Forschung – Rätselhafte Feldmerkmale beim 12 Pfennig-Wert (IV)

Hallo

… und willkommen zum vierten Beitrag über die nur auf einem Teil der Gesamtauflage auftretenden Feldmerkmale beim 12 Pfennig-Wert der 1. Offenburger Ausgabe. Habt ihr die ersten drei Folgen verpasst? Klickt hier.

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In diesem Beitrag werden wir die in Folge III vorgestellten sieben Feldmerkmale innerhalb der Druckperiode des 12 Pfennig-Werts (30. Dezember 1946 – 8. Januar 1947) zeitlich einordnen. Für diese Aufgabe benötigen wir eine hinreichende Menge von vollständigen Schalterbogen resp. Teilen derselben, bei welchen nebst des entsprechenden Feldmerkmals das Druckdatum (vgl. Bogenrandsignaturen) klar erkennbar ist.

Die erste Bestimmung nehmen wir für das Feldmerkmal 1B vor.

Diese Feldmerkmal ist auf den B-Schalterbogen der Drucktage 30./31. Dezember 1946 sowie 2./3. Januar 1947 nicht zu finden. Es erscheint hingegen auf den Bögen mit den Druckdaten 4.-9. Januar 1947.

Die vorstehende Abbildung zeigt eine Marke vom Feld 6A. Das markierte Feldmerkmal kommt auf Bogen mit den Druckdaten 30./31. Dezember 1946 sowie 2./3. Januar 1947 vor. Auf Bogen nachfolgender Drucktage findet es sich nicht.

Nachfolgend zwei Abbildungen von Feld 22AB. Das eigentliche Feldmerkmal von Feld 22 AB, die Farbflecken ober- und unterhalb der Hände des Bergmanns tritt über die Gesamtauflage auf. Daher konzentrieren wir uns auf das Feldmerkmal Gürtelschnalle resp. Koppelschloss am Hosenbund des Bergmanns.

Feld 22A
Feld 22B

Die Gürtelschnalle kommt auf den Markenbogen mit den Druckdaten 4.-9. Januar 1947 vor. Auf früher hergestellten Bogen findet es sich jedoch nicht.

Feld 41A

Die vorstehende Abbildung zeigt eine Marke vom Feld 41A. Das markierte Feldmerkmal kommt auf den Bogen mit den Druckdaten 4.-9. Januar 1947 vor. Zuvor tritt es auf den Schalterbogen nicht auf.

Nun zu Feld 77B , mit dem auffälligen Merkmal von zwei hellen Flecken auf der Strebwand rechts vom Bergmann.

Feld 77B

Dieses Feldmerkmal kommt ebenfalls erst auf Bogen der Drucktage 4.-9. Januar 1947 vor und ist auf den zuvor hergestellten Bogen nicht zu finden.

Genau gleich verhält es sich mit den nachstehenden Abbildungen von Feld 94B, heller Fleck auf der Strebwand, und 96B Farbfleck in der Rundung der „2“.

Feld 94B
Feld 96B

Das Merkmal von Feld 94B, heller Fleck auf dem Schriftband zwischen den beiden A von SAAR, (vgl. nachstehende Abbildung) kommt hingegen ausschliesslich auf den Bogen mit den Druckdaten 30./31. Dezember 1946 sowie 2./3. Januar 1947.

Feld 94B

Diese sieben Beispiele lassen sich nun gut nach ihrem Auftreten in den Druckperioden „früh“, 31. Dezember bis 3. Januar, und „spät“, 4.-9. Januar, ordnen:

Früh

    • 6A
    • 94B1

Spät

    • 1B
    • 22AB
    • 41A
    • 77B
    • 94B2
    • 96B

Bevor wir uns möglichen Schlussfolgerungen zuwenden, möchte ich neben meiner persönlichen Auswahl an Feldmerkmalen auch diejenigen von Paul Staedels Étude, dem Saarhandbuch und dem Michel analysieren. Passen diese ebenfalls in das obige, recht simple Schema früh/spät?

Paul Staedel führt in den Étude acht Feldmerkmale auf, die nicht auf allen Schalterbogen zu finden sind:

    • Feld 1B (s.o. spät)
    • Feld 6AB (der dunkle Farbfleck in der Punze des R ist ein Reihenmerkmal der 6. Reihe und tritt über die gesamte Auflage auf; mal stärker, mal schwächer, dabei unter anderem auch abhängig von der Druckstärke und Druckfarbe, keine Teilauflage)
    • Feld 6A (s.o. früh)
    • Feld 22AB (s.o. spät)
    • Feld 24B (heller Fleck im zweiten A von SAAR, früh)
    • Feld 41A (s.o. spät)
    • Feld 71A (der dunkle Farbfleck in der Punze des R von SAAR ist ein Reihenmerkmal der 1. Reihe und tritt über die gesamte Auflage auf; mal stärker, mal schwächer, dabei unter anderem auch abhängig von der Druckstärke und Druckfarbe, keine Teilauflage)
    • Feld 96B (s.o. spät)

Das Saarhandbuch gibt bei beeindruckenden 18 Feldmerkmalen an, das diese nur über einen Teil der Auflage aufträten.

    • Feld 10A (zwei Farbflecken an der Strebwand; kommt auf allen Bogen vor, keine Teilauflage)
    • Feld 22AB (s.o. spät)
    • Feld 26A (Farbfleck rechts neben der Kirchturmspitze; tritt auch auf den frühen Bogen auf, nur schwächer ausgeprägt, keine Teilauflage)
    • Feld 32AB (Farbfleck links neben der Kirchturmspitze, tritt auch auf den frühen Bogen auf, nur schwächer ausgeprägt, keine Teilauflage)
    • Feld 37AB (Farbfleck auf der Strebwand links vom Bergmann, spät)
    • Feld 44A (Farbpunkt im Bogen der 2 der Wertangabe 12, spät)
    • Feld 48A (heller Strich verbindet 1 und 2 der Wertangabe 12, spät)
    • Feld 53A (Farbflecken an Ellbogen und auf Hemd, früh)
    • Feld 55A (Farbfleck an einer Getreidepuppe beim vordersten Haus rechts von der Kirche, spät)
    • Feld 61B (heller Fleck am ersten A von SAAR, früh)
    • Feld 77AB (A-Bogen ist ein Fehler, ansonsten s.o. spät)
    • Feld 79A (geschwungener Strich über den rechten Teil des Markenbildes und den rechten Markenrand, spät)
    • Feld 94B (s.o. spät)
    • Feld 96B (s.o. spät)

Der MICHEL listet ausschliesslich Feld 96B, die bereits in der Étude und im SHB abgehandelt wurden.

Schlussfolgerung

Die obigen Fakten lassen nur eine Schlussfolgerung zu. Nach Druckende am Freitag, 3. Januar 1947, und vor Druckbeginn am Samstag, 4. Januar 1947, ist in der Druckerei Burda bei der Herstellung des 12 Pfennig-Werts der 1. Offenburger Ausgabe etwas geschehen. Was genau geschah, wissen wir nicht. Dazu liegen uns auch nach vier Folgen dieser Beitragsserie noch nicht ausreichend Indizien vor. Doch wir wissen bereits, dass:

    • einige Feldmerkmale nach diesem Ereignis nicht mehr vorkommen
    • einige Feldmerkmale erst ab diesem Zeitpunkt auftreten
    • der überwiegende Teil der Feldmerkmale unverändert blieb

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Kann uns die Analyse meiner Druckdatenbank bei der Suche nach der Ursache der Feldmerkmale in Teilauflage unterstützen?

Die Druckdatenbank beinhaltet sämtliche Schalterbogen der 1. Offenburger Ausgabe mit Bogennummer und Druckdatum, die ich besitze oder die mir in den vielen Jahren als Original resp. als Scan vorgelegen haben. Dazu zählen auch die Schalterbogen des Malstatt-Burbacher Drucks Typ I (Urdruck), also derjenigen Werte der 1. Offenburger Ausgabe, deren Schalterbogen für  die Überdruckausgabe im November 1947 verwendet worden waren. Dazu gehören die Werte zu 2, 3, 10, 12, 15, 16, 20, 24, 30, 50, 60 und 84 Pfennig sowie der 1 Mark-Wert.

Ich habe die Daten der Druckdatenbank bereits verwendet, als ich in der Folge III die Druckleistung der Palatia O beurteilt habe. Es war die Daten der Druckdatenbank, die mir ermöglichten, die Anzahl der am 30. Dezember 1946 gedruckten Bogen zu beziffern. Des weiteren kann ich aufgrund der Daten sagen, dass am Donnerstag, 9. Januar 1947, keine Druckbogen hergestellt wurden, sondern nur die Anbringung der Bogenrandsignaturen auf bereits gedruckten Druckbogen erfolgte.

In diesem Zusammenhang ein Aufruf an alle Saar-Sammler. Unterstützen Sie mich durch aussagekräftige Bilder. Sie fördern hiermit ohne grossen Aufwand die Forschung zu den Briefmarkenausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar und ermöglichen weitere Beiträge wie diesen.

Solltet ihr komplette Schalterbogen oder Bogenteile mit Bogennummer und Druckdatum in eurer Sammlung haben, sendet mir doch bitte einen guten Scan mit mindestens 300 dpi Auflösung.

Vielen Dank für eure Unterstützung.

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In der nächsten Folge:

    • Übersicht der Feldmerkmale aller 200 Felder eines Druckbogens des 12 Pfennig-Werts über die gesamte Druckperiode.
    • Schlussfolgerungen aus dem vorliegenden Material

Bis dann

Hier geht’s zum fünften Beitrag.

fünfter Teil

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Forschung – Rätselhafte Feldmerkmale beim 12 Pfennig-Wert (III)

Hallo

… und willkommen zum dritten Beitrag über die nur auf einem Teil der Gesamtauflage auftretenden Feldmerkmale beim 12 Pfennig-Wert der 1. Offenburger Ausgabe. Habt ihr die erste Beiträge verpasst? Klickt für die erste Folge hier und für die zweite  hier.

In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit den drei Produktionsfaktoren Maschine, Mensch und Zeit.

Wir beginnen mit den Maschinen und zwar mit der Rotations-Rastertiefdruckmaschine Palatia O der Schnellpressenfabrik Albert & Cie. oHG, Frankenthal (vgl. Bild, Verwendung mit freundlicher Genehmigung der KBA – FT Engineering GmbH, Frankenthal).

Palatia O, Bild aus einem Werbeprospekt des Jahrs 1935 der Albert & Cie. oHG, Frankenthal

Technische Daten

    • Hersteller: Schnellpressenfabrik Albert & Cie. oHG, Frankenthal
    • Bezeichnung: Palatia O
    • Baujahr: ab 1932 (abgebildete Maschine 1935)
    • Maschinennummer: 17342 (abgebildete Maschine)
    • Energieversorgung: 220 Volt
    • Leistung: Hauptmotor 5 kW, Gebläse 0,6 kW, Kompressor 1,5 kW
    • Druckleistung: 4’500-5’000 Bögen pro Stunde (je nach Zuführereinheit)*
    • Farbwerk: gekapselt

* Angabe nach einem Pressebericht über die Vorstellung der Palatia O an der Dresdner Frühjahrsmesse des Jahres 1932.

Weitere Angaben konnte KBA (König & Bauer AG) – mit welcher Albert & Cie. 1990 fusionierte – mir nicht liefern, da die Werke Würzburg, Radebeul und Frankenthal kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs durch Bombenangriffe zerstört wurden.

Die nachstehende schematische Darstellung des Bogentiefdrucks verdeutlicht schön den Druckvorgang inkl. Trocknung. Rechts erfolgt die Papierbogen-Zuführung, links die Ablage der Druckbögen.

Auf einer vorstehend beschriebenen Palatia O wurden 1946/47 die Werte der Briefmarkenausgabe 1. Offenburger Ausgabe im Rastertiefdruck gedruckt.

Rastertiefdruck? Wisst ihr, was das ist? Ich fasse mich kurz: Rastertiefdruck, auch als Rakeltiefdruck bezeichnet, ist eine Drucktechnik, bei welcher die abzubildenden Elemente auf der Druckform – meist ein Druck- resp. Formzylinder – als gerasterte, flächengleiche, aber unterschiedlich tiefe Näpfchen vorliegen. Die Näpfchen sind die druckenden, die die Näpfchen trennenden Stege die nichtdruckenden Elemente. Wir erkennen den Rastertiefdruck relativ einfach unter der Lupe an den immer gleich grossen Rasterquadraten. Die Druckfarbe liegt plastisch in verschiedener Menge als Raster auf dem Papier. Auf Grund der Rasterung zeigen Schrift und Wertziffern keine geraden, scharf abgegrenzten Kanten, sondern einen Sägezahneffekt. Der Rastertiefdruck ist für den Briefmarkendruck attraktiv, da dieser eine hohe Fälschungs-„Sicherheit“ bei voller Bandbreite der Farbtönungen bietet.

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Ein kurzer Überblick über die Geschichte des Rastertiefdrucks

    • 1822/6: Der Franzose Joseph Niécephore Niépce (1765-1833) führt erstmals auf photomechanischem Weg eine Ätzung einer Kupferplatte durch. Er nennt das Verfahren Héliographie.
    • 1852: William Henry Fox Talbot (1800-1877) entwickelt die Grundlagen für das Pigmentpapier und meldet das Verfahren zum Patent an.
    • 1858: William Henry Fox Talbot entwickelt die stufenweise Ätzung der Kupferdruckplatte durch eine Gelatineschicht mittels Eisenchloridlösungen.
    • 1860: Der Franzose Auguste Godchaux (1825-1884) entwickelt eine Rollentiefdruckmaschine, die von Kienzy in Mühlhausen (Elsass) hergestellt wird.
    • 1864: Sir Joseph Wilson Swan (1828-1914) erhält in Grossbritannien das Patent für die Übertragung von Gelatinebildern auf Metall.
    • 1879: Erfindung der Staubkorn-Héliogravure auf Basis des Lichtdrucks durch Karel Václav Klíč (1841-1926), einen tschechischen Maler, Fotografen und Grafiker .
    • 1895: Verbesserung der Héliogravure durch den Einsatz von Druckzylinder und Rakel durch Karel Václav Klíč und Samuel Fawcett. In ihrer Firma Rembrandt Intaglio Printed Company drucken sie Kunstblättern auf Rotationstiefdruckmaschinen. Aus Gründen der Geheimhaltung wird sogar firmenintern von Druckplatten anstatt Druckzylindern gesprochen und auf eine Patentanmeldung verzichtet.
    • 1908: Der Konstrukteur Carl Blecher entwickelt bei der Maschinenfabrik Kempewerk Nürnberg GmbH die erste Bogentiefdruckmaschine.
    • 1913: Erste Briefmarkendrucke in Halbtonrasterung auf einer rotativ arbeitenden Palatia-Bogentiefdruckmaschine der Schnellpressenfabrik Albert & Cie. oHG in Frankenthal bei Bred’amour Sinhart & Co. und parallel bei F. A. Bruckmann AG, beide in München. Die Tiefdruckfarben bestehen aus einem Gemisch von Benzol und Terpentinöl. Man ist sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht bewusst, dass Benzoldämpfe hochgiftig sind.
    • 1926: Ernst S. Ballard entwickelt in den Vereinigten Staaten das Verfahren der Verkupferung des Tiefdruckformzylinders, welches den Zeitaufwand für die Herstellung der Formzylinder reduzierte. Die sogenannte Ballardhaut ist eine abziehbare Kupferschicht neben der Grundkupferschicht auf dem Tiefdruckzylinder. Die Ballardhaut kann nach dem Druck einfach entfernt und durch eine neue ersetzt, jedoch nicht wieder neu aufgezogen werden. In diese dünne Kupferschicht wird das Druckbild eingearbeitet.
    • 1926: Hans Schulte entwickelt bei Albert & Cie. oHG, Frankenthal eine Trocknungsanlage aus aufgeheizten Metallplatten und Frischluftzufuhr.
    • 1927: Adolph Weiss entwickelt in den USA ein vollgekapseltes Farbwerk, welches die grundsätzlich flüchtigen Tiefdruckfarben tagelang frisch hält und jegliches Spritzen der Farben vermeidet. Zusätzlich wird die Kupferschicht verchromt welches die Haltbarkeit der dünnen Kupferschicht für höhere Auflagen verbessert.
    • 1932: Albert & Cie. oHG, Frankenthal, stellt auf der Leipziger Frühjahrsmesse die Palatia O Bogentiefdruckmaschine mit einer Kapazität – je nach Zuführungseinheit – von 4’500 bis 5’000 Druckbogen pro Stunde vor. Die Leipziger Messe hatte vor der Machtergreifung Hitlers Weltgeltung
    • 1946/7: Die erste Briefmarkenausgabe für das Saarland wird bei der Druckerei Burda in Offenburg auf einer Palatia O Bogentiefdruckmaschine von Albert & Cie. oHG, Frankenthal, gedruckt

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Wie entsteht eine Briefmarke im Rastertiefdruck?

    • Herstellung der Originalvorlage durch den Gestalter, wobei beim Original berücksichtigt werden sollte, dass die gesamte mögliche Bandbreite an Farbtönen ausgenutzt wird. Die Vorlage des Bildmotivs Bergmann im Streb vor stilisierter Saarlandschaft von Vytautas Kazimieras Jonynas lag im Format 110×130 Millimeter vor
    • Die Originalvorlage wird fotografiert
    • Die Zerlegung der Vorlage in druckbare Rasterpunkte erfolgt durch das Vorschalten eines Glasgravurrasters im Strahlengang der Reproduktionskamera kurz vor der Filmebene. Stichwort Glasgravurraster: In zwei runde Glasscheiben werden eng nebeneinanderliegende dünne parallele Linien mit einem Diamanten eingeritzt und mit Asphalt geschwärzt. Die beiden Glasplatten werden nun rechtwinklig zueinander zusammengekittet, so dass quadratische Fenster entstehen. Der Abstand der Linien im Glasgravurraster wird in Linien pro cm (lpcm) resp. Linien pro Zoll gemessen. Man spricht zum Beispiel von einem 60er-Raster, wenn sich 60 Linien auf einem cm befinden. Für die Herstellung der 1. Offenburger Ausgabe wurde ein 70er-Raster verwendet.
    • Es entstehen nach der Belichtung Negative in der Grösse des benötigten Briefmarken-Bildformat
    • Fünf Negative werden zu einem Negativstreifen zusammengesetzt
    • Sorgsame Retusche des Negativs anhand der Originalvorlage
    • Von den Negativstreifen werden auf Halbtondiapositivfilm die benötigte Anzahl Diapositive erstellt
    • 10/20 Diapositivstreifen werden auf einer Montagescheibe zu einem einzigen 50er- resp. 100er-Diapositivbogen zusammengesetzt
    • Vorbereitung des Pigmentpapiers, eines von einer lichtempfindlichen Chromgelatineschicht bedeckten Papiers. Das Pigmentpapier erhält eine gleichmässige Rasterung.
    • Der Diapositivbogen wird durch Belichtung des gerasterten Pigmentpapiers kopiert. Dabei wird der einzelne Diapositivbogen zweimal auf das Papier übertragen und so die Vorlage für einen Druckbogen von 100 resp. 200 Marken hergestellt. Hinweis: Druckbogen zu 100 Marken (2x5o) für die grossformatigen Werte zu 84 Pfennig und 1 Reichsmark; Druckbogen zu 200 Marken (2×100) für die 18 kleinformatigen Werte wie beispielsweise der Wert zu 12 Pfennig.
    • Die Chromgelatine härtet durch die Belichtung aus, wogegen die unbelichteten Teile auswaschbar bleiben. Das Papier wird nach der Belichtung wenige Minuten in kaltem Wasser aufgeweicht.
    • Vorbereitung des Formzylinders, der formatbedingt ein hohes Gewicht hat. Über das Grundkupfer wird eine Trennschicht gelegt auf welche dann die Ballardhaut, eine 100 μm – entspricht 1/10 Millimeter – dünne Kupferschicht galvanisiert wird. Der Formzylinder wird geglättet und gereinigt.
    • Das aufgeweichte Pigmentpapier wird mit der Gelatineschicht nach innen auf die Ballardhaut des Formzylinders geklebt (aufgeklatscht).
    • Mittels warmen Wassers wird das Papier gelöst und die unbelichtete Gelatine entfernt. Auf der Ballardhaut verbleibt nach etwa 20-25 Minuten ein negatives, gerastertes Gelatinerelief.
    • Nebst den Markenbildern wurden auch die Schnitt- und Stosskanten der Diastreifen, bei der Belichtung des Pigmentpapiers übertragen. Diese werden nun sorgfältig manuell mit Asphaltlack überstrichen, um eine Übertragung dieser unerwünschten Konturen auf den Formzylinder beim folgenden Ätzvorgang zu unterbinden. Trotz aller Sorgfalt finden wir heute auf Schalterbögen immer wieder solche Konturstriche. Die nachstehende Abbildung zeigt die Felder 85 und 95 sowie die Stosskante zum anschliessenden 5er-Streifen.

    • Der Formzylinder mit der Ballardhaut wird – häufig durch den Gestalter – im Mehrstufen-Ätzverfahren in Säurebädern aus Eisenchlorid III und Wasser geätzt. Je nach Reliefstärke kann die Säure die Gelatine unterschiedlich stark durchdringen. In der Ballardhaut entstehen hierdurch unterschiedlich tiefe, jedoch flächengleiche Näpfchen. Eine dünne Gelatineschicht erlaubt schnelles Durchdringen, wodurch das Kupfer längere Zeit geätzt wird und somit tiefere Rasternäpfchen erhält (mehr Farbe = dunklerer Ton), bei einer dicken Schicht kann die Säure erst verspätet oder sogar gar nicht zur Platte durchdringen, wodurch diese kaum bis gar nicht geätzt wird. Unterschiedlich tief ausgeätzte Rasternäpfchen, die entsprechend mehr oder weniger Druckfarbe aufnehmen – und damit auch übertragen – können, erlauben eine differenzierte Halbtonwiedergabe. Um ein flüssigkeitsdichtes Näpfchen zu bilden, muss eine vollständig geschlossene Wandung (sogenannte Stege) aufgebaut werden. Aus diesem Grund ist sogar die Schrift im Tiefdruck gerastert, was in allen anderen Druckverfahren ein „Kunstfehler“ wäre.
    • Die Gelatineschicht wird mit warmen Wasser vom Formzylinder abgewaschen
    • Der Formzylinder wird gereinigt und getrocknet
    • Der Formzylinder wird äusserst vorsichtig retuschiert: d.h. Spezialisten versuchen, Fehler durch Manipulation der einzelnen Näpfchen – diese sind zwischen 4 und 40 Mikrometer tief – mittels eines Stichels zu korrigieren. Dazu braucht es gute Augen und eine sehr ruhige Hand.
    • Der Formzylinder wird in der Regel mit einer hauchdünnen Chromschicht versehen, die das „weiche“ Kupfer härtet.
    • Einbau des Formzylinders in die Druckmaschine, was etwa 3 Stunden Zeit benötigt
    • Einfärben des Formzylinders (dieser rotiert in einer mit dünnflüssiger Druckfarbe gefüllten Wanne). Die Näpfchen werden mit Farbe überflutet.
    • Entfernen der überschüssigen Druckfarbe durch eine Rakel (Rakelmesser, Stahllineal) resp. einen Wischer. Diese Vorrichtung liegt auf den Stegen der Näpfchen auf, wodurch die Druckfarbe ausschliesslich in den Näpfchen verbleibt, die Stege hingegen farbfrei bleiben. Die überschüssige Druckfarbe fliesst in die Farbwanne zurück.
    • Mit hohem Anpressdruck wird der Papierbogen vom Gegendruckzylinder, auch Presseur genannt, gegen den Formzylinder gepresst. Anpressdruck und Adhäsionskraft bewirken die Übertragung der Farbe aus den Näpfchen des Formzylinders auf den zwischen den beiden Zylindern befindlichen Papierbogen (vgl. schematische Abbildung zu Beginn des Beitrags).

Nun versteht ihr sicherlich, dass ich im letzten Beitrag schrieb, ihr würdet über die Naivität des Erklärungsansatzes I lächeln. Selbst bei äusserster Sorgfalt – denkt allein an die manuelle Abdeckung der Stosskanten mit Asphaltlack – dürfte es nicht möglich gewesen sein, zwei Formzylinder herzustellen, die sich nur in winzigen Merkmalen einiger weniger Felder voneinander unterscheiden.

Der Vollständigkeit halber: Was passierte nach dem eigentlichen Druckvorgang mit den Druckbögen?

    • Sichtkontrolle der Druckbogen und Aussortieren von Makulatur
    • Bogenranddruck von Bogennummer und Druckdatum in einer Buchdruckschnellpresse Typ Rex
    • Perforation von jeweils 4 Druckbögen in einer automatischen Titan Flachperforiermaschine
    • Teilung des Druckbogens in zwei Schalterbogen (A/B) mittels eines Planschneiders
    • Sichtkontrolle der Schalterbogen und Austausch fehlerhafter Bogen unter Beibehaltung der Reihenfolge (Stichwort: Bogennummern)
    • Registrierung und Verpackung der fertigen Schalterbogen sowie Versandvorbereitung

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Der Faktor Mensch

Soviel zum Faktor Maschine. Wenden wir uns dem Faktor Mensch zu, denn es waren Menschen, welche die Briefmarken der Freimarken Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar hergestellt haben. Da war zum einen Franz Burda (1903-1986), der Besitzer der Druckerei Burda in Offenburg. Franz Burda war ein Anhänger Adolf Hitlers, Mitglied der NSDAP und hatte vom 1000-jährigen Reich wirtschaftlich profitiert. Mit rund 180 Mitarbeitern gehörte Burdas Betrieb zu den grösseren in Offenburg.

Franz Burda

Die französischen Besatzungsbehörden in Baden-Baden, insbesondere der einflussreiche Leiter der Education Publique, General Raymond Schmittlein (1904-1974), sowie seine linke und rechte Hand Irène Emilie Giron (1910-1988), legten viel Wert auf eine rasche „Umerziehung“ der deutschen Jugend. Die hierzu benötigten neuen Schulbücher, Kartenwerke etc. wurden wie auch die Truppenzeitschrift Revue d’Information in Offenburg bei Burda gedruckt, obschon die braune Vergangenheit von Franz Burda in Baden-Baden durchaus bekannt war und sich innerhalb der französischen Administration Widerstand gegen die Einbeziehung Burdas regte.

Raymond Schmittlein

Franz Burda wurde im Spätherbst 1946 nach Baden-Baden zitiert und erhielt dort den Druckauftrag für eine Briefmarkenserie vom Militärgouverneur General Pierre Kœnig sowie dem Direktor der P.T.T. de Zone d’Occupation Française en Allemagne, Raymond Croze (1908-1978). Nur: Die Druckerei Burda und ihre Mitarbeiter hatten noch nie zuvor Briefmarken hergestellt.

Doch in erster Linie ging es den Mitarbeitern der Druckerei im Winter 1946/47 wie allen anderen Deutschen und Österreichern im ehemaligen Grossdeutschen Reich – schlecht! Den selbst angezettelten Krieg verloren. Das Grossdeutsche Reich in Trümmern, aufgeteilt und besetzt. Die eigene Borniertheit, Dummheit und Grausamkeit vor aller Welt ausgebreitet. Parias in einer sich scheinbar zusammenschliessenden Weltgemeinschaft. Der Winter 1946/47 war bereits der zweite Hungerwinter nach dem Krieg, doch nun kamen zu Mangelernährung erschwerend Temperaturen von bis zu minus 20 Grad Celsius hinzu. Es war einer der strengsten Winter des 20. Jahrhunderts. Von Anfang November bis Mitte März herrschten in weiten Teilen Europas arktische Temperaturen. Selbst in geheizten Wohnungen sank die Temperatur auf 5 Grad und in der Nacht bildete sich auf dem Wasser der Waschschüsseln Eis. Sehr viele Menschen hatten aber noch nicht einmal ein richtiges Dach über dem Kopf. Die abgebildete Nissenhütte war purer Luxus, denn obschon fast nicht zu heizen, war diese wenigstens bei Regen dicht. Das konnte man von Zeltsiedlungen und Kellerwohnungen in ausgebombten Häusern nicht behaupten.

Nissenhütte aus Wellblech 1947

Die Elbe war komplett, der Rhein zwischen Basel und Köln auf 60 km vereist. Die Infrastruktur, insbesondere das für die Versorgung so wichtigen Eisenbahnnetz zerstört. Die Versorgung mit Lebensmitteln und Heizmaterial brach vielerorts komplett zusammen. 

Menschen warten im Januar 1947 auf einen Kohlenzug, um evtl. herunterfallende Kohlen aufzulesen

Der  Zentralausschuss für Ernährung für die Zone d’Occupation Francaise en Allemagne in Baden-Baden erklärte Anfang 1947, die Mehrheit der Bevölkerung sei „gezwungen, ihr Leben mit Rationen zu fristen, die nur etwa ein Drittel des durch den ehemaligen Völkerbund anerkannten physiologischen Minimums von 2400 Kalorien betragen“. Das bedeutete ein paar wenige Haferflocken zum Frühstück, eine dünne Wassersuppe als Mittagessen und ein Stück Brot und eine Steckrübe zum Abendessen. Die hungernden und frierenden Menschen reimten eine neue Nationalhymne: „Deutschland, Deutschland, ohne alles … ohne Butter, ohne Speck. Und das bisschen Marmelade frisst uns die Besatzung weg“.

Die begrenzten Transportkapazitäten, die immer wieder zusammenbrechende Energieversorgung sowie die weitreichenden Zerstörungen insbesondere in den grösseren Städten führten in vielen Betrieben zu Versorgungsengpässen und Produktionsunterbrüchen. Ein Beispiel: Druckfarbe war Mangelware. In ganz Deutschland war bloss ein einziges grösseres Farbwerk nicht durch Bombardierung oder Häuserkampf zerstört worden und konnte Farbe herstellen. Nur: Das Siegwerk lag in der britischen Besatzungszone, die Druckerei Burda in der französischen. Der Warenverkehr zwischen den Besatzungszonen war verboten. Franz Burda erhielt von den französischen Behörden eine Sondergenehmigung und die notwendigen Papiere für den „Import“ von Farbe. Er hat dann mehrmals in Begleitung von zwei französischen Offizieren persönlich die Druckfarben im Siegburger Werk abgeholt. Den LKW steuerte er selbst, nach den Worten eines damaligen leitenden Mitarbeiters des Siegwerks Dr. Willy Hümmelchen „gekleidet in der Montur eines Fahrers“. Woher die für den Druck zusätzlich benötigte Menge an Lösungsmitteln stammte, ist bis heute nicht klar. Es wird spekuliert, dass diese aus einem der vielen Wehrmachtsdepots requiriert wurden.

Die Lernkurve der Druckereimitarbeiter war steil und musste es sein, denn die Gesamtauflage von etwas über 63 Mio. Briefmarken wurde innerhalb von nur 45 Drucktagen produziert, verpackt und versandt. Die Wochenarbeitszeit betrug damals jedoch auch nicht 36 oder 38 Stunden, sondern eine 48 Stunden/6 Tage-Woche war die Regel, Überstunden – bezahlt oder unbezahlt – nicht mitgerechnet. Die französischen Behörden waren schlussendlich von den Marken der 1. Offenburger Ausgabe so begeistert, dass Burda den Auftrag erhielt, von 1947-1949 auch die Briefmarken für die neugegründeten deutschen Länder Südbaden, Rheinpfalz sowie Württemberg-Hohenzollern zu produzieren.

Die Begeisterung der französischen Behörden über die Briefmarken war nicht nur der Arbeit der Drucker geschuldet, sondern auch den hervorragenden Vorlagen des Gestalters Vytautas Kazimieras Jonynas (1907-1997).

Vytautas Kazimieras Jonynas                              © Vytautas Maželis (www.vle.lt)

Der litauische Künstler Jonynas, seit 1938 Offizier der französischen Ehrenlegion, 1944 von Litauen ins Deutsche Reich emigriert, leitete seit 1946 in Freiburg/Br. an der Wonnhaldestrasse 1 die École des Arts et Métiers de Fribourg und war Kunstbeirat der französischen Militärbehörden. Den Auftrag zur Gestaltung der Bildmotive zu den Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar erhielt er durch Vermittlung seines guten Freunds General Raymond Schmittlein von P.T.T Direktor Raymond Croze. Einziges Manko: Auch Jonynas hatte noch nie zuvor Briefmarken hergestellt. Doch er war ein herausragender Grafiker und hatte sowohl für seine Holzschnitte als auch für seine Plakate bereits Goldmedaillen erhalten. Jonynas nahm die ihm übertragene Aufgabe ernst. Er lieferte nicht nur die Vorlagen für die Bildmotive, sondern begleitete darüber hinaus in der Druckerei die technische Ausführung bis zum letzten Ausdruck. Aber eben: der Formzylinder des 12 Pfennig-Werts war nach dem Druckszlinder für den 75 Pfennig-Wert erst sein zweiter.

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Der Faktor Zeit

Die Auflage des 12 Pfennig-Werts betrug 12’020’000 Marken (= 120’200 Schalterbogen = 60’100 Druckbogen à 200 Marken) und wurde gemäss Saarhandbuch und Étude in der Zeit zwischen dem 30. Dezember 1946 und dem 9. Januar 1947 gedruckt (1). Druckfreie Tage:

    • Mittwoch, 1. Januar 1947 (Neujahr)
    • Sonntag, 5. Januar 1947 (der Sonntag war nicht immer arbeitsfrei)
    • Montag, 6. Januar 1947 (Dreikönigstag)

Am ersten Drucktag, Montag dem 30. Dezember 1947, wurden noch etwa 300 Druckbögen des 75 Pfennig-Werts gedruckt, der alte Formzylinder ausgebaut, die Palatia O gründlich gereinigt, neue Farbe eingefüllt und der neue Formzylinder eingebaut. Diese Arbeiten waren zeitraubend, weshalb am ersten Drucktag nachweisslich nur rd. 2’300 Druckbogen hergestellt wurden. Für die restlichen vorgesehenen sieben Drucktage verblieben rd. 57’700 Druckbogen plus eines kleinen Überschusses als Ersatz für die anfallende Makulatur. Also rd. 8’250 Druckbögen pro Tag.

Bestand während der Herstellung des 12 Pfennig-Werts zeitlicher Druck, weil evtl. die Druckleistung der Palatia O unter den gegebenen Umständen für die recht hohe Auflage nicht ausreichte? Zur Druckleistung der Palatia O bei der Druckerei Burda kommen wir gleich. Waren bei der Planung jedoch auch ausreichend Drucktage vorgesehen worden?

Hätte sich nach den ersten Drucktagen gezeigt, dass für die Herstellung mehr Tage als vorgesehen benötigt wurden, hätte die Möglichkeit bestanden, die Belegschaft am Sonntag, den 5. Januar 1947, arbeiten zu lassen. Sonntagsarbeit wurde zwar nur wenn unbedingt nötig angeordnet – und das geschah beim Druck der 1. Offenburger Ausgabe nur am 16. Februar 1947 beim Druck des 8 Pfennig-Werts. Des weiteren sollte nach Abschluss der Herstellung des 12 Pfennig-Werts als nächstes der 45 Pfennig-Wert gedruckt werden. Dies geschah jedoch erst am Montag, 13. Januar 1947. Der 10./11. Januar 1947 hätten also bei Zeitdruck als Drucktage „eingeschoben“ werden können.

Die Marken des bereits im Dezember 1946 hergestellten 75 Pfennig-Werts sowie des 12 Pfennig-Werts wurden schlussendlich am Freitag, 10. Januar 1947 von der Druckerei Burda für den Versand vorbereitet, auf LKW verladen und verschickt. Dies hätte problemlos erst einen Tag später, am Samstag geschehen können, denn diese beiden Werte sollten ja erst am 20. Januar 1947 an die Postschalter des Saarlands gelangen. Auch aus dieser Perspektive hätte der 10. Januar 1947 als weiterer Drucktag „eingeschoben“ werden können. Fazit: Es bestand bei der Herstellung des 12 Pfennig-Werts  offensichtlich kein Zeitdruck.

Wie hoch war nun die effektive Druckleistung der Palatia O im Jahr 1946/47 unter den gegebenen, nicht gerade optimalen Rahmenbedingungen? Dazu wollen wir uns einige Beispiele ansehen.

Beispiel 1: Mir liegt mir der Schalterbogen 16721 vom 4. Januar 1947 vor. Die Bögen wurden rückwärts zählend von 60’000 zu 0 nummeriert. Gehen wir davon aus, dass der Druckbogen mit der Nummer 16721 der letzte am Samstag gedruckte Bogen war – der erste war es nicht, denn es sind Bogen mit höheren Bogennummern vom 4. Januar bekannt – ergibt sich für die fünf Drucktage 30. Dezember bis 4. Januar eine durchschnittliche Druckleistung von 8’675 Druckbogen pro Drucktag, obschon am ersten Drucktag nachweislich nur etwa 2’300 Druckbogen produziert wurden (vgl. den zweiten Absatz dieses Abschnitts). Fazit: Sieben Drucktage für die Gesamtauflage von ca. 60’200 Druckbogen (inkl. Ausschuss etc.).

Beispiel 2: Dieses Mal anhand der 20/10/60 Pfennig-Werte: In den drei Tagen vom 12.-14 Februar 1947 wurde eine nicht genau bekannte Restauflage des 20 Pfennig-Werts, die Gesamtauflage des 10 Pfennig-Werts von 20’200 Druckbogen und die Gesamtauflage des 60 Pfennig-Werts von 5’100 Druckbogen hergestellt. Also mindestens 25’300 Druckbögen resp. 8’433 Druckbogen pro Drucktag. Und dies trotz zweimaligen Wechsels des Formzylinders – von 20 Pf. auf 10 Pf. auf 60 Pf. – sowie den notwendigen intensiven Reinigungs- und Wartungsarbeiten. Fazit: Auch hier erkennen wir, dass die sieben Drucktage für die Herstellung der Gesamtauflage ausreichten.

Die Autoren des SHB geben für die Palatia O beim Druck der 1. Offenburger Ausgabe ebenfalls eine Druckleistung von rd. 8’000 Druckbogen pro Tag an. Diese Druckleistung ist zwar weit entfernt von den Zahlen, die der Hersteller 1932 angegeben hatte. Aber unter der Berücksichtigung der vorstehend geschilderten Umstände der direkten Nachkriegszeit dennoch eine respektable Leistung.

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In der nächsten Folge:

    • Mögliche Zuordnung einzelner Feldmerkmale zu Drucktagen resp. Bogennummern (vgl. Bogenrandsignaturen)
    • Schlüsse aus der Saarphilatelie-Druckdatenbank

Bis dann

Hier geht’s zum vierten Beitrag.

Vierter Teil

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Anmerkung

(1) Der 9. Januar 1947 war kein Drucktag des 12 Pfennig-Werts. Es wurden 100 bereits hergestellte und überzählige Druckbogen aus der Druckreserve mit Bogenrandsignaturen versehen und weiterverarbeitet. Die Bogennummern der hinzugefügten Bogen sind 60100-60001. Die Auflage wurde so von 12’000’000 auf 12’020’000 erhöht, weshalb auch immer. Desweiteren wurden einige mangelhafte Bogen ausgetauscht und erhielten ebenfalls das Datum des Bogenranddrucks 9. Januar 1947.

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Forschung – Rätselhafte Feldmerkmale beim 12 Pfennig-Wert (II)

Hallo

… und willkommen zum zweiten Beitrag über die nur auf einem Teil der Gesamtauflage auftretenden Feldmerkmale beim 12 Pfennig-Wert der 1. Offenburger Ausgabe. Solltet ihr den ersten Beitrag verpasst haben, hier klicken.

Zu Beginn dieser Folge etwas für das Auge. Die nachfolgenden Abbildungen zeigen die sieben aus meiner Sicht auffälligsten Feldmerkmale, welche nicht auf sämtlichen Schalterbögen des 12 Pfennig-Werts auftreten. Die Abbildungen werde ich jeweils kurz kommentieren.

 

Zweimal Feld 1B, also das erste Feld oben links eines B-Bogens, des linken Teils eines Druckbogens. Die rechte Abbildung weist einen dunklen Farbfleck am Streb links vom Bergmann auf (vgl. rote Markierung), die auf der linken Abbildung fehlt. Beschrieben hat dieses Feldmerkmal ausschliesslich Paul Staedel in seiner Étude (S. 21, 6 m: Tache de couleur au rocher à gauche). Er gibt zu diesem Merkmal an, dass der dunkle Fleck auf den Bogen mit den Druckdaten 7./8./9. Januar 1947 auftritt.

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Obige Abbildungen zeigen jeweils das Feld 6A von zwei unterschiedlichen Schalterbögen. Linke Abbildung mit dem Feldmerkmal heller Fleck mit Hof links am Querstrich des ersten A von SAAR, rechte Abbildung ohne dieses Merkmal, dafür mit einem dunklen Farbfleck unten an der rechten Seite des Schriftbands SAAR. Das linke Feldmerkmal wird in der Étude erwähnt (S. 21, 6 j: Gros point blanc dans le 1re A). Paul Staedel gibt in diesem Fall an, dass das Merkmal auf Bogen mit den Druckdaten 30./31. Dezember 1946 sowie 2./3. Januar 1947 auftritt. Der Michel listet das linke Feldmerkmal in seinem Saar-Katalog unter MiNr. 211XY V weisser Punkt links am Querstrich des ersten A in SAAR (Feld 6). Die Michel-Redaktion gibt im Gegensatz zur Étude keinen Hinweis darauf, dass dieses Feldmerkmal nur auf Bogen eines Teils der Gesamtauflage auftritt. Das rechte Feldmerkmal findet nirgendwo Erwähnung.

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Gleich viermal Feld 22. Obere Reihe vom A-Bogen, untere Reihe vom B-Bogen. Das auf allen vier Marken auftretende Feldmerkmal sind die dunklen Farbflecken ober- und unterhalb der Faust des Bergmanns (jeweils mit zwei waagerechten roten Pfeilen markiert). Auf den rechten Marken ist jeweils noch ein Fleck auf dem Hosenbund des Bergmanns zu erkennen. In der oberen Reihe schwach, in der unteren Reihe stark ausgeprägt.

    • In der Étude wird das generell vorkommende Feldmerkmal mit 6 d und der dunkle Fleck auf dem Hosenbund (Abb. untere Reihe rechts) mit 6 e aufgeführt. Für 6 e gibt Paul Staedel an, dass das Feldmerkmal auf Bogen des Druckdatums 7./8. Januar 1947 zu finden sei.
    • Das Saarhandbuch führt im Kap. 402, S. 21 das generelle Feldmerkmal unter 22AB Farbflecke oberhalb und unterhalb der Hand und den dunklen Fleck auf dem Hosenbund unter 22B Koppelschloss (Gürtelschnalle) stark sichtbar (Teilauflage). Das nur schwach auftretende Koppelschloss (Abb. obere Reihe rechts) figuriert unter 22A Nur schwach sichtbar (Teilauflage)
    • Der Catalogue F.S.A. (sowohl 3e wie auch 4e Edition) führt das generell vorkommende Feldmerkmal unter 201 f: grosse Tache près du poignet.
    • Der MICHEL® führt in seinen Saar-Katalogen das Feldmerkmal als 211XY II Farbflecke über und unter der Faust und Fleck im Gürtel (Gürtelschnalle) (Feld 22).

Die Angabe „Feld 22“ in MICHEL® Briefmarken-Katalogen ist die etwas verwirrende Kurzform von Feld 22AB, und bedeutet wie die ausgeschriebene Variante, dass das beschriebene Feldmerkmal sowohl auf A- wie auch auf B-Bogen auftritt. Der Sammler findet im Michel jedoch nirgends einen Hinweis, dass zwar die Farbflecke oberhalb und unterhalb der Hand des Bergmanns auf sämtliche Schalterbogen vorkommen, nicht jedoch die Gürtelschnalle.

Was macht ihr nun, falls euch eine Marke mit dem Feldmerkmal dunkle Farbflecken ober- und unterhalb der Faust des Bergmanns, jedoch ohne Gürtelschnalle wie jeweils links abgebildet in die Finger fällt? Das Feldmerkmal des Feldes 22AB sind die Farbflecken, nicht die Gürtelschnalle. Ich weiss von mehreren Prüfern, dass sie Marken auch entsprechend prüfen und attestieren. Ein solches Vorgehen entspricht auch eher den Kategorisierungen des Feldmerkmals von Étude, SHB sowie F.S.A..

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Die vorstehenden Abbildungen zeigen jeweils eine Marke vom Feld 41A. Links mit unversehrtem Schriftband SAAR, rechts weist das Schriftband an der linken unteren Ecke Einkerbungen auf. Einzige Erwähnung des Feldmerkmals findet sich in der Étude unter 6 k: Cadre du bas mutilé à gauche.

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Zwei Marken vom Feld 77B. Die zwei hellen Flecken auf der Strebwand rechts vom Bergmann sind dem SHB und der Michel-Redaktion nicht entgangen. Keine Erwähnung dagegen in der Étude und im Catalogue F.S.A.

    • SHB: 77AB Weisse Punkte rechts neben dem Bergmann in der Höhle (Teilauflage)
    • MICHEL®: 211XY VIII weisser Fleck rechts in der Höhle (Feld 77)

Sowohl SHB wie auch MICHEL® weisen den Sammler jedoch nicht darauf hin, dass dieses Feldmerkmal nur bei einem Teil der Gesamtauflage auftritt.

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Nochmals ein heller Fleck. Nur an zwei unterschiedlichen Stellen des Markenbildes. Dennoch zeigen die beiden Abbildungen Marken vom Feld 94B; jedoch von unterschiedlichen Schalterbogen. Das linke Feldmerkmal nenne ichvorläufig 94B1 und das rechte 94B2. Feld 94B1 wird erwähnt:

    • Étude6 o Point blanc entre A et A
    • SHB: 94B Weisser Punkt zwischen den beiden A (Teilauflage)

Catalogue F.S.A. und der MICHEL führen Feld 94B1 nicht auf. Feld 94B2, der weisse Fleck auf der Strebwand rechts vom Bergmann (Abb. rechts) findet gar keine Erwähnung.

_____

 

Zwei Marken vom Feld 96 B. Dieses Feldmerkmal wird von Étude, SHB, Catalogue F.S.A. und Michel geführt und bis auf Catalogue F.S.A. von allen korrekt als nur in Teilauflage vorkommend erkannt.

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Findet ihr euch noch zurecht? Wisst ihr noch, welcher Autor resp. welche Redaktion, welches Feldmerkmal korrekt klassifiziert hat und wer nicht? Ich bin überzeugt, diese kleine Übersicht ist hilfreich.

Diese Übersicht über die sieben auffälligsten Feldmerkmale des 12 Pfennig-Werts, welche nur auf einem Teil der gedruckten Schalterbögen vorkommen, soll euch drei Einsichten vermitteln:

    • wie klein die Unterschiede zwischen den einzelnen Marken resp. die Feldmerkmale sind, mit welchen wir uns hier beschäftigen;
    • wie inkoherent bei den Autoren/Redaktionen in grossen Teilen mit dem Thema Feldmerkmale in Teilauflage umgegangen wurde;
    • wie dem Sammler zwar Merkmale präsentiert, aber die entsprechenden Erklärungen hierzu schuldig geblieben werden.

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Der letzte Punkt bringt uns zu unserem nächsten Thema. Was könnte die Ursache für Feldmerkmale sein, die nur auf einem Teil der produzierten Schalterbögen erscheinen?

Eine Gemeinsamkeit der im vorhergehenden Abschnitt vorgestellten Feldmerkmale springt ins Auge. Sie treten nur auf einem Bogenteil – entweder A oder B – auf. Weshalb ist dieser Umstand wichtig? Wenn ein Feldmerkmal sowohl auf dem A- wie auch auf dem B-Bogen auftritt, wissen wir, dass die Ursache in der Diapositivphase des Rastertiefdrucks zu suchen ist (vgl. hier). Dies ist bei all den Feldmerkmalen, die nur bei einem Teil der Auflage auftreten nicht der Fall.

In einem vorhergehenden Beitrag hatte ich bereits mögliche Ursachen für Feldmerkmale bei der 1. Offenburger Ausgabe aufgelistet:

    • Abweichungen bei den Negativen der verwendeten Aufnahmen, Negativphase (selten)
    • Abweichungen in der Diapositivphase (beide Teile des Druckbogens betroffen)
    • Abweichungen bei der Übertragung des Pigmentpapiers auf den Druckzylinder (resp. korrekt Formzylinder)
    • Abweichungen beim Ätzvorgang des Formzylinders (z.B. unzureichend oder zu viel aufgebrachter Asphaltlack)
    • Abweichungen beim Druckvorgang (z.B. Staub, Dreck, Beschädigung des Formzylinders oder des Rakelmessers)

Bis auf den letzten Punkt kommen alle Ursachen als Erklärung für Feldmerkmale auf einem Teil der Auflage aus den nachstehenden Gründen nicht in Frage:

    • Negativphase, da das entsprechende Merkmal häufiger erscheinen müsste
    • Diapositivphase, da das Feldmerkmal dann auf beiden Schalterbogen auftreten müsste
    • Übertrag Pigmentpapier, das Feldmerkmal müsste über die gesamte Auflage erscheinen
    • Abweichung Ätzvorgang, das Feldmerkmal müsste über die gesamte Auflage erscheinen

Als einzige mögliche Ursache für die Teilauflage bleibt die Druckphase. Damit wären wir bei der grossen Frage: Was ist wann während des Drucks geschehen?

Erklärungsansatz I: Frage ich Briefmarkenprüfer oder andere Saarsammler nach der Ursache der Teilauflage, erhalte ich unisono die im Brustton der Überzeugung vorgebrachte Antwort: „Es wurden für den Druck des 12 Pfennig-Werts zwei unterschiedliche Druckplatten angefertig.“

Diese verblüffend simple Erklärung würde – so sie denn korrekt wäre – das Erscheinen von Feldmerkmalen auf nur einem Teil der Auflage sehr elegant erklären. Zuerst wurde eine erste Platte verwendet und diese nach einer gewissen Anzahl Drucktage – weshalb auch immer – durch eine zweite Platte ersetzt. Die erste Platte war unterschiedlich gestaltet und wies andere Feldmerkmale auf, als die zweite. Ist doch alles ganz logisch oder?

Denkt bitte über den vorgebrachten Erklärungsansatz genau nach – ohne lange dabei zu verweilen, dass bei der Herstellung sämtlicher Werte der 1. Offenburger Ausgabe gar keine Druckplatten, sondern Formzylinder zum Einsatz kamen – und betrachtet dabei das durchgehend auftauchende Merkmal von Feld 22AB. Na? Fällt der Groschen? Nein?

Das SHB listet zwar ganz erstaunliche 18 Feldmerkmale in Teilauflage (vgl. Folge I); was jedoch im Umkehrschluss bedeutet, dass 182 Markenfelder (ein Druckbogen 12 Pfennig-Wert = 200 Markenfelder) über die gesamte Auflage hinweg plusminus gleich bleiben. Es existieren mehr unveränderte Feldmerkmale über die gesamte Auflage und über alle sieben Drucktage hinweg, als Feldmerkmale, die ausschliesslich auf einigen wenigen Schalterbogen auftreten. Falls tatsächlich zwei Formzylinder (beim Rotations-Rastertiefdruck kommen selbstredend keine Druckplatten zum Einsatz) für den 12 Pfennig-Wert hergestellt worden wären, fändet ihr es nicht sehr erstaunlich, wenn diese sich nur auf ganz wenigen Markenfeldern unterscheiden würden? In der kommenden Folge schildere ich, wie die Formzylinder für die Werte der 1. Offenburger Ausgabe hergestellt wurden. Spätestens dann werdet ihr über die unglaubliche Naivität des hier kolportierten Erklärungsansatzes lächeln.

Erklärungsansatz II: Hierbei handelt es sich um eine Variation des ersten Erklärungsansatzes. Es wurden zwei Druckmaschinen eingesetzt. Dieser Ansatz wirft sogar noch mehr Fragen auf, als der erste. Unter anderem die Frage, weshalb – wenn es denn tatsächlich eine zweite Rotations-Rastertiefdruckmaschine Palatia O gegeben hätte – diese a) nicht im Parallelbetrieb lief und b) nicht beim Druck sämtlicher folgender Werte zum Einsatz kam (der 12 Pfennig-Wert war ja erst der zweite Wert der 1. Offenburger Ausgabe nach dem 75 Pfennig-Wert, der bei Burda gedruckt wurde). Auch das Saarhandbuch schreibt unmissverständlich, dass „der Druck auf einer einzigen Bogentiefdruckmaschine Palatia O erfolgte“.

Im Verlauf der Druckphase kam es im Januar 1947 zu einem Ereignis, welches einige wenige Markenfelder veränderte, ohne die anderen Markenfelder zu berühren. Was war dies für ein Ereignis?

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In der nächsten Folge:

    • Der Faktor Maschine
      • Technische Details zur Rotations-Rastertiefdruckmaschine Palatia O
      • Schilderung der Arbeitsschritte bei der Briefmarkenherstellung im Rastertiefdruckverfahren
    • Der Faktor Mensch
      • Die Erfahrungen der Mitarbeiter der Druckerei Franz Burda
      • Die Erfahrung des Gestalters Vytautas Kazimieras Jonynas mit der Briefmarkenherstellung im Rastertiefdruckverfahren
    • Der Faktor Zeit
      • Der Druckzeitraum/die Drucktage
      • Gesamtauflage und Druckkapazitäten

Bleibt dran.

Bis dann

Hier geht’s zum dritten Beitrag.

Dritter Teil

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Forschung – Rätselhafte Feldmerkmale beim 12 Pfennig-Wert (I)

Hallo

In diesem Beitrag hatte ich angekündigt, dass – bald 72 Jahre nach dem Druck der 1. Offenburger Ausgabe (BuS I) – eine der grossen Forschungsfragen beantwortet sei.

Worum geht es? Als Sammler der 1. Offenburger Ausgabe stellt ihr bei der Durchsicht des umfangreichen Verkaufsangebots wie auch eurer eigenen Sammlung mit der Zeit fest, dass offensichtlich einige Feldmerkmale seltener auftauchen, als andere. Dieses Phänomen ist durchaus keine Einbildung und zwei Erklärungen hierfür sind ziemlich offensichtlich:

    • Ein Feldmerkmal kommt nur auf dem A- resp. dem B-Bogen eines bestimmten Wertes vor und ist damit nur halb so häufig zu finden wie ein Feldmerkmal, welche auf beiden Teilen eines Druckbogens erscheint.
    • Es macht einen Unterschied, ob ein Feldmerkmal beispielsweise beim 25 Pfennig-Wert mit einer Auflage von 1 Mio. Marken auftritt, beim 12 Pfennig-Wert mit einer Auflage von 12 Mio. Marken oder beim 24 Pfennig-Wert mit 15 Mio.

Soweit, so klar. Nun wird es komplexer. Beim 12 Pfennig-Wert, mit dem wir uns in dieser Beitragsreihe beschäftigen werden, finden sich Feldmerkmale, die nicht nur aus vorstehenden Gründen selten sind, sondern weil diese Feldmerkmale nur auf den Druck- resp. Schalterbogen bestimmter Druckdaten erscheinen. Wir erinnern uns: Auf Schalterbogen französischer Provenienz wurde auf dem Bogenrand das Druckdatum des jeweiligen Bogens aufgedruckt. Der Druck des 12 Pfennig-Wertes erfolgte verteilt über sieben Drucktage. Da macht es für die Seltenheit – und damit auch für den Wert – eines bestimmten Feldmerkmals durchaus einen Unterschied, ob dieses ausschliesslich auf den Druckbogen eines Drucktages auftritt oder auf sämtlichen Druckbogen aller Drucktage.

Bislang wurde meines Wissens nach keine befriedigende Erklärung publiziert, weshalb beim 12 Pfennig-Wert auffällige Feldmerkmale wie beispielsweise die der Felder 1B, 6A, 77B, 94B oder 96B nicht über die gesamte Druckperiode resp. des Feldes 22AB nicht in derselben Ausprägung nachweisbar sind. In Katalogen und Handbüchern findet sich bei diesen Feldmerkmalen – falls dieser Umstand überhaupt Erwähnung findet – der Hinweis Teilauflage, ohne jedoch detailliert darauf einzugehen, in welchem Teil der Gesamtauflage denn nun diese Feldmerkmale zu finden seien. Für Sammler und Spezialisten ist dies ein äusserst unbefriedigender Zustand.

In diesem und fünf folgenden Beiträgen werde ich mit euch Schritt für Schritt die Lösung des Rätsels erarbeiten. Wir werden hierzu noch tiefer als in den vorhergehenden Beiträgen zu den wiederkehrenden Feldmerkmalen in die komplexen Abläufe des Rastertiefdrucks wie auch des gesamten Herstellungsprozesses eintauchen. Dabei erfahren wir viel über die – aus heutiger Sicht – turbulenten Bedingungen, die während des Drucks des 12 Pfennig-Werts über den Jahreswechsel 1946/47 herrschten. Die Vorarbeit bildet eine detaillierte Untersuchung von sehr vielen A- und B-Bögen des 12 Pfennig-Werts aller bekannten Druckdaten.

Diese Beitragsserie widme ich meinem langjährigen Gönner Hans-Jürgen Steffen, ohne dessen grosszügige Unterstützung diese Forschungsarbeit nicht hätte realisiert werden können.

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Folge II (dieser Beitrag)

    • Übersicht über die Beitragsserie
    • Beschreibung der Ausgangslage und der sich hieraus ergebenden Fragestellungen
    • Überblick über den augenblicklichen Stand der Forschung

Folge III

    • Beschreibung und Illustration der auffälligsten Feldmerkmale
    • Welche Ursachen kommen für diese Feldmerkmale in Frage?
    • Vorstellung des gängigen Erklärungsansatzes

Folge IV

    • Der Faktor Maschine
      • Technische Details zur Rotations-Rastertiefdruckmaschine Palatia O
      • Schilderung der Arbeitsschritte bei der Briefmarkenherstellung im Rastertiefdruckverfahren
    • Der Faktor Mensch
      • Die Erfahrungen der Mitarbeiter der Druckerei Burda
      • Die Erfahrung des Gestalters Vytautas Kazimieras Jonynas mit der Briefmarkenherstellung im Rastertiefdruckverfahren
    • Der Faktor Zeit
      • Der Druckzeitraum/die Drucktage
      • Gesamtauflage und Druckkapazitäten

Folge V

    • Zuordnung einzelner Feldmerkmale zu Druckdaten resp. Bogennummern (vgl. Bogenrandsignaturen)
    • Welche Schlüsse lassen sich aus der Druckdatenbank der Sammlung Montclair ziehen?

Folge VI

    • Übersicht der Feldmerkmale aller 200 Felder eines Druckbogens des 12 Pfennig-Werts über die gesamte Druckperiode.
    • Schlussfolgerungen aus dem vorliegenden Material

Folge VII

    • Zusammenfassung der einzelnen Teilaspekte und Präsentation des Forschungsergebnisses

Die Publikation der Beiträge erfolgt im Abstand von 4 Tagen, während meiner Ferien in Frankreich.

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Die Übersicht über die Beitragsserie ist hiermit abgehakt. Nun wenden wir uns der Beschreibung der Ausgangslage und den sich hieraus ergebenden Fragestellungen zu.

Schon dem Altmeister der Forschung zu den französischen Ausgaben für das annektierte Saarland, Paul Staedel (1) war bei den Forschungen zu seiner wegweisenden Studie Étude des timbres-poste et oblitérations de la Sarre 1945-1955 aufgefallen, dass nicht alle von ihm beschriebenen Feldmerkmale auch durchgehend auf allen Schalterbogen zu finden waren.

Er begann diese Feldmerkmale ganz grob nach deren Erscheinen auf den – wie wir seit dem Beitrag über Bogenrandsignaturen der 1. Offenburger Ausgabe wissen – durchgehend mit ihrem Druckdatum versehenen Schalterbögen zu bestimmen.

Insgesamt führt Paul Staedel in den Étude acht Feldmerkmale auf, die nicht auf allen Schalterbogen zu finden sind:

    • Feld 1B
    • Feld 6AB
    • Feld 6A
    • Feld 22AB
    • Feld 24B
    • Feld 41A
    • Feld 71A
    • Feld 96B

Alle, bis auf Feld 24B, grenzt er durch Angabe von Druckdaten enger ein. Ein Beispiel aus den Étude, Seite 21:

6j [entspricht 12 Pfennig, Feld 6A]: Gros point blanc dans le premier A (sur les planches du 30-31/12/46 et 2-3/1/47)

Wir wissen wir nicht, wie Staedels Datenbasis beschaffen war und über welche Informationen er 1955. als er die Étude schrieb, verfügte. Was jedoch beim Studium der Étude auffällt: Das Druckdatum 4/1/47, also der Samstag, 4. Januar 1947, kommt im Zusammenhang mit dem 12 Pfennig-Wert der nicht vor. Merkt euch dieses Datum. Wir werden im weiteren Verlauf dieser Beitragsserie sehen, dass dieser erste Samstag des Jahres 1947 für unsere Forschungen noch eine wichtige Rolle spielen wird.

Nach Paul Staedels Étude erschien ab 1958 das Handbuch der Postwertzeichen des Saargebietes und des Saarlandes mit allen philatelistischen Nebengebieten, kurz Saarhandbuch (SHB) genannt.

Herausgeber des Saarhandbuches war der Landesverband der Briefmarkensammler des Saarlandes e.V., Saarbrücken. Mit den ersten drei Lieferungen des SHB zwischen Mai 1958 und März 1960 wurde auf 50 reich bebilderten Seiten das für uns interessante Kapitel 402 über die Briefmarkenausgabe 1. Offenburger Ausgabe publiziert.

Das SHB listet für den 12 Pfennig-Wert im Kapitel 402, S. 21-23, die nachstehenden Feldmerkmale mit dem Hinweis auf Teilauflage:

    • Feld 10A
    • Feld 22AB
    • Feld 26A
    • Feld 32AB
    • Feld 37AB
    • Feld 44A
    • Feld 48A
    • Feld 53A
    • Feld 55A
    • Feld 61B
    • Feld 77AB
    • Feld 79A
    • Feld 94B
    • Feld 96B

Wir lassen diese durchaus beeindruckende Auflistung von 18 Feldmerkmalen von theoretisch möglichen 200 für den Moment unkommentiert stehen. Wir werden im Verlauf der Beitragsserie sehen, wo das SHB richtig und wo es falsch lag.

Der Catalogue F.S.A. 1960 spécialisé des Timbres de la Sarre 3e Edition gibt bei den 6 gelisteten Feldmerkmalen für den 12 Pfennig-Wert (201 d-i) keinerlei Hinweise auf Feldmerkmale, welche nur in einem Teil der Gesamtauflage vorkommen. Die 4e Edition des Catalogue F.S.A. von 1964 listet zwar ein Feldmerkmal mehr (201 j), aber ebenfalls keine Teilauflagen.

Kleines Detail am Rande: Das Kürzel F.S.A. steht für Franco-Sarroise-Allemande, also französisch-saarländisch-deutsch. Das saarländisch gesondert aufgeführt wird, hat nichts mit dem manchmal unverständlichen Dialekt zwischen Blies, Saar und Mosel zu tun, sondern ist der Tatsache geschuldet, dass die Saarländer nicht nur eine eigene Verfassung, sondern von 1948 bis zum Anschluss an die BRD 1957 auch ihre eigene Staatsbürgerschaft besassen. Sie waren Sarrois.

Welche Informationen können wir hinsichtlich Feldmerkmalen, welche nur in einem Teil der Auflage vorkommen, den MICHEL® Briefmarken-Katalogen aus dem Schwaneberger-Verlag entnehmen?

Der MICHEL® listet in seiner 2017er-Ausgabe für das Feld 96B: dicker Punkt in „2“ der Wertangabe „12“ (Feld 96, Bg. B, Teilaufl.). Dieser Eintrag findet sich gleichlautend in den Saar-Katalogen von 2002, 2003 und 2004.

Die frappanten Unterschiede zwischen den einzelnen Autoren/Redaktionen sind erstaunlich, finden Sie nicht auch?

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So! Wie ist der Stand der Forschung heute?

    • Paul Staedel mit seiner Unterscheidung der unterschiedlichen Druckdaten ist vorläufig das Mass aller Dinge.
    • Das Saarhandbuch erwähnt mehr Feldmerkmale mit dem Vermerk Teilauflage als Staedel, gibt jedoch keinerlei Hinweise auf die Druckdaten. Wie aktuell ist die Arbeit des SHB aus heutiger Sicht?
    • Der Catalogue F.S.A erwähnt das Thema „Teilauflage“ nicht.
    • Der MICHEL® listet seit 2002 ein einziges Feldmerkmal mit dem Hinweis auf Teilauflage.

Was allen Autoren/Redaktionen gemeinsam ist: Sie bleiben ihren Lesern eine Erklärung für die nur in Teilauflage auftretenden Feldmerkmale schuldig. Hinweise, auf welchen Bögen der Sammler nach den Feldmerkmalen suchen soll, bietet ausschliesslich die Étude von Staedel und diese könnt ihr nur noch antiquarisch erwerben.

Bis dann

Hier geht’s zum zweiten Beitrag.

Zweiter Teil

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Anmerkung

(1) Paul Staedel war ein hoch dekorierten Widerstandskämpfer des FFI, eingefleischter Europäer, Briefmarkenhändler und ausgewiesener Saar-Spezialist aus Illkirch-Graffenstaden, Departement Bas-Rhin

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Wiederkehrende Feldmerkmale (III) – Der „Wasserspeier“

FOLGE 2

Hallo

In diesem Beitrag, dem dritten der kleinen Serie über wiederkehrende Feldmerkmale bei der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, stelle ich euch ein Merkmal mit dem treffenden Spitznamen Wasserspeier vor. Dieses Feldmerkmal, ein dunkler, breiter Farbstrich oben am Gebäude am linken Bildrand, findet sich auf den Bogenfeldern 70 AB beim 60 Pfennig-Wert und auf den Bogenfeldern 12 AB beim 80 Pfennig-Wert. Das Bildmotiv ist der Alte Turm in Mettlach, der ansonsten noch beim 75 Pfennig-Wert verwendet wurde und auch das Logo von SAARPHILA ziert.

   

Die beiden Feldmerkmale sind in der Étude, im Saarhandbuch und im Michel Saar-Spezial gelistet.

    • Étude, S. 30, 16e 70e: „Drapeau à la maison“ resp. S. 31, 18a 12e „Drapeau à la maison“
    • Saarhandbuch, Kap. 402, S. 40 unter 70 AB: „Wasserspeier am Hause links“ resp. Kap. 402, S. 42 und 12 AB: „Wasserspeier am Hause“
    • MICHEL® Saar-Spezial 2017, S. 89, 221Z I: „Wasserspeier an Haus ganz links (Feld 70)“ resp. 223Z III: „Wasserspeier an Haus ganz links (Feld 12)“

Einige Anmerkungen zum Bildmotiv Alter Turm in Mettlach. Der Alte Turm ist nicht, wie oft zu lesen, der hohe schmale Turm an der rechten Seite des abgebildeten Gebäudes. Dies ist nur ein später hinzugefügter Wendeltreppenturm. Der Alte Turm ist das imposante Gebäude mit den Strebepfeilern. Erbaut im 10. Jahrhundert als Grabkapelle für den Heiligen Luitwinus.

 

Auf dem obigen Bild, welches den komplett restaurierten Alten Turm vor wenigen Jahren zeigt, ist das Gebäude – aus einer ähnlichen Perspektive wie auf den Bildmotiven der Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar – zu erkennen. Links im Bild ist das Mauerwerk eines Seitenflügels der ehemaligen Benediktiner-Abtei Mettlach zu erkennen, seit 1809 bis heute Sitz der bekannten Steingut- und Keramikfabrik Villeroy & Boch.

Luftaufnahme der ehemaligen Benediktiner-Abtei, der Produktionsanlagen von Villeroy & Boch sowie des „Alten Turms“ (rechts im Park) auf einer Ansichtskarte. Im Vordergrund fliesst die Saar

Hier geht es direkt zum nächsten Beitrag über wiederkehrende Feldmerkmale der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar.

FOLGE 4

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Steckbrief des 60 Pfennig-Werts
    • Wert: 60 Pfennig
    • Motiv: Alter Turm in Mettlach
    • Farbe: dunkelblauviolett
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: 14. Februar 1947
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 1’020’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit rd. 1’012’00 Stück am Schalter verkauft wurden. Ein Grossteil des Restbestandes wurde für den Malstatt-Burbacher Druck (MBD) mit der Wertangabe 14 F überdruckt
    • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 70AB, „Dunkler, breiter Farbstrich oben am Gebäude am linken Bildrand“

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Steckbrief des 80 Pfennig-Werts
    • Wert: 80 Pfennig
    • Motiv: Alter Turm in Mettlach
    • Farbe: orange
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: 17. Februar 1947
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 1’520’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit rd. 1’515’000 Stück am Schalter verkauft wurden.
    • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 12AB, „Dunkler, breiter Farbstrich oben am Gebäude am linken Bildrand“

Bis dann

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#saarphila #saarphilatelie

Wiederkehrende Feldmerkmale (II) – Heller Fleck am Knie des Bergmanns

FOLGE 1

Hallo

In diesem Beitrag, dem zweiten der kleinen Serie über wiederkehrende Feldmerkmale bei der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, stelle ich euch den runden, hellen Fleck am linken Knie des Bergmanns vor. Dieses Merkmal tritt nicht nur bei zwei Werten der 1. Offenburger Ausgabe (BuS I) auf, wie der Kleiderbügel, sondern gleich bei drei Werten: 2 Pfennig, 3 Pfennig sowie 8 Pfennig. Das Bildmotiv ist diese Mal der Bergmann im Streb vor Saarlandschaft.

Dieses wiederkehrende Feldmerkmal habe ich am 10. April 2016 bei einem Vortrag im Rahmen jährlichen Mitgliederversammlung der ArGe SAAR zuerst öffentlich vorgestellt und beschrieben. Dieses Feldmerkmal ist ansonsten weder in Handbüchern noch in Katalogen erwähnt resp. aufgeführt (seit 2021 im Handbuch Feldmerkmale SAAR I, später erfolgte Anm. des Autors).

Ihr staunt, blättert im Katalog , sucht nach einem Feldmerkmal runder, hellen Fleck am linken Knie und versteht die Welt nicht mehr? Ihr befindet euch in allerbester Gesellschaft. In einem MICHEL® Spezial-Katalog, egal ob Deutschland oder Saar, werdet ihr bei genauer Lektüre unter Saarland MiNr. 209 IV fündig. Die Beschreibung lautet:

Grosses Loch im linken Knie des Bergmanns

vgl. nachstehende Abbildungen; links ohne, rechts mit Feldmerkmal).

   

Allgemeiner Hinweis: Die Angaben links und rechts in deutschsprachigen Katalogen wie auch im SAARPHILA-BLOG beziehen sich immer auf die Sicht des Betrachters. Mit dem linken Knie ist also anatomisch das rechte Knie des Bergmanns gemeint.

Dieses auffällige Feldmerkmal tritt beim 8 Pfennig-Wert bei den Feldern 38 AB auf. Das Saarhandbuch, Kap. 402, S. 17 beschreibt das Merkmal als:

weisser Fleck am linken Knie.

Paul Staedel schreibt in den Étude des Timbres-Poste et oblitérations de la Sarre 1945-1955 (nachfolgend Étude genannt) auf S. 18 unter der Nummer 4d:

Pantalon déchiré au genou droit

was wir mit „Hose am rechten Knie zerrissen“ übersetzen können. Die Beschreibung in der Étude dokumentiert ausserdem sehr schön die unterschiedliche Art der Bildbeschreibung – rechts und links – auf der anderen Seite des Rheins.

Dasselbe Feldmerkmal findet sich beim 2 Pfennig-Wert auf den Feldern 8AB. Dieses Bogenfeld ist ebenfalls im MICHEL® Spezial-Katalog, im Saarhandbuch sowie in den Étude gelistet. Der runde, helle Fleck am linken Knie wird jedoch ignoriert und die Autoren rücken ein anderes, unauffälligeres Feldmerkmal in den Vordergrund. Vergleichen Sie selbst (wiederum links ohne, recht mit Feldmerkmal):

   

Die Kataloge beschreiben alle den dunklen Farbfleck an der Strebwand links vom Bergmann, der runde, helle Fleck am linken Knie findet keine Erwähnung.

    • Étude, S. 15, 1a 8e: „Point sur la rocher à gauche du mineur“
    • Saarhandbuch, Kap. 402, S. 11 unter 8 AB: „Punkt links neben dem Bergmann in der Höhle“
    • MICHEL® Saar-Spezial 2017, S. 88, MiNr. 206 III: „Punkt links neben Bergmann in der Höhlenmitte (Feld 8)“

Ich finde es erstaunlich, dass ein so auffälliges Feldmerkmal wie der runde, helle Fleck am linken Knie, der beim 8 Pfennig-Wert zu eigenständigen Erwähnung in Katalogen führt, beim 2 Pfennig-Wert komplett ignoriert wird.

Noch erstaunlicher ist jedoch, dass dasselbe Feldmerkmal beim 3 Pfennig-Wert in keinem Katalog aufgeführt oder in einem Handbuch erwähnt wird. Ich habe in vielen Katalogen und Publikationen zur 1. Offenburger Ausgabe nach Erwähnungen für das Bogenfeld 33AB gesucht, bin aber bislang nicht fündig geworden. Dies ist die Erstpublikation dieses Feldmerkmals. Sie sehen, die Beschäftigung mit den Marken der 1. Offenburger Ausgabe kann auch heute – 70 Jahre nach ihrem Erscheinen – noch spannend sein.

   

Nachfolgend die Marken der einzelnen Werte mit den Feldmerkmalen nacheinander dargestellt:

Die vorstehenden Abbildungen machen deutlich, dass das Feldmerkmal beim 8 Pfennig-Wert stärker hervortritt als bei den anderen beiden Werten. Dies ist aus meiner Sicht dennoch kein Grund, es zu ignorieren. Insbesondere, da es sich um ein auffälliges Exemplar der wiederkehrenden Feldmerkmale handelt. Das führt uns zu einer weiteren Frage: Tritt dieses Feldmerkmal auch bei den anderen drei Werten mit demselben Bildmotiv – also 6, 10 und 12 Pfennig – auf?

Die Antwort ist nein. Ihr könnt mir glauben, ich habe mehrere Bögen der infrage kommenden Werte genauestens ausgewertet, bevor ich dieses Nein schrieb. Doch weshalb fehlt das Feldmerkmal bei den Werten zu 6, 10 und 12 Pfennig?

Ich liste nachstehend die sechs Werte geordnet nach ihren Druckdaten auf:

    • 12 Pfennig: 30./31. Dezember 1946; 2./3./4./7./8. Januar 1947
    • 6 Pfennig: 5.-7. Februar 1947
    • 10 Pfennig: 12.-14. Februar 1947
    • 8 Pfennig: 15./16. Februar 1947
    • 3 Pfennig: 18./19. Februar 1947
    • 2 Pfennig: 20./21. Februar 1947

Die Werte mit dem auffälligen Feldmerkmal runder, helle Fleck am linken Knie wurden später gedruckt als diejenigen ohne das Feldmerkmal. Wahrscheinlich hat man in der Druckvorstufe bei der Diapositivmontage (vgl. hier) als Ersatz für beschädigte Exemplare neue Diapositive eingearbeitet, die bei den ersten drei Werten nicht zur Verwendung kamen.

Hier geht es direkt zum nächsten Beitrag über wiederkehrende Feldmerkmale der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar.

FOLGE 3

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Steckbrief des 2 Pfennig-Werts
    • Wert: 2 Pfennig
    • Motiv: Bergmann im Streb vor Saarlandschaft
    • Farbe: grau
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: 20. und 21. Februar 1947
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 2’040’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit rd. 2’030’000 Stück am Schalter verkauft wurden. Ein Grossteil des Restbestandes wurde für den Malstatt-Burbacher Druck (MBD) mit der Wertangabe 10 cent. überdruckt.
    • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 8AB, „Runder, heller Fleck am linken Knie“

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Steckbrief des 3 Pfennig-Werts
    • Wert: 3 Pfennig
    • Motiv: Bergmann im Streb vor Saarlandschaft
    • Farbe: gelborange
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: 18. und 19. Februar 1947
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 1’520’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit rd. 1’510’000 Stück am Schalter verkauft wurden. Ein Grossteil des Restbestandes wurde für den Malstatt-Burbacher Druck (MBD) mit der Wertangabe 60 cent. überdruckt
    • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 33AB, „Runder, heller Fleck am linken Knie“

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Steckbrief des 8 Pfennig-Werts
    • Wert: 8 Pfennig
    • Motiv: Bergmann im Streb vor Saarlandschaft
    • Farbe: feuerrot
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren, längeren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: das Wochenende vom 15./16. Februar 1947
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 2’520’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit etwa 2’507’000 Stück am Schalter verkauft wurden
    • Feldmerkmal: Feld 38AB, „Runder heller Fleck am linken Knie“

Bis dann

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#saarphila #saarphilatelie

Wiederkehrende Feldmerkmale (I) – Der „Kleiderbügel“

Hallo

Heute stelle ich euch ein Feldmerkmal vor, welches nicht allein bei einem Wert der 1. Offenburger Ausgabe (BuS I) auftritt, sondern gleich bei zwei Werten.

Zum besseren Verständnis der Thematik werde ich zu Beginn nochmals einige Details zum Herstellungsprozess der Briefmarkenausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar erläutern, damit ihr versteht, in welcher Form die Briefmarken 1947 an die saarländischen Postschalter gelangten.

Sämtliche Werte der 1. Offenburger Ausgabe mit Ausnahme von 84 Pfennig und 1 Reichsmark – diese Werte wurden als Druckbogen zu 100 Marken hergestellt – wurden als Druckbogen zu 200 Marken gedruckt. Im Verlauf der Weiterverarbeitung wurden diese Druckbogen dann in einen (linken) A-Bogen und einen (rechten) B-Bogen zerschnitten. Nachfolgend ist ein A-Bogen des 50 Pfennig-Wertes abgebildet.

Jeder dieser Bogen – diese werden auch als Schalterbogen bezeichnet, da die Marken so an die Postschalter gelangten – umfasst jeweils 100 Marken, arrangiert in 10 senkrechte Reihen und 10 waagerechte Zeilen. Jedes Bogenfeld und damit jede einzelne Briefmarke erhält durch die philatelistische Zählung eine x/y-Koordinate, die Feldnummer. Dazu wird bei aufrecht sehendem Markenbild die Zählung bei der obersten linken Marke mit Feldnummer„1“ begonnen, dann zählt man von links nach rechts bis man bei der obersten rechten Marke „10“ erreicht. Bei der nächsten Reihe geht es mit „11“ bis „20“ weiter. Die Marke links unten erhält am Schluss die Nummer „100“. Zur Unterscheidung, ob eine Briefmarke aus einem A- resp. B-Bogen stammt, fügen wir den entsprechenden Buchstaben hinzu. Beispiel: die erste Marke der untersten Reihe des abgebildeten Bogens hat die Feldnummer 91A.

So, da ihr nun wisst, was eine Feldnummer ist, sind wir bereit für die wiederkehrenden Feldmerkmale.

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Definition wiederkehrende Feldmerkmale

Von wiederkehrenden Feldmerkmalen sprechen wir, sobald dasselbe Feldmerkmal bei zwei verschiedenen Werten – in der Regel mit demselben Bildmotiv – vorkommt. Diese Feldmerkmale müssen dabei nicht zwingend auf dem gleichen Bogenfeld auftreten.

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Schauen wir uns so ein wiederkehrendes Feldmerkmal einmal an. Ich habe hierzu als Beispiel das Feldmerkmal mit dem treffenden Spitznamen Kleiderbügel ausgewählt. Dieses erscheint bei den Werten zu 25 und 45 Pfennig mit dem Bildmotiv Bäuerinnen bei der Rübenernte vor einer Industrielandschaft. Beim 25 Pfennig-Wert auf den Bogenfeldern 46AB und beim 45 Pfennig-Wert auf den Bogenfeldern 66AB.

Nachfolgend jeweils eine „normale“ Marke (links) und eine Marke mit dem auffälligen Feldmerkmal (rechts), welches mit einem schwarzen Pfeil gekennzeichnet ist.

   

   

Es scheint wirklich so, als hätte die kniende Bäuerin einen Kleiderbügel in der Hand.

Es drängen sich uns nun einige Fragen auf:

    • Wie kam es zu diesem Feldmerkmal?
    • Warum tritt es bei zwei unterschiedlichen Werten, wenn auch mit demselben Bildmotiv auf?
    • Findet sich das Feldmerkmal auch bei anderen Werten mit demselben Bildmotiv, also den Werten zu 30, 40 und 50 Pfennig?

Die Feldmerkmale der 1. Offenburger Ausgabe können ganz unterschiedliche Ursachen haben.

    • Abweichungen bei den Negativen der verwendeten Aufnahmen (selten)
    • Abweichungen in der Diapositivphase (primäre Feldmerkmale)
    • Abweichungen beim Übertrag des Pigmentpapiers auf den Formzylinder
    • Abweichungen beim Ätzvorgang des Formzylinders (z.B. unzureichend oder zu viel aufgebrachter Asphaltlack)
    • Abweichungen beim Druckvorgang (z.B. Staub, Dreck, Beschädigung des Formzylinders oder des Rakelmessers)

Tritt ein Feldmerkmal sowohl auf dem linken A-Bogen, wie auch auf dem rechten B-Bogen auf dem gleichen Bogenfeld auf, können wir eine Beschädigung des Formzylinders der Rotations-Rastertiefdruckmaschine Palatia O, eine Abweichung beim Ätzvorgang und eine Abweichung beim Übertrag des Pigmentpapiers ausschliessen. Exakt dieselbe Abweichung bei zwei Werten an jeweils zwei Bogenfeldern (A- und B-Bogen beim 25- und 45 Pfennig-Wert) wären einige Zufälle zu viel.

Was ist dann die Ursache der wiederkehrenden Feldmerkmale? Der Ursprung des Kleiderbügels liegt in der Herstellung der Druckvorlage beim verwendeten Rastertiefdruck. Etwas, was heute Druckvorstufe genannt wird. Der Reihe nach.

Die Übertragung ist nur möglich, wenn das Feldmerkmal bei der Retusche der Negative und auch später in der Druckvorstufe übersehen wurde.

Die Wertänderung bei gleichbleibenden Bildmotiven erfolgte bei den Werten der Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar durch den Ersatz der einen Wertziffer (z.B. 30) auf den Diapositiven durch eine andere (z.B. 50). Dies wird Diapositivmontage genannt. Der bestehende Diapositivbogen eines Wertes wurde inkl. des Feldmerkmals „Kleiderbügel“ in die einzelnen Diapositivstreifen zerlegt und eine neue Wertziffer eingefügt. Danach wurden die Diapositivstreifen auf einer Montagescheibe wieder zu einem kompletten Diapositivbogen à 100 Marken – inkl. des „Kleiderbügels“ – zusammengesetzt. In unserem Fall war es der Diapositivbogen des 45 Pfennig-Werts, der zerschnitten wurde, da dessen Druck zeitlich vor dem 25 Pfennig-Wert stattfand (vgl. Steckbriefe am Schluss dieses Beitrags). Der Diapositivbogen mit der neuen Wertziffer und dem Feldmerkmal „Kleiderbügel“ wurde daraufhin zweimal auf Pigmentpapier – die hieraus entstehende Vorlage für die Druckbögen besteht ja aus 2x 100 Feldern – übertragen, weshalb dasselbe Feldmerkmal später ebenfalls auf beiden Schalterbögen erscheint.

Warum erscheint dieses Feldmerkmal nicht auf den anderen Werten mit dem gleichen Bildmotiv? Die Werte zu 30, 40 sowie 50 Pfennig wurden nach dem 25 Pfennig-Wert gedruckt. Ich gehe davon aus, dass das Feldmerkmal inzwischen bemerkt worden war. Immerhin war der 45 Pfennig-Wert, der für die passende Frankierung der beliebten Postkarten ins Ausland benötigt wurde, beim Druck der drei Werte zu 30, 40 und 50 Pfennig schon seit über einer Woche an den saarländischen Postschaltern erhältlich. Für die Druckerei stellte das Feldmerkmal, über welches wir uns heute freuen, eine ungewollte Abweichung vom gewünschten Ergebnis dar. Es wurde retuschiert, resp. bei der Diapositivmontage entfernt.

Hier geht es direkt zum zweiten Beitrag über wiederkehrende Feldmerkmale der Originalausgabe Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar.

FOLGE 2

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Steckbrief des 25 Pfennig-Werts
    • Wert: 25 Pfennig
    • Motiv: Zwei Bäuerinnen bei der Rübenernte vor einer Industrielandschaft
    • Farbe: violettrot
    • Papier: dickes, gelblichgraues Papier; rau und häufig mit unter der Lupe erkennbaren Stofffäden
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum
    • Wasserzeichen: ohne
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: 8. und 10. Februar 1947, der 9. Februar war ein Sonntag
    • Erstausgabedatum: 7. März 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 1’020’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit bis auf wenige Exemplare alle am Schalter verkauft wurden
    • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 46AB, „Kleiderbügel“

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Steckbrief des 45 Pfennig-Werts
    • Wert: 45 Pfennig
    • Motiv: Zwei Bäuerinnen bei der Rübenernte vor einer Industrielandschaft
    • Farbe: rot
    • Papier: dünnes, grauweisses Wasserzeichenpapier
    • Gummierung: gräulichbraunes Gummi arabicum, quer geriffelt*
    • Wasserzeichen: steigende Wellenlinien S
    • Zähnung: K14 (= 14 Zahnlöcher auf 2 Zentimeter bei Kammzähnung)
    • Bekannte Druckdaten: 13. Januar 1947
    • Erstausgabedatum: 4. Februar 1947
    • Gültigkeit: 19. November 1947 (während der Woche vom 20.-27. November waren noch Mischfrankaturen zugelassen; Quelle: Saarhandbuch)
    • Auflage: 1’100’000 Stück, von denen innerhalb der Gültigkeit etwa 1’095’000 Stück am Schalter verkauft wurden
    • Vorgestelltes Feldmerkmal: Feld 66AB, „Kleiderbügel“

* Die Marke rollt sich beim Anhauchen quer zur Bildachse

Bis bald

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Forschung – Rätselhafte Feldmerkmale beim 12 Pfennig-Wert (Teaser)

Hallo

Wie ihr wisst, beinhaltet SAARPHILA auch die Forschung zu ungelösten Fragen rund um die Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar.

Eine Frage, die über lange Jahre für rauchende Köpfe gesorgt hat, konnte beantwortet werden.

Zu den Feldmerkmalen des 12 Pfennig-Werts der 1. Offenburger Ausgabe (BuS I), die nicht über die gesamte Druckperiode nachweisbar sind (Stichwort: sekundäres Feldmerkmal) – dies sind die Merkmale der Bogenfelder 1B, 6A, 77B, 94B und 96B – existierten verschiedene Entstehungstheorien.

Einige Sammler sind überzeugt, dass für den Druck der Gesamtauflage von 12’020’000 Stück, das entspricht 61’100 Druckbogen eine zweite Rotations-Rastertiefdruckmaschine vom Typ Palatia O verwendet wurde. Andere gehen davon aus, dass aufgrund der vergleichsweise hohen Auflage die Abnutzung des Formzylinders so hoch war, dass dieser ausgetauscht und durch einen anderen Formzylinder ersetzt werden musste.

Beide Versionen sind falsch. Wollt ihr wiessen, was im Winter 1946/47 tatsächlich geschah?

Ich schreibe und illustriere derzeit die entsprechende Beitragsserie mit gesamthaft sechs Teilen. Diese Serie wird voraussichtlich Ende August 2018 hier im SAARPHILA-BLOG erscheinen. Bleibt dran!

Bis dann

Hier geht’s zum ersten Beitrag.

Erster Teil

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Marktgeschehen (I) – Aktuell bei ebay (Nachtrag)

Hallo

Ich möchte euch nicht vorenthalten, um welche Marke es sich bei dem im vorhergehenden Beitrag besprochenen Angebot auf ebay handelte.

Es ist ein Exemplar des 50 Pfennig-Werts (SP28) vom Feld 70A. Feld 70, daher der anhängende rechte Bogenrand und A, da dieses Feldmerkmal auf B-Bögen nicht vorkommt. Im Saarhandbuch (SHB) ist dieses Merkmal im Kapitel 402 auf Seite 39 aufgeführt mit der Beschreibung: „S oben unterbrochen“.

P.S. von 16:00 Uhr: Der Anbieter muss meinen Blog gelesen haben, was mich sehr erfreut. Das Angebot bei ebay wurde mit der korrekten Begründung vorzeitig beendet. An solchem Vorgehen erkennt ihr einen seriösen Briefmarkenhändler.

Bis dann

#saarphila #saarphilatelie

Marktgeschehen (I) – Aktuell bei ebay

Joseph Joubert hat gesagt: „Täuschungen kommen vom Himmel, Irrtümer von uns selbst.“

Ich sage: „Irren ist menschlich.“

Hallo

Heute bin ich sehr aktuell. Ich schreibe über ein zurzeit noch laufendes Angebot bei ebay, welches exemplarisch aufzeigt, wie schnell eine ungenaue Beschreibung auf der einen Seite zu einem Irrtum auf der anderen Seite führen kann. Die ungenaue Beschreibung ist das Verschulden der Michel-Redaktion. Der – wie wir sehen werden durchaus nachvollziehbare – Irrtum unterlief dem Verkäufer des Artikels bei ebay.

Konkret. Auf ebay wird ein Exemplar des 50 Pfennig-Werts der 1. Offenburger Ausgabe (BuS I) mit rechts anhängendem Seitenrand und rückseitigem – wenig dekorativem – Besitzerstempel als MiNr. 220 II für Euro 5,00 zum Sofortkauf angeboten (vgl. nachstehende Abbildung). Der Besitzerstempel kann von unbedarften Sammlern als Prüfer-Signatur verstanden werden, doch dies ist dem Verkäufer sicherlich nicht anzulasten. Es ist im Gegenteil lobenswert, Vorder- wie Rückseite der Marke als klar erkennbaren, detaillierten Scan zu präsentieren. Auch die Bewertung des Michel-Katalogs für dieses nicht alltägliche Exemplar erwähnt der Verkäufer in seiner Beschreibung: Euro 25,00. Ich persönlich halte es für grenzwertig, eine Briefmarke, deren Gummierung durch Stempel beschädigt oder verunstaltet wurden, als postfrisch zu bezeichnen. Dabei ist vollkommen egal, ob der Stempel vom Vorbesitzer, irgendwelchen Experten oder sonst jemandem mit überbordendem Selbstwertgefühl stammen. In diesem Zusammenhang kommt mir immer das während der Befreiung Europas von den Deutschen im Zweiten Weltkrieg überall zu findende Grafitto „Kilroy was here“ in den Sinn. Mit rückseitigen Stempeln kommen frisch verausgabte Briefmarken sicherlich nicht an die Postschalter.

Im ebay-Inserat gezeigte Abbildung, vorbildlich mit Bild- und Rückseite

Item: Schlagen wir im MICHEL® Saar-Spezial 2017 auf Seite 89 nach, lesen wir unter MiNr. 220 II:

S von Saar in der Mitte gebrochen (Feld 20)

Eine Abbildung zu dieser Beschreibung ist nicht vorhanden. Das hinterlässt bei mir einen schalen Nachgeschmack. Immerhin liegt ein auf Saarbriefmarken spezialisierter Katalog vor mir. Und mit knapp Euro 50,00 ist das schmale Heftlein ja nicht gerade preiswert. Leider handelt es sich bei diesem Spezialkatalog um ein Konvolut von nicht aufgearbeiteten und bis auf wenige Details seit mehr als zehn Jahren nicht aktualisieren – und eben auch fehlerbehafteten – Versatzstücken aus verschiedenen anderen Katalogen des Schwaneberger-Verlags. Ausnahme bilden die wenigen, gut gelungenen Beiträge der ArGe SAAR.

Die prosaische Beschreibung aus dem Katalog hilft uns bei der Bestimmung eines Feldmerkmals nicht weiter. Was sollen wir uns unter einem „gebrochenen Buchstaben“ vorstellen? Wo liegt die Mitte eines Buchstabens? Fragen über Fragen! Versuchen wir es also zuerst mit der weiteren, sachlichen Information, die uns der Katalog anbietet: Feld 20.

Auch diese Information ist nicht selbsterklärend. Ich werde mit wenigen Worten erläutern, wie 1946/47 die Briefmarken der 1. Offenburger Ausgabe an die Postschalter gelangten. Sämtliche Werte mit Ausnahme von 84 Pfennig und 1 Reichsmark wurden als Druckbogen zu 200 Marken gedruckt. Im Verlauf der Weiterverarbeitung hat man diese Druckbogen in einen (linken) A-Bogen und einen (rechten) B-Bogen zu jeweils 100 Marken zerschnitten. Die nachfolgende Abbildung zeigt einen A-Bogen des 50 Pfennig-Wertes.

Schalterbogen 01723 A des 50 Pfennig-Werts (SP28)

Jeder dieser Bogen, auch als Schalterbogen bezeichnet, umfasst – ich schreibe im Präsens, da nach 70 Jahren noch erstaunlich viele unversehrte Bögen in Sammlerhand sind – jeweils 100 Marken, arrangiert in 10 senkrechte Reihen und 10 waagerechte Zeilen. Jedes Bogenfeld und damit auch jede Briefmarke erhält durch die philatelistische Zählung eine Koordinate. Dazu wird bei aufrecht sehendem Markenbild die Zählung bei der obersten linken Marke mit Feldnummer „1“ begonnen, dann zählt man von links nach rechts bis man bei der obersten rechten Marke „10“ erreicht. Bei der nächsten Reihe geht es mit „11“ bis „20“ weiter. Die Marke links unten erhält am Schluss die Nummer „100“. Zur Unterscheidung, ob eine Briefmarke aus einem A- resp. B-Bogen stammt, fügt der Philatelist den entsprechenden Buchstaben hinzu. Beispiel: die erste Marke der untersten Reihe des abgebildeten Bogens hat die Feldnummer 91 A.

Jetzt kommt ein wichtiger Punkt hinzu. Bedingt durch die nicht unbedingt perfekt zu nennenden Produktionsbedingungen und die Druckart Rastertiefdruck (frz. und engl. Heliogravure), sind die Markenbilder nicht exakt gleich. Kleinere und grössere Abweichungen, Feldmerkmale genannt, lassen sich bei allen Werten und allen Feldern finden. Dieser glückliche Umstand ermöglicht uns heute, Einzelmarken einem bestimmten Bogenfeld zuzuordnen.  Sehr häufig lässt sich sogar bestimmen, ob es sich um eine Marke aus einem A- oder B-Bogen handelt. Der Philatelist spricht hier von Feldbestimmung (engl. plating).

Zurück zur Beschreibung im Michel-Katalog. Feld 20 ohne nachfolgenden Buchstaben bedeutet hier, das beschriebene Feldmerkmal kommt bei den Marken des Feldes 20 auf beiden Bögen vor. Aus Bequemlichkeit wird leider das AB weggelassen. Die Zehnerfelder – haben wir zuvor gelernt – also 10, 20, 30 etc. bis 100, liegen im Bogen immer aussen rechts. Einzelmarken mit anhängendem rechten Bogenrand sind Marken von ganz rechts aussen (nicht politisch und auch nicht fussballerisch zu verstehen). Unsere Marke aus dem ebay-Angebot könnte also tatsächlich eine Marke vom Feld 20 sein.

Nun schauen wir uns das Feldmerkmal der Marke genauer an (ich habe hierfür eine entsprechende Marke aus meiner Sammlung Montclair herausgesucht).

Der obere Bogen des „S“ des Schriftbandes „SAAR“ ist – sogar etwa in der Mitte – klar unterbrochen. Hat der Verkäufer bei ebay also recht? Die Marke ist, der anhängende rechte Bogenrand ist ein klares Indiz, die äusserste rechte Marke einer Bogenreihe und das Feldmerkmal entspricht der Beschreibung im Katalog: „S“ von „Saar“ in der Mitte gebrochen. Wir wissen zwar immer noch nicht, was ein gebrochener Buchstabe ist und wundern uns über die abstruse Beschreibung im Katalog, aber wir nehmen an – und diese Annahme ist ausschlaggebend -, es kann sich nur um den Unterbruch im Bogen des „S“ handeln, den wir auf der Abbildung sehen. Weshalb ausschlaggebend? Wir haben genau in diesem Augenblick keine Möglichkeit, die uns präsentierte Marke zu vergleichen.

Nochmals. Hat der Verkäufer recht, die angebotene Briefmarke als MiNr. 220 II zu beschreiben? Nein, der Verkäufer irrt – wenn auch aus völlig nachvollziehbaren Gründen. Ursache seines Irrtums ist die unpräzise Beschreibung und das Fehlen einer Abbildung im MICHEL®-Katalog.

Begeben wir uns auf Spurensuche. Woher stammt die Beschreibung im Michel? Ursprung der Beschreibungen hinsichtlich der Feldmerkmale bei der 1. Offenburger Ausgabe ist häufig eine aus dem Saarhandbuch übernommene Beschreibung. Ich schlage im Handbuch der Postwertzeichen des Saargebietes und des Saarlandes 1. Auflage 1958, häufig als SHB abgekürzt, nach. Die Marken der 1. Offenburger Ausgabe werden im Kapitel 402 behandelt. Auf den Seiten 37-39 dieses Kapitels werden die Feldmerkmale des 50 Pfennig-Wertes beschrieben. Bei Feld 20 AB steht: „Strich im S (Abb. 67)“. Das SHB kann sich bei seiner Beschreibung so kurzfassen, da eine Abbildung mit dem Feldmerkmal vorhanden ist. Bei aller Kürze und Unschärfe – mal ehrlich: wissen Sie, wo Sie einen Strich in einem Buchstaben zu suchen haben? – der gebotenen Beschreibung, ein gebrochener Buchstabe wird nicht erwähnt. Aber ein Strich. Einen Strich im S erkenne ich bei der angebotenen Marke nicht. Die Ursache der fehlerhaften Beschreibung im MICHEL®-Katalog ist somit nicht eine Beschreibung im SHB sondern muss irgendwo in den Archiven des Schwaneberger-Verlags zu suchen sein.

Des Rätsels Auflösung:

50 Pfennig, Feld 20A
50 Pfennig, Feld 20B

Die beiden vorstehenden Abbildungen zeigen erst ein Feld 20 vom A-Bogen und dann ein Feld 20 vom B-Bogen. Sehr gut zu erkennen ist auf beiden Abbildungen der feine, waagerechte Farbstrich über das S des Schriftbandes SAAR (jeweils mit rotem Pfeil gekennzeichnet). Das sekundäre Feldmerkmal ist die rechts aussen abgeschnittene 0 (Null) der Wertangabe 50 (ebenfalls mit Pfeil gekennzeichnet). Vergleichen Sie die Wertangabe 50 mit der Marke, die bei ebay angeboten wird. Die 0 (Null) ist bei letzterer unversehrt.

Die verbleibenden Pfeile zeigen die Unterscheidungsmerkmale für eine Marke eines A-Bogens (dunkler Farbfleck links neben der linken Hüfte der knienden Bäuerin) von einer Marke eines B-Bogens (dunkler Farbfleck rechts oberhalb des Gasometers der stilisierten Industrielandschaft).

Ich beschreibe das Feldmerkmal von Feld 20AB: „Feiner, waagerechter Farbstrich mittig über den Stamm des S von SAAR, die 0 der Wertangabe 50 rechts aussen am Markenrand senkrecht beschnitten“. So entsteht Klarheit, wenn keine Abbildung vorliegt oder eine Abbildung aus Platzgründen weggelassen wird. Bei Platz und Präzision zu sparen – wie bei diesem Beispiel aus dem Michel Saar-Spezial 2017 des Schwaneberger Verlags – zeugt meiner Meinung nach von Dilettantismus oder Desinteresse.

Quintessenz: Nicht alle Marken der Ausgaben Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, die dem Sammler als Plattenfehler (sic!) angeboten werden, sind tatsächlich die in den MICHEL®-Katalogen gelisteten und entsprechend bewerteten Besonderheiten. Obschon auf den ersten Blick alles stimmig erscheint. Nur, auf den ersten Blick sollte man sich in der Philatelie nicht allzu fest verlassen. Ich verwende im Zusammenhang mit diesen irreführenden Feldmerkmalen den von mir geprägten Begriff Amis Faux (frz. falsche Freunde). Amis Faux sind nicht nur für den Spezialisten sammelwürdig. Ich selbst finde die Beschäftigung mit diesen speziellen Marken hochspannend.

Was ihr Sammler bei Angeboten wie dem eingangs vorgestellten ebay-Artikel euch jedoch fragen solltet: „Ist der geforderte Preis gerechtfertigt?“ Lasst uns den Gedanken rund um den Preis für einen Moment weiterspinnen. Nehmen wir einmal an, ihr kauft das Angebot von diesem wirklich seriösen Anbieter bei ebay. Ihr bezahlt den Kaufpreis von Euro 5,00 plus Versandkosten und freut euch, die Marke eurer Sammlung hinzuzufügen. Voller Stolz präsentiert ihr diesen Neuzugang beim nächsten Vereinstreffen. Ein Sammlerkollege macht euch dann auf den zugrundeliegenden Irrtum aufmerksam, was ein philatelistischer Prüfer auf eure Anfrage bestätigt. Und jetzt? Der Verkäufer des konkreten ebay-Angebots lässt die Rückgabe der gekauften Ware zu. Was aber, wenn der Verkäufer dies ausschliesst? Das Feldmerkmal entspricht ja der Beschreibung im Katalog. Der Irrtum des Verkäufers beruht auf der unpräzisen, um nicht zu sagen abstrusen Beschreibung des betreffenden Feldmerkmals in den Michel-Katalogen (DSK, Saar-Spezial, etc.). Eine klärende oder erklärende Abbildung hinzuzufügen, hat die Katalogredaktion nicht für nötig befunden. Eine Verbesserung der Beschreibung oder das Einfügen einer Abbildung wurde seit mindestens 2001 entweder mangels Interesse oder aufgrund mangelnden Fachwissens nicht vorgenommen. Das ist nicht gerade ein Aushängeschild für einen Katalogverlag. Worauf ich hinaus will: „Wie weit haftet der Schwaneberger-Verlag für die Fehler, die er in seinen Katalogen – oft über Jahrzehnte hinweg – publiziert. Wie weit haftet er für die daraus den Sammlern entstehenden Vermögensschäden?“

Nein, ich betreibe hier kein MICHEL®-Bashing. Gravierende Mängel in einem Katalog, noch dazu in einem Spezial-Katalog, müssen beschrieben und beim Namen genannt werden. Und leider ist das Beispiel dieses Beitrags kein Einzelfall.

Dem Saarsammler, insbesondere dem Sammler sogenannter Plattenfehler – auf das Begriffspaar Plattenfehler/Feldmerkmal werde ich in einem späteren Beitrag eingehen – lege ich den 2017 erschienenen Saar-Saarland Spezial Briefmarkenkatalog 1920-1959 und Ganzsachen aus dem Hause Philotax ans Herz. Nur wenig teurer als ein einzelner Band des MICHEL®-DSK findet der Sammler nebst den ebenfalls nicht immer nachvollziehbaren Beschreibungen in fast allen Fällen eine aussagekräftige Abbildung mit dem markierten Feldmerkmal. So erhält der Sammler die Möglichkeit, eine angebotene Marke zu vergleichen.

Seid ihr euch bei einer Marke der 1. Offenburger Ausgabe nicht sicher, ob es sich tatsächlich um einen der im Michel-Katalog gelisteten Plattenfehler (sic!) handelt? In der Regel beantworte ich eure Anfragen innerhalb von 24 Stunden.

KONTAKTFORMULAR

Zum Abschluss des Beitrages noch eine Aussage zum Motiv der Marke. Dargestellt werden zwei Bäuerinnen, evtl. Mägde, bei der Rübenernte vor einer stilisierten Industrielandschaft mit Gasometer, Fabrikgebäuden und rauchenden Schloten. Schwerindustrie und Landwirtschaft, seit langem die Haupterwerbszweige der Saarländer. 1947, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, bei der Ausgabe des 50 Pfennig-Wert der Berufe und Sehenswürdigkeiten an der Saar, besass diese Aussage immer noch Gültigkeit.

Bis bald

#saarphila #saarphilatelie