frühen Druckperiode (30./31. Dezember 1946 und 2./3. Januar 1947) des 12 Pfennig-Werts. Das Feldmerkmal vom Feld 94B ist sowohl in Paul Staedels Étude, im Saarhandbuch wie auch in meinem 2021 erschienenen Handbuch Feldmerkmale SAAR I (hier der Link zum Bestellformular) aufgeführt. In der Deutschen Briefmarken-Revue (6/2022) habe ich in einem Beitrag die Feldmerkmale des 12 Pfennig-Werts vorgestellt. Dort ist das Feldmerkmal vom Feld 94B ebenfalls abgebildet.

Das Feldmerkmal 93B (früher Druck bis 3. Januar 1947) war mir bislang entgangen. Mir ist keine Publikation bekannt, welche dieses Feldmerkmal aufführt. Es handelt sich somit um eine Erstpublikation im SAARPHILA-BLOG. Das Feldmerkmal konnte ich bislang auf 10 Bogen und bei 15 Einzelexemplaren nachweisen. Nachfragen bei meinen Korrespondenten sind noch pendent.

Wie erwähnt ist der Beleg unterfrankiert (für einen Brief der 1. Gewichtsstufe bis 20 Gramm hätten 6 Franc verklebt werden müssen) und unverschlossen. Beides Indizien dafür, dass der Beleg nicht befördert wurde. Es sollte ausschliesslich ein besonders schöner Ersttagsbeleg kreiert werden.

Der Empfänger ist Lieutenant Gérig | Magasin Gén d’Habillement | 128, Avenue Félix-Faure | Lyon. Ich gehe davon aus, dass Oberleutnant Gérig ein versierter Philatelist war, der entweder einen Korrespondenten mit der Erstellung der Belege beauftragt hatte oder – wahrscheinlicher – für eine gewisse Zeit als Versorgungsoffizier in Saarlouis stationiert war. Mir liegen Belege mit demselben Gummi-Adressstempel aus dem Zeitraum von November 1947 bis April 1948 vor. Alle abgeschlagen im Raum Saarlouis. Wie ich bereits im August 2019 schrieb, verfüge ich zu Lieutenant Gérig über keine weiteren Informationen. Die Kleiderkammer Lyon dagegen, seine Dienststelle, existiert heute noch an derselben Adresse, dem Fort du Montluc.

Fazit: Ich stufe Lieutenant Gérig genauso ein, wie bspw. Walter Prell. Beides versierte Philatelisten, welche die Gunst der Stunde – in beiden Fällen die unmittelbare Nachkriegszeit -, ihre finanziellen Mittel und im Falle des Besatzungsoffiziers Gérig auch ihren Einfluss nutzten, um ihre Sammlungen mit besonderen Belegen zu bestücken. Diese Belege sind ganz klar philatelistisch beeinflusst, sind selten Bedarfsbelege, sind in einigen Fällen nie befördert worden, doch: Was wären wir heute ohne diese Belege?

Bis dann

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P.S. vom 7. November 2023

Aufgrund des Hinweises eines guten Sammlerkollegen füge ich meinem Beitrag zwei Scans des Feldmerkmals 93B(f) dunkler Farbfleck auf dem Schriftband SAAR links des S mit hohen Bogennummern vom ersten Drucktag des 12 Pfennig-Wertes hinzu.

Ausschnitt aus Bogen B 57901 (WZ S, steigende Wellenlinien) vom 30. Dezember 1946 mit Feldmerkmal 93B(f)
Ausschnitt aus Bogen B 53976 (WZ F, fallende Wellenlinien) vom 30. Dezember 1946 mit Feldmerkmal 93B(f)

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Wappen und Dichter – Die ersten Briefmarken für das Saarland (V)

Wappen und Dichter – Spezialitäten

Hallo

In den Ferien konnte ich für einen Beleg erwerben, der schön zur Thematik des letzten Betrags passt. Das Interessante an diesem Beleg ist, dass bestimmte Fragen offen bleiben – vielleicht für immer.

Bereits im letzten Beitrag hatte ich euch einen Beleg gezeigt, der eine portogerechte Mischfrankatur aus den Ausgaben Wappen und Dichter, Berufe und Sehenswürdigkeiten an der SaarOriginalausgabe (BuS I) wie auch Neuausgabe (BuS II) – vom 27. November 1947, dem letztmöglichen Datum einer solchen Frankatur trägt. Dieser Beleg lief innerhalb des Saarlandes von Höcherberg (Mittelbexbach) nach Neunkirchen.

Der Beleg, den ich euch im Folgenden vorstellen werde, dokumentiert drei postalische Spezialitäten nach der Währungsreform vom 19. November 1947:

    • das letztmögliche, offizielle Verwendungsdatum von Marken der Ausgabe Wappen und Dichter sowie der 1. Offenburger Ausgabe; grundsätzlich war dies auch das letztmögliche, offizielle Verwendungsdatum für die Marken der 2. Offenburger Ausgabe, die ohne Währungsüberdruck an die Postschalter gelangten – also der Werte zu 15 resp. 24 Pfennig
    • eine portogerechte Frankatur aus allen drei Briefmarkenausgaben der Militärbehörden der Zone d’occupation française en Allemagne resp. des Saarlandes für das Saarland, also:
      • Wappen und Dichter
      • 1. Offenburger Ausgabe
      • Malstatt-Burbacher Druck (mit Überdruck in Frankenwährung)
    • den Wechsel in der postalischen Behandlung Frankreichs von „Ausland“ zu „Inland“; eine Vorwegnahme der wenige Wochen später abgeschlossenen Zoll- und Währungsunion zwischen dem Saarland und Frankreich
Saarlouis, 27. November 1947 (Adressseite), ©Sammlung Montclair
Rückseite des leeren, verschlossenen und ungeöffneten Umschlags; es fehlt ein Absender

Drei Fragen, die ein Philatelist immer stellt, wenn er einen Beleg in die Hand nimmt:

    • Ist der Beleg zeitgerecht?
    • Ist der Beleg portogerecht?
    • Handelt es sich um einen Bedarfsbrief?

Die erste Frage haben wir bereits beantwortet. Der Umschlag, die für die Frankatur verwendeten Marken, der Stempel Saarlouis 1b mit der typischen schriftgeraden Leitgebietszahl 18, das Datum der Abstempelung sowie die Empfängeradresse: alles zeitgerecht.

Die zweite Frage können wir ebenso rasch beantworten. Das Porto für einen Brief der 1. Gewichtsstufe bis 20 Gramm von Saarlouis nach Frankreich betrug nach der Währungsreform ab dem 20. November 1947 6 Franken (vgl. hier).

    • der Brief wiegt kaum 10 Gramm und fiel in die 1. Gewichtsstufe: der verschlossene und bis heute ungeöffnete Umschlag ist nämlich leer
    • 2 Franken wurden abgedeckt durch eine Marke zu 12 Pfennig (Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, die Neuausgabe war noch nicht gedruckt) mit Überdruck 2 F
    • 4 Franken wurden abgedeckt durch eine Marke zu 8 Pfennig Wappen und Dichter sowie eine Marke zu 12 Pfennig Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar
fast schon perfekte Stempelabschläge „Saarlouis 1b“, ©Sammlung Montclair

Zur Erläuterung: Der Umrechnungskurs (Saar-) Mark zu Franken wurde für die Währungsumstellung zu 1:20 fixiert; also 1 Mark = 20 Franken, resp. für den konkreten Fall: 20 Pfennig = 4 Franken.

Für die Saarländer bedeuteten die ab dem 20. November 1947 geltenden neuen Tarife eine Erhöhung des Portos für den Inlandsbrief. Kostete ein Brief der 1. Gewichtsstufe bis 20 Gramm bislang 24 Pfennig (4,80 Franken) mussten nun 6 Franken berappt werden. Dafür fiel das Auslandsporto nach Frankreich weg, was insbesondere Gewerbetreibende, deren Produkte überwiegend aus Frankreich stammten, positiv vermerkt haben dürften.

Die dritte Frage lautet: Ist es ein Bedarfsbrief? Diese Frage kann definitiv mit Nein beantwortet werden:

    • der Umschlag war und ist nachweisbar leer
    • der Adressat und dessen Adresse sind gestempelt, was die Vermutung nahelegt, dass Adressat und Absender (Adressent) ein und dieselbe Person waren; weshalb sonst sollte der Adressent im Besitz eines Adressstempels des Adressaten sein
    • die Stempelabschläge sind fast schon perfekt zu nennen (Gefälligkeitsabstempelung)
    • der Umschlag weist keinerlei Postlaufspuren auf, was die postalische Beförderung des Briefes unwahrscheinlich macht

Mein Fazit: dieser Beleg ist zwar philatelistische Mache, jedoch macht das nichts. Erstens war der Macher mehr als nur philatelistisch angehaucht. Zweitens wären beispielsweise die heutigen Sammler von originalen, tatsächlich beförderten Zeppelinbelegen arm dran, hätte nicht ein windiger und findiger Händler aus Lorch in Württemberg namens Sieger frühzeitig eine riesige Menge solcher Belege „gemacht“. In der Zeit direkt nach dem Zweiten Weltkrieg fällt mit zu diesem Thema auch das Stichwort Prell-Briefe ein. Der in Chemnitz wohnhafte, philatelistisch gut bewanderte Lehrer Walter Prell hat eine grosse Menge Belege aus sämtlichen Zonen des besetzten ehemaligen Deutschen Reichs an sich selbst versandt resp. mit Gefälligkeitsstempeln versehen lassen.

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Zu Beginn des Beitrages schrieb ich, das Interessante an diesem Beleg sei, dass Fragen offen bleiben würden. Nachstehend einige dieser offenen Fragen:

Wer war der Adressent? Wir dürfen vermuten, dass es sich um Lieutenant Gérig handelt. Jedoch: Vielleicht hatte der tatsächliche Adressent auch nur einen stehenden Auftrag des Adressaten, ihm philatelistisch interessante Belege zuzusenden; dies wäre eine mögliche Erklärung für den Besitz des Adressstempels.

Wer war Lieutenant Gérig, der entweder in Lyon stationiert oder dessen Heimatstandort in Lyon war? Eine – zugegebenermassen oberflächliche Recherche hat hierzu nichts zutage gebracht. Solltet ihr Hinweise zu dem Adressaten haben, wäre ich über eine Kontaktaufnahme dankbar.

Ach ja … ich finde es erstaunlich, wie rasch die Briefmarkensammler nach diesem jahrelangen, mörderischen Vernichtungskrieg, den die Deutschen losgetreten hatten, begannen, „normal“ zu agieren.

Bis dann

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P.S. Rückschlag

Ich hätte gerne noch das eine oder andere Detail zur Briefmarkenausgabe Wappen und Dichter und dessen Bedeutung für die Saarphilatelie geschrieben und hatte bereits in Rücksprache mit dem zuständigen Vorstandsmitglied Rolf Bechtler eine Bestellung für Informationsmaterial bei der ArGE Französische Zone platziert. Für das unvollständige 2. Kapitel des Handbuchs FZ sollte ich für Euro 10, die Chronologie sowie einige Artikel aus Rundbriefen zu einem Vorzugspreis erhalten. Der Vorstand der ArGe Französische Zone hat jedoch dann überraschen einen Kurswechsels um 180° vorgenommen und mir klar kommuniziert, dass mir diese Informationen von der ArGe Französische Zone nur gegen Zahlung von richtig grossem Geld zur Verfügung gestellt würden.

Ich bin da ganz offen: Ich kann es mir schlicht nicht leisten, für das Handbuch FZ, von welchem ich ein einziges, nicht einmal fertiggestelltes Kapitel benötige, Euro 270 plus Versand und für jeden Rundbrief, aus welchem ich vielleicht – ausgewählt aufgrund des Titels – einen Artikel lesen möchte, Euro 10 pro PDF-Version zu bezahlen.

All die Zeit und den Aufwand für Recherche, für Material, für die Webadressen der Website und des Weblogs, für die Inhalte, für die Information der Leser via Facebook in Höhe von mehreren hundert Euro pro Jahr stemme ich bereits im dritten Jahr finanziell allein und ohne die Leser mit Werbung zu plagen.

Dennoch wird mir seitens der vereinsmässig straff organisierten Philatelie unterstellt, dass ich ja aus meiner angebotenen Prüfertätigkeit Einnahmen generiere und mir die Ausgaben für die Informationen leisten können müsste.

Angebot ist nicht gleich Nachfrage … das sollten insbesondere Vorstände wissen. Ich habe als freier, von Prüfvereinen unabhängiger Prüfer für die Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar bislang für einen einzigen Händler sieben Briefmarkenprüfungen erstellt, die geprüften Marken wurden anstandslos verkauft. Nur, diese Prüfungen habe ich sämtlich gratis, resp. gegen Überlassung einer einzelnen Briefmarke meine Sammlung vorgenommen. Mein Prüfgebiet erfreut sich nicht gerade grosser Nachfrage. Die Ausgaben für die Prüfgeräte, angefangen von Mikroskop, UV-Prüfer, Waage, Mikrometer, Dokumentvorlagen, Siegel etc. sowie die umfangreiche, dahinterstehende Literatur, werde ich wohl bis an mein Lebensende nicht amortisieren.

Doch irgendwelche Vereinsbünzlis wissen es ja immer besser und haben wohl auch noch Spass daran, jedem, der versucht mit seinem Briefmarken-Projekt die Sammler zu informieren und unabhängig von Bezahlangeboten zu machen, dicke Knüppel zwischen die Briefmarken-Beine zu werfen.

Was bleibt: Frust und das Wissen, dass ich euch, die Leser des SAARPHILA-BLOGs, nicht so informieren kann, wie ich es vielleicht möchte.

So, ich musste das loswerden, in den letzten Wochen war ich ganz kurz davor, Saarphila zu beerdigen.

Bis dann

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#saarphila #saarphilatelie